Die Ergebnisse sind eindeutig: Syrische Geflohene wollen nicht in Europa bleiben. Aber solange PolitikerInnen nicht anfangen, zuzuhören, warum die Menschen geflohen sind und was passieren muss, damit sie wieder zurückkehren können, werden noch viele weitere kommen.
Hier sind die fünf Hauptergebnisse der ersten großen Umfrage unter syrischen Geflohenen in Europa.
1. Die meisten SyrerInnen fliehen vor Assad, nicht vor ISIS.
Im Gegensatz zu dem, was man häufig in der Zeitung zu lesen bekommt, ist es meist nicht die Brutalität ISIS, vor der die meisten Menschen fliehen. Es ist die weitaus großflächigere, staatlich organisierte Gewalt des Assad-Regimes, die den Großteil der SyrerInnen aus ihrer Heimat vertreibt.
2. Die meisten haben Angst vor einer Inhaftierung oder Entführung durch das Assad-Regime.
Alle bewaffneten Gruppen waren oder sind involviert, wenn es darum geht, Menschen zu verhaften oder sie verschwinden zu lassen. An das Ausmaß der syrischen Regierung jedoch kommen sie nicht heran, wie tausende durchgesickerte Bilder von Folter in staatlichen Gefängnissen bezeugen.
3. Fast alle SyrerInnen wollen nach Hause zurückkehren. Jedoch nicht, wenn Bashar al Assad an der Macht bleibt.
Es scheint oft so, als würden die Leute, die in Booten ihr Leben riskieren und Stacheldrahtzäune überwinden, wirklich nur nach Europa kommen wollen. Wollen sie aber nicht: Die SyrerInnen wollen wieder nach Hause in ihr eigenes Land. Angesichts der andauernden Gewalt vor Ort können sie dies aber nicht.
Während Russland und andere Länder fordern, sich mit Assad gegen ISIS zu verbünden, lehnt es eine Mehrheit der syrischen Geflüchteten ab zurückzukehren, solange Assad noch an der Macht ist. Syrien braucht Frieden und ein Ende der Diktatur.
4. Ein Ende der Bombardierung durch Fassbomben würde helfen, damit mehr Menschen in Syrien bleiben können. Mehr als die Intensivierung von Hilfe.
Eine große Mehrheit der SyrerInnen sagte, sie fürchten sich vor den Fassbomben Assads – improvisierten Metallfässern, gefüllt mit Sprengstoff und Metallschrott, abgeworfen von Regierungshelikoptern über zivilen Vierteln.
Diese Fassbomben und andere Luftangriffe töten die meisten ZivilistInnen in Syrien. Seit der UN-Sicherheitsrat den Einsatz von Fassbomben 2014 geächtet hat, sind durch diese Waffe bereits mehr als 2.000 Kinder ums Leben gekommen. Sie zerstören regelmäßig Krankenhäuser, Schulen und Wohnhäuser. Um die Flucht weiterer SyrerInnen zu verhindern, müssen die Bomben gestoppt werden.
5. Der Grund für die heutige Situation ist die militärische Antwort Assads auf die friedlichen Demonstrationen 2011.
Obwohl sich in den letzten viereinhalb Jahren in Syrien extrem viel verändert hat, macht eine überwältigende Mehrheit der SyrerInnen Bashar al-Assad für die heutige Situation verantwortlich. Die meisten der Befragten gaben an, dass das militärische Vorgehen Assads gegen die friedlichen DemonstrantInnen, welche 2011 für Freiheit und Würde auf die Straßen gingen, der Grund für die heutige Gewalt ist.
Was sollte Europa tun?
Um die Zahl syrischer Geflohener in Europa zu reduzieren und dabei zu helfen, die Bedingungen für ihre Rückkehr zu schaffen, sollten europäische PolitikerInnen:
- Ein Ende der Fassbomben durchsetzen. Eine Flugverbots- oder Nicht-Angriffs-Zone könnte die häufigste Todesursache für ZivilistInnen in Syrien stoppen: Fassbomben und Luftangriffe des Assad-Regimes. Europa muss ernsthaft daran arbeiten, diese zu stoppen.
- Auf einen friedlichen Machtwechsel weg von Assad drängen. Für den Konflikt in Syrien kann es keine militärische Lösung geben. Für ein Ende der Gewalt braucht es in Syrien einen glaubwürdigen Neuanfang. Je länger dies dauert, desto mehr Leute werden dazu gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen.
Dass Europa seine Grenzen für diejenigen öffnen sollte, die vor Krieg und Gewalt fliehen, liegt auf der Hand – die Abriegelung der europäischen Außengrenzen sorgt nur dafür, dass noch mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken.
Europäische PolitikerInnen müssen verstehen, dass immer mehr Menschen nach Europa fliehen werden, wenn nicht mehr passiert, die Gewalt in Syrien einzudämmen. Die „Flüchtlingskrise“ ist nicht zu lösen, ohne die „syrische Krise“ zu lösen.
Mit einem Aufruf fordern zivile syrische AktivistInnen, den Einsatz von Fassbomben in Syrien zu stoppen. Sie können mithelfen, der Forderung Nachdruck zu verleihen, indem Sie sich solidarisch erklären mit dem Aufruf.
Wir haben diesen Text übersetzt von The Syria Campaign, die sich auf die Daten unserer Umfrage unter fast 900 syrischen Flüchtlingen in Deutschland stützt.