Die Angst, die eigene Komfortzone zu verlassen

Am 18. April 2018 folgten rund 150 Menschen dem Aufruf der Linksfraktion, vor dem Brandenburger Tor unter dem Motto “Nein zum Krieg” zu protestieren – darunter Abgeordnete, VertreterInnen von IPPNW, Bundesausschuss Friedensratschlag und Naturfreunden.

Doch auch wenn der Anlass der neuerliche Einsatz von Chemiewaffen in Douma, Ost-Ghouta, und die Reaktion der USA darauf war wurde deutlich: Die Friedensbewegung verteidigt nicht (mehr) die Werte von universellen Menschenrechten und transnationaler Solidarität. Denn statt Mitleid mit den Opfern des Kriegs wurde nur die Angst deutlich, die eigene Komfortzone verlassen zu müssen – sei es dadurch, sich ernsthaft mit den Opfern von Gewalt auseinandersetzen zu müssen, oder dass der Krieg hier ankommen könnte. Hier unser kurzer Kommentar dazu, den wir auf Facebook veröffentlicht haben.

Irgendwie bin ich froh, mir die Friedenskundgebung der Linksfraktion gegen den Angriff in Syrien angesehen zu haben.

Erst jetzt ist mir wirklich klar geworden, was Teile der Friedensbewegung und zumindesten das Wagenknecht-Lager in der Linkspartei unter Frieden verstehen. Es geht nicht um Assad, Aleppo oder Ghouta, auch nicht darum, ob Giftgas eingesetzt, Kriegsverbrechen begangen oder völkerrechtswidrige Annexionen stattgefunden haben. Es geht um unsere Angst hier, dass all dies zu einem Krieg führen, der direkte Auswirkung auf uns in Deutschland haben könnte.

Und weil es nicht um den Frieden in Syrien, sondern um die Gefahr für den Frieden in Deutschland ging, war es auch konsequent, dass keine Person aus Syrien auf der Kundgebung gesprochen hat, sondern ausschließlich Dietmar Bartsch und Sarah Wagenknecht sowie Personen der deutschen Friedensbewegung.

Vielleicht habe ich heute Abend erst so richtig verstanden, warum die Friedensbewegung all die Jahre zum Grauen in Syrien geschwiegen hat. Warum die systematische Zerstörung von Krankenhäusern, der Einsatz von geächteten Waffen, der durch die UN belegte Giftgaseinsatz des Assad-Regimes in Khan Sheikoun und andere Kriegsverbrechen des Regimes gegen die Zivilbevölkerung zu keinem Aufschrei führten.

Während mich die Ignoranz der Friedensbewegung gegenüber den Schicksalen in Syrien in der Vergangenheit oft wütend gemacht hat, habe ich heute Abend vor allem eins Empfunden: Mitleid. Mitleid mit Menschen, die vor lauter Angst, ihre Komfortzone einzubüßen, unfähig geworden sind, für ihre eigene Werte einzustehen – die Universalität der Menschenrechte und transnationale Solidarität. Ja mehr noch: die Angst vieler geht längst so weit, dass sie ihre Werte verleugnen und verraten.

Eine emanzipatorische, linke Politik, die sich für Frieden einsetzt, braucht Mut. Angst stärkt nur die Tyrannei.