Wie die “Angst der Minderheiten” in zehn Schritten besiegt werden kann: Eine Gebrauchsanweisung

Politische Satire „Die Minderheiten haben Angst“ – dieser Satz wird oft wiederholt. „Rechte der Minderheiten“ ist ein Dauerbrenner…Befürchtungen der Minderheiten, ihr Schutz, ihr Verschmelzen, Koalition der Minderheiten, Beruhigung der Minderheiten…die Liste der Begriffe ist lang. Begriffe, welche von einem Regime erfunden und gesät wurden, das seit Jahrzenten behauptet, es würde die Minderheiten schützen. Die „Angst […]

Politische Satire

„Die Minderheiten haben Angst“ – dieser Satz wird oft wiederholt. „Rechte der Minderheiten“ ist ein Dauerbrenner…Befürchtungen der Minderheiten, ihr Schutz, ihr Verschmelzen, Koalition der Minderheiten, Beruhigung der Minderheiten…die Liste der Begriffe ist lang. Begriffe, welche von einem Regime erfunden und gesät wurden, das seit Jahrzenten behauptet, es würde die Minderheiten schützen. Die „Angst der Minderheiten“ ist ein von einem verschlagenen Regime vorgeschobener Begriff, hinter dem es seine Machtinteressen versteckt. Auch der Westen missbraucht dieses Scheinargument. Damit werden bei den „Minderheiten“ übertriebene Ängste und Befürchtungen geschürt; sie werden in eine  Konfrontation mit der „Mehrheit“ gedrängt.

Wie die „Mehrheit“  den „Minderheiten“ die Angst nehmen soll? Hier einige Ratschläge:

  1. Die Mehrheit muss Brutkästen unterschiedlicher Größe für die Minderheiten besorgen. Über mit den Kästen verbundene Schläuche werden alle „Minderheitenrechte“ sichergestellt. Jede Verletzung dieser Rechte wird über empfindliche Sensoren, die ebenfalls an den Brutkästen angebracht sind, sofort angezeigt.
  2. Folklore und Tradition müssen in allen syrischen Landsteilen ersetzt werden durch den Gesang von Ali Al Deek und Wafiq Habib [Die Lieder und Musik dieser Sänger entstammen der alewitischen Tradition und Folklore.]
  3. Die Bewohner Haurans müssen ihre Tee-Runden durch Mate-Tee-Runden ersetzen. [Der Hauran ist die Gegend im Südwesten Syriens mit Daraa als Hauptstadt, wo man tagein, tagaus überzuckerten Schwarztee trinkt. Matetee ist dagegen das traditionelle Getränk bei den Alawiten – im Rest des Landes ist Schwarztee das Hauptgetränk.]
  4. Die Bewohner von Deir ez-Zor sollten eine Brennerei für Arak-Schnaps eröffnen. [Der Anis-Schnaps Arak ist in Syrien sehr verbreitet. Unter der – sunnitischen – Mehrheit ist Alkohol eher verpönt, bei den Minderheiten nicht.]
  5. Die islamistischen Kämpfer, z.B. der Nusra-Front, müssen anstelle von weiten Gewändern und Hosen enge Jeans-Shorts anziehen. Ihre Bärte müssen im modernem Stil getrimmt, ihre Haare nach Punk-Frisuren geschnitten werden – am besten als Spikes.
  6. Herr Maamun Al Homsi [syr. Oppositionspolitiker] sollte damit aufhören, die Sunniten „aufzuwiegeln“. Denn dies könnte den „Minderheiten“ noch mehr Angst machen.
  7. Die Herren Michel Kilo und Habib Saleh [syr. Oppositionspolitiker] sollten ihre öffentlichen Auftritte reduzieren. Denn trotz ihrer Zugehörigkeit zu den Minderheiten verunsichern diese Herren jene Gruppen nur unnötig!
  8. Scheich Qaradawi [einer der einflussreichsten Gelehrten in der islam. Welt] soll eine Fatwa veröffentlichen – Inhalt: „Säkularismus ist die Lösung“.
  9. Die Experten für Übergangeologie [also die Wissenschaft vom politischen Übergang] und Übergangsgerechtigkeit sollen folgendes Projekt initiieren: In den Wohngebieten der Minderheiten sollen Sirenen installiert werden. Diese sollen quasi als Frühwarnsystem dienen, falls ein Muezzin-Ruf [Gebetsruf in Islam] oder Topfschlagen droht. [Topfschlagen wird manchmal als alternativer Protest praktiziert. Ein ganzes Stadtviertel beteiligt sich üblicherweise an solche Aktionen. In Wohnungen, an Fenstern und Balkonen werden Töpfe mit Löffeln geschlagen und so ein sog. „Topf-Konzert“ veranstaltet.]
  10. In Zukunft soll ein Teil der Bewohner von Jabla [Stadt am Mittelmeer nahe Lattakia] nach Kafranbel [Ort in der Provinz Idlib, berühmt für seine Karikaturen]  umgesiedelt werden, ein Teil der Bewohner von Scheich Badr [Ort bei Tartus] nach Scheich Miskin [Ort bei Daraa] und die Bewohner von Maschta Al Hilu [christlich-geprägter Ort bei Tartus] nach Khalidiyya in Homs [ein sunnitisch-geprägtes Viertel].

Zum Schluss, liebe Freunde, möchte ich resümieren: Die Alawiten haben Angst, die Christen haben Angst, die Druzen haben Angst, die Ismailiten haben Angst, die Kurden haben Angst, die Assyrer haben Angst, die Armenier haben Angst. Und die Mormonen haben auch Angst. Die Zahl der Opfer steigt, wogegen der syrische Lira fällt. Der Brotpreis steigt – Heizöl bekommt man nicht mehr. Wer all das mitbekommt, verfällt in Depressionen. Unsere Revolution mag sich aufgrund zaghafter und ausbleibender Hilfe hier und da auf Irrwegen befinden – aber sie wird siegen!

Das Logo des syrischen Magazins "Sendian". Unter der Eiche heißt es: "Für die EinwohnerInnen der Küste sowie alle SyrerInnen".
Das Logo des syrischen Magazins „Sendian“. Unter der Eiche heißt es: „Für die EinwohnerInnen der Küste sowie alle SyrerInnen“.

 

Der obige Artikel erschien in der November-Ausgabe des syrischen Magazins „Sendian“ („Eichenblatt“), hier die arabische Facebook-Seite. Der Artikel von Sa’id Ali erschien auf Seite 9 des rund 30-seitigen Magazins, das in monatlichem Rhythmus erscheint. Hier kann man sich den arabischenOriginalbeitrag online anschauen. Die erste Ausgabe der „Sendian“ erschien bereits im Sommer 2012. Das Magazin wird in der Region um Lattakia herausgegeben und entstammt daher einem multikonfessionellen Umfeld. Die Herausgeber der „Sendian“ stammen aus verschiedenen konfessionellen Hintergründen und wollen eine Zeitschrift für alle SyrerInnen verfassen. Das Themenspektrum enthält stets eine Seite zu syrisch-kurdischen Inhalten, Einblicke in die „andere Welt“ der regimetreuen Gebiete der Küste sowie Proteste & Plakate aus allen Landesteilen Syriens.