Dubai sagt Abschiebung in letzter Minute ab

In den letzten Tagen haben wir uns von Adopt a Revolution intensiv mit dem Schicksal des syrisch-palästinensischen Aktivisten Wael Sahli beschäftigt. Er wurde über drei Wochen am Flughafen von Dubai festgehalten und war dort der unmittelbaren Gefahr ausgesetzt, nach Syrien abgeschoben zu werden. Diese Abschiebung hätte für ihn ein wahrscheinliches Todesurteil oder zumindest Haft und […]

In den letzten Tagen haben wir uns von Adopt a Revolution intensiv mit dem Schicksal des syrisch-palästinensischen Aktivisten Wael Sahli beschäftigt. Er wurde über drei Wochen am Flughafen von Dubai festgehalten und war dort der unmittelbaren Gefahr ausgesetzt, nach Syrien abgeschoben zu werden. Diese Abschiebung hätte für ihn ein wahrscheinliches Todesurteil oder zumindest Haft und Folter zur Folge gehabt, da er wegen seiner Menschenrechtsarbeit vom Assad-Regime gesucht wird.

Nach drei Wochen am Flughafen wurde Wael gestern, auch wegen Öffentlichkeitsarbeit hier, nicht nach Syrien, sondern zurück nach Jordanien abgeschoben. Dort hat er jetzt entweder die Möglichkeit, in einem der Flüchtlingslager für SyrerInnen unter menschenunwürdigen Bedingungen zu leben, oder wieder unterzutauchen. Wir hatten bereits eine Pressemitteilung in Vorbereitung, aber mittlerweile ist die konkrete Lebensgefahr glücklicherweise abgewendet.

Hier die Mitteilung, die wir vorbereitet hatten:

Eilt: Lebensgefahr für Menschenrechtler durch drohende Abschiebung nach Syrien

Dubai hält bekannten syrischen Menschenrechtler Wael Sahli mit 9-jährigem Sohn an Flughafen fest / Drohende Abschiebung nach Syrien bedeutet Lebensgefahr / Bundesregierung und EU müssen mit Nachdruck eine Freilassung einfordern

Berlin/Beirut/Dubai, 15. Mai 2015. Der bekannte syrisch-palästinensische Menschenrechtsaktivist Wael Sahli wird gemeinsam mit seinem neunjährigen Sohn seit drei Wochen am Flughafen in Dubai festgehalten. Die Behörden drohen beiden wegen mangelndem Aufenthaltsstatus mit einer Abschiebung nach Syrien, was Wael Sahli der Gefahr der Todesstrafe aussetzen würde.

Wael Sahli hat die oppositionelle Bewegung gegen die Diktatur von Bashar Al Assad in Syrien aktiv unterstützt. Durch seine Dokumentation von Kriegsverbrechen seitens des syrischen Regimes – insbesondere Fotografien gefolterterter und verstümmelter Gefangener – ist er nicht nur ein wichtiger Zeuge der Geschehnisse in Syrien. Wegen seines Einsatzes für Menschenrechte ist er auch unmittelbar der Gefahr der Verurteilung und im Extremfall Folter und Hinrichtung durch das syrische Regime ausgesetzt.

„Gefängnis, Folter und oft der Tod, das haben Menschenrechtsaktivisten in Syrien zu erwarten, wenn sie dem Assad-Regime in die Hände fallen. Entsprechend bedeutet eine Abschiebung von Wael Sahli nach Syrien zu diesem Zeitpunkt eine Lebensgefahr“, so Ansar Hevi, Koordinatorin bei Adopt a Revolution, die in ständigem Kontakt mit Wael Sahli steht.

Erst Ende vergangenen Jahres wurden zwei Kollegen von Wael Sahli vom syrischen Regime verhaftet, ihr Verbleib ist seitdem ungewiss. „Die Abschiebung aus Dubai steht unmittelbar bevor, es zählt jede Minute. Bundesregierung und Europäische Kommission müssen sich sofort bei den Vereinigen Arabischen Emiraten und direkt in Dubai gegen die geplante Abschiebung einsetzen“, so Ansar Hevi weiter.

Wael Sahli floh vor der Gewalt des Assad-Regimes zunächst nach Jordanien, wo er als palästinensischer Syrer jedoch kein Aufenthaltsrecht erhielt. Im April 2015 reiste der Menschenrechtsaktivist mit seinem Sohn weiter nach Dubai, um seine Reise in Richtung Sudan fortzusetzen. Seit mittlerweile drei Wochen wird Wael am Flughafen in Dubai festgehalten.

Weitere Informationen im beigefügten Hintergrund. Für Rückfragen und Kontakte vor Ort stehen wir gerne zur Verfügung.

Ihr Ansprechpartner
Elias Perabo, Initiator Adopt a Revolution

Adopt a Revolution unterstützt seit Anfang 2012 die Arbeit der jungen syrischen Zivilgesellschaft und vermittelt hierzulande Informationen aus der syrischen Demokratiebewegung. Zivile Initiativen in Syrien hat Adopt a Revolution bisher mit über 800.000 Euro finanziell unterstützt.

Hintergrund zu Wael Sahli

Wael Sahli (41) hat seit 2011 aktiv die friedliche Bewegung in Syrien über Medienarbeit und medizinische Nothilfe unterstützt – insbesondere in Damaskus. Adopt a Revolution kennt Sahli indirekt über die enge Zusammenarbeit mit den Damaszener Basiskomitees (LCCs), hier insbesondere dem LCC Camp Yarmouk. Seit dem 20. April 2015 befindet er sich auf dem Flughafen von Dubai und ist von der Abschiebung nach Syrien bedroht.

Mit dem Beginn des friedlichen Aufstands in Syrien engagierte sich Sahli zunächst innerhalb des LCC Camp Yarmouk, hier insbesondere im Bereich der Medienarbeit zu Süddamaskus und der Fotodokumentation. Dies hat die Menschenrechtsarbeit der Komitees und anderer Gruppen wie dem „Netzwerk für Nachrichten aus den palästinensischen Camps in Syrien“ extrem unterstützt, da Sahli auch in schwer zu erreichenden und von massiver Gewalt betroffenen Stadtteilen Dokumentationsarbeit gemacht hat. Hierzu gehört die Arbeit im Stadtteil Tadamon und dem Bezirk al-Zeen des Stadtviertels al-Hajar al-Aswad Ende 2011. Die besondere Aufgabe Sahlis war es auch, diese schwer zugänglichen Gebiete für andere Medienaktivisten erreichbar zu machen.

Die Aktivisten des LCC Camp Yarmouk wurden später aktiv von Menschenrechtsverteidigerin Razan Zeitouneh im Aufbau eines „Menschenrechtsbüros“ zur professionellen Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen unterstützt, aus welchem sich die „Palästinensische Liga für Menschenrechte – Syrien“ [Palestinian League for Human Rights – Syria, PLHR] entwickelt hat.

Daneben war Sahli insbesondere im Bereich der humanitären Nothilfe engagiert und hat hier vor allem über die Beziehungen mit lokalen Damaszener Händlern ein Netzwerk an Unterstützern für die in Yarmouk ansässigen IDPs aus den umliegenden Gebieten sowie Homs, aufgebaut. Hierzu gehörte auch die aktive Unterstützung von Sanitätern in den von Gewalt betroffenen Gebieten durch den Schmuggel von medizinischem Material.

Der entscheidende Beweggrund, Syrien zu verlassen war dennoch, dass Sahli begonn, die Unterwanderung des syrischen Regimes in den Rängen der Freien Syrischen Armee in Süddamaskus zu dokumentieren (siehe hierzu auch: Darwish, Sabr (Hrsg.): „Syria. The Experience of Liberated Cities“, Kap. 1 zu Yarmouk). Sahli musste Syrien im Novemeber 2012 illegal verlassen, da er vom Regime gesucht wurde. Da er über keine Reisepapiere verfügt und Jordanien seit Anfang 2012 keine Palästinenser mehr aus Syrien hat einreisen lassen (nur mit anschließender Inhaftierung in Camp „Cyber City“), musste Sahli illegal nach Jordanien einreisen. Im Laufe seines Aufenthalts konnte er einen Reisepass der Palästiensischen Autorität (PA) erlangen.

Nachdem ihm die Einreise in den Sudan verweigert wurde, wurde er am 20. April nach Dubai abgeschoben, von wo aus ihm und seinen Sohn die Abschiebung nach Syrien droht – entweder direkt über die dubaiischen Behörden oder über den Libanon (HRW hat von dort mehrere Fälle von Abschiebungen nach Syrien dokumentiert). Diese Angst ist sehr konkret begründet, da zwei seiner ehemaligen Kollegen, die 2012 medizinische Hilfe mit ihm in Tadamon geleistet haben, erst Ende vergangenen Jahres aufgrund dessen festgenommen wurden (u.a. Samir Abdelfattag).

Sahlis Sohn (9) verfügt zudem über Reisepapiere für Palästinenser in Syrien und somit über andere persönliche Dokumente als der Vater. Die Familie könnte also bei einer Abschiebung auch getrennt werden, was eine weitere Menschenrechtsverletzung darstellen würde.

Der Zwangsaufenthalt auf dem Flughafen dauert inzwischen drei Wochen an, Sahli und sein Sohn haben keinen Zugang zu medizinischer oder anderer Versorgung, keine Privatsphäre oder einen adäquaten Schlafplatz.