15. Dezember 2013
Im Namen Gottes
Es sind sechs Tage vergangen seit der Entführung unserer Tochter Razan Zeitouneh, ihres Ehemanns, dem Aktivisten Wael Hamada, der Aktivistin Samira Al-Khalil und des Aktivisten Nazim Al-Hamadi. Sechs Tage lang erleben wir nun, was so viele syrische Familien zuvor durchlebt haben: die Bitterkeit der Entführung und die Schmerzen der Ungewissheit. Razan berichtete jahrelang von Entführungen und den unmenschlichen Zuständen, die der Entführte und seine Familie durchleben. Nur eine Woche vor ihrer Verschleppung erwähnte sie in einem ihrer Artikel folgenden Satz:
„Obwohl es in den sozialen Netzwerken mediale Aufregung über jeden Entführungsfall gibt, werden die Fälle letztendlich vergessen, da es fast keine Möglichkeit gibt, zu Gunsten der Opfer einzugreifen.“
Durch diese Erklärung möchten wir, die Familie Razan Zeitounehs, allen danken, die uns in diesem menschlichen Leid zur Seite stehen. Wir betrachten dies als nationalen Fall – ebenso wie wir es als einen persönlichen und humanitären Fall betrachten. Entführungen sind [in Syrien] zu einem Phänomen geworden, das es nicht länger zu verschweigen gilt. Wir möchten nicht, dass dieses Ereignis in Vergessenheit gerät und im Laufe der Zeit aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwindet.
Während ihrer Anstrengungen seit dem Jahr 2000, um die Menschenrechte zu verteidigen, war Razan einzig eine gute Tochter ihres Heimatlandes Syrien, sie war stets eine aufrichtige syrische Bürgerin. Sie war eine der ersten ehrenamtlichen VerteidigerInnen politischer Gefangener in Syrien; sie arbeitete für kein Ziel außer ihrem eigenen Glauben an Menschenrechte und Gleichheit, ebenso wie sie für keine Partei arbeitete. Sie strebte weder nach Ruhm noch materiellem Reichtum – ganz im Gegenteil bestand sie darauf, in Syrien zu bleiben, trotz der großen Risiken bezüglich ihrer persönlichen Sicherheit, um das Leid mit den SyrerInnen zu teilen und ihre Qualen ehrlich und glaubwürdig zu dokumentieren.Tatsächlich hat sie das durchlitten, was die Anderen durchlitten haben: den Kummer des Krieges, Angst, den Mangel an medizinischer Versorgung und Hunger aufgrund der Belagerung.
Razan Zeitouneh ist ein Symbol der Revolution für die Freiheit des syrischen Volkes, denn sie ist eine syrische Aktivistin, die Seite an Seite mit ihren syrischen Brüdern und Schwestern in allen für sie essentiellen Bereichen der Revolution gekämpft hat.
Razans Objektivität und Professionalität bei der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen, die von jeglicher Seite ausgingen, sind Bekräftigung ihrer Glaubwürdigkeit und ihrer Hingabe als Anwältin und Menschenrechtsaktivistin. Weiterhin bezeugt es ihren Glauben an die Wahrheit, was auch immer diese sei, als ein Recht für alle SyrerInnen. Für sie ist dies ein Grund, weshalb die Revolution ausgebrochen ist.
Wir erzählen all diese Details in der Hoffnung, ein wahrheitsgetreues Bild nicht nur von Razan als einer ausdauernden Aktivistin abzugeben, sondern von Razan als einer unparteiischen, objektiven Bürgerin. Wir bitten aufrichtig darum, dass niemand von ihrem Namen oder ihrer Entführung Gebrauch mache, weder um ideologische Konflikte und Auseinandersetzungen hervorzurufen noch um andere Parteien ohne Beweise anzuklagen.
Wir, Razans Familie, rufen jeden dazu auf, rational, geduldig und einsichtig zu sein und mit allen anderen Beteiligten zusammenzuarbeiten, um diese Situation zu beenden. Es bleibt uns nur, darauf hinweisen, dass das Regime Assads, seine Kumpanen und diejenigen, die die Wahrheit und die Meinungsfreiheit fürchten, die eigentlichen Nutznießer dieser Entführung sind. Wir rufen gleichzeitig die Anführer und RevolutionsaktivistInnen in Ghouta – besonders diejenigen, welche über militärische Stärke verfügen – dazu auf, ihre moralische Verantwortung zu übernehmen, da dieser Vorfall in Gebieten geschah, die unter ihrer Kontrolle sind. Wir haben bislang niemanden – weder eine Einzelperson noch eine Gruppe – ohne Beweise beschuldigt und wir werden dies auch in Zukunft nicht tun. Wir werden zudem niemanden in mediale Auseinandersetzungen ziehen, denn unser einziges Anliegen ist die Sicherheit Razans und ihrer BegleiterInnen und ihr sicheres Entkommen aus deren Tortur. Deswegen bitten wir hier alle revolutionären Kräfte in Ost-Ghouta, Hand in Hand zu arbeiten und gemeinsam einen Plan zu entwickeln, um Entführungsfällen allgemein und dem Fall Razans und ihrer BegleiterInnen im Besonderen nachzugehen.
Es ist an der Zeit, dass wir uns alle dem Phänomen der Verschleppungen stellen, bevor unser Land und unsere Revolution noch mehr ihrer Kinder verliert.
Nehmen Sie mit uns Kontakt auf:
Diese Erklärung wurde am 16. Dezember 2013 auf der Facebook-Seite des Violations Documentation Center in Syria (VDC) auf Englisch veröffentlicht. Das Zentrum wurde von der Anwältin & Aktivistin Razan Zeitouneh gegründet, um Menschenrechtsverletzungen in Syrien nachzugehen. Die Übersetzung wurde von einer Aktivistin von Adopt a Revolution erstellt.