Überall gegenwärtig: Assad-Propagand in Syrien

Was das Ende des Syrien-Abschiebungsstopps bedeutet

Der seit 2012 geltende generelle Syrien-Abschiebestopp läuft aus. Ausgerechnet am Tag der Menschenrechte konnten sich die Landesinnenminister nicht auf eine Verlängerung einigen. Damit bereiten sie Abschiebungen in den Folterstaat Syrien den Weg – genauso wie einer möglichen Zusammenarbeit mit dem kriegsverbrecherischen Assad-Regime. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Überall gegenwärtig: Assad-Propagand in Syrien

Wer ist vom Ende des Abschiebungsstopps betroffen?

In der Debatte hatten die Befürworter von Syrien-Abschiebungen immer wieder betont, es gehe ihnen vor allem darum, so genannte islamistische „Gefährder“ und Straftäter loszuwerden. Dabei geht es rund um 100 Personen, die schwere Straftaten begangen haben oder von den Sicherheitsbehörden als „Gefährder“ eingestuft wurden (eine aus rechtsstaatlicher Sicht problematische Kategorie).

Über diese Gruppe hinaus sind theoretisch auch alle Syrer*innen von Abschiebung bedroht, die „vollziehbar ausreisepflichtig“ sind. Zum Stichtag 30. Juni waren das laut Statistik 453 Personen aus Syrien. Viele von ihnen dürften aber ohnehin längst ausgereist sein. Für die allermeisten Syrer*innen in Deutschland gibt deshalb keinen Grund zur Panik. 

Nur ein kleiner Anteil der Syrer*innen in Deutschland könnte überhaupt abgeschoben werden.

Aber sollte sich die Meinung durchsetzen, der Krieg in Syrien sei vorbei und es gebe „sichere Gebiete“, könnten in den nächsten Monaten und Jahren subsidiär Geschützte und auch anerkannte Flüchtlinge durch ein Widerrufsverfahren ihren Schutztitel verlieren. Doch das ist noch Zukunftsmusik.

Der Abschiebungsstopp endet mit dem Jahr 2020. Wann wird es die ersten Abschiebungen geben?

Das kann noch eine ganze Weile dauern. Denn abgeschoben werden darf nur, wenn keine Gefahr besteht, in Syrien gefoltert oder menschenunwürdig behandelt zu werden. Angesichts zahlloser Berichte über systematische Folter in Syrien und andere Menschenrechtsverbrechen, dürften Gerichte Abschiebungen mit großer Wahrscheinlichkeit stoppen. Insbesondere bei so genannten “islamistischen Gefährdern” ist so gut wie sicher, dass diese in Syrien gefoltert würden.

Außerdem gibt es bislang keinen Weg, Abschiebungen nach Syrien durchzuführen: Es gibt keine diplomatischen Beziehungen, keine direkten Reisewege. Zwar wäre es möglich, Vereinbarungen mit dem Assad-Regime zu treffen, aber das widerspräche der bisherigen außenpolitischen Linie der Bundesrepublik. Bleibt zu hoffen, dass sich diese nicht ändert.

Eine „niedrigschwelligere“ Möglichkeit wäre, dass Deutschland versucht nur indirekt mit dem Assad-Regime in Kontakt zu treten, etwa über die tschechische Botschaft. Statt selbst mit den Massenmördern des Regimes zu kooperieren, würde Deutschland quasi einen Vermittler einschalten. Ethisch wäre die Sache dadurch keinesfalls besser.

Könnten Syrer nicht in die türkisch oder kurdisch kontrollierten Gebiete abgeschoben werden, wie Bayerns Innenminister Herrmann vorschlägt?

In den von türkisch unterstützten Milizen regierten Teilen Nordsyriens herrscht Rechtlosigkeit. Die Milizen verantworten schwerste Menschenrechtsverletzungen. Aus Deutschland abgeschobene Straftäter oder „Gefährder” könnten hier zum Opfer schwerer Verbrechen werden – oder zu Tätern, etwa wenn sie sich dschihadistischen Milizen anschließen. 

Abschiebungen nach Syrien über die türkisch-syrische Grenze? – Kaum denkbar.

Letztlich müssten deutsche Behörden mit der Türkei kooperieren und sie bitten, Abgeschobene in ein von ihr völkerrechtswidrig eingenommenes Gebiet zu bringen. Unter rechtsstaatlichen Bedingungen ist das nicht machbar. Sollte die Bundesregierung derartiges versuchen, würde sich die Türkei allerdings freuen: Sie würde sich davon vermutlich Legitimation für ihre völkerrechtswidrige Expansionspolitik in Syrien erhoffen.

Zur kurdisch geprägten Selbstverwaltung Nordostsyriens hat die Bundesregierung keinen direkten Kontakt – denn das würde wiederum die Türkei verärgern. Auch dürfte die kurdisch geprägte Selbstverwaltung wenig Interesse haben, Gefährder und Straftäter aus Deutschland aufzunehmen. Immerhin sind dort bereits Dutzende, wenn nicht Hunderte Deutsche Dschihadist*innen gestrandet, die sich dem „Islamischen Staat” angeschlossen hatten. Auch dort kommt es immer wieder zu Anschlägen und Angriffen durch türkisch finanzierte Milizen.

Wofür sich Herrmann und co. in Wirklichkeit stark machen, wenn sie solche Lösungen vorschlagen: Für Wildwest-Hauruck-Aktionen, die mit Sicherheit rechtswidrig wären.

Was bedeutet das für die innenpolitische Debatte?

Abgeordnete der AfD versuchen schon länger, Assad als Ansprechpartner aufzuwerten.

Wenn es nun keinen generellen Abschiebungsstopp mehr gibt, Abschiebungen aber an praktischen Gründen scheitern, dann kann das Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten sein. Das Argument: Ihr versprecht, nach Syrien abzuschieben – liefert aber nicht. So ist das etwa in Dänemark passiert. Das nordische Land hat die Region Damaskus als sicher für Rückkehrer*innen eingestuft, schreckt aber vor der Kooperation mit dem Assad-Regime zurück. Das nutzen rechte Kräfte für sich – und auch hierzulande könnte etwa die AfD die Debatte für sich nutzen.

Und für die Außenpolitik gegenüber dem Assad-Regime?

Zum Glück – könnte man sagen – sind es nicht die Innenminister*innen, die die Außenpolitik gestalten. Denn unter ihnen scheint es einige zu geben, die keine Skrupel hätten, im Fall von Abschiebungen auch offen mit dem Assad-Regime zusammen zu arbeiten. Letztlich erhöhen die Innenpolitiker*innen mit dem Ende des Abschiebungsstopps aber den Druck, die Kooperation mit dem Regime zu suchen. Noch ist die syrische Diktatur international isoliert – aber Assad wartet nur darauf, dass er von anderen gebraucht wird. Die Entscheidung, den Abschiebungsstopp nach Syrien nicht zu verlängern, dürfte für ihn ein erfreuliches Weihnachtsgeschenk gewesen sein.

Keiner der Kandidaten für den CDU-Vorsitz steht mehr für ein klares Nein zur Kooperation mit Assad.

Aber in der Debatte hatten sich auch Außenpolitiker*innen der Union zu Wort gemeldet. Dass etwa Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag und Kandidat für den CDU-Vorsitz, sich für Syrien-Abschiebungen positioniert hat, deutet eine außenpolitische Richtungsänderung an. Unter den drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz gibt es damit keinen mehr, der sich explizit gegen jeglichen Kontakt zum Assad-Regime stellt. Das Ende der „Ära Merkel“ könnte auch für die deutsch Syrienpolitik eine Zeitenwende werden.

Wie geht es jetzt weiter?

Absehbar wird es einige Zeit dauern, bis es zu einer Abschiebung nach Syrien kommt, denn hierfür sind umfangreiche Vorbereitungen nötig. Erforderlich wäre etwa, dass die Bundesregierung direkt oder indirekt Vereinbarungen mit dem Assad-Regime zu treffen sucht, die Sicherheitsgarantien für die Rückkehrer*innen beinhalten. Zwar hat das Regime in jeder Hinsicht bewiesen, dass all seine Sicherheitsgarantien wertlos sind, aber das hat auch vor dem Aufstand in Syrien kaum jemanden in der deutschen Politik gestört

Klar ist aber, dass es zu Gerichtsverfahren kommen wird, in denen beurteilt werden muss, ob jemandem im Syrien Gefahr droht. Und klar ist auch, dass die Proteste gegen Syrien-Abschiebungen und eine mögliche Kooperation mit Assad weitergehen werden: Ob mit der Forderung nach Abschiebestopps in einzelnen Bundesländern oder intensiven Protesten bei den Innenministern. Wir werden weiter klarstellen: Syrien ist ein Folterstaat, in den nicht abgeschoben werden darf. Und Assad gehört vor den internationalen Gerichtshof, und nicht an den Verhandlungstisch.

Mit der Kampagne #SyriaNotSafe treten wir gegen Syrien-Abschiebungen und die Normalisierung des Assad-Regimes ein. Helfen Sie mit Ihrer Spende, diese Kampagnenarbeit möglich zu machen!