Im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz hat sich die Syrien-Kontaktgruppe auf eine Vereinbarung zu Syrien geeinigt, um binnen einer Woche zu einem Ende der Gewalt zu kommen. Hier – ganz auf die Schnelle – unsere erste Einschätzung.
Das ist gut: Ab sofort (noch diese Woche) sollen die Hungerblockaden durchbrochen und die eingeschlossenen Orte mit Hilfe versorgt werden, notfalls per Luft.
Das ist schlecht: Die Feuerpause (kein Waffenstillstand!) soll erst in Kraft treten eine Woche nachdem das Regime und die Opposition zugestimmt haben. Sehr wahrscheinlich wird das Regime versuchen, den Termin zu verzögern, um die laufende Militäraktion in Aleppo abzuschließen. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass die Luftschläge in der nächsten Woche nochmal deutlich intensiviert werden. Sollte Aleppo in dieser Woche vollständig vom Regime eingeschlossen werden, ist es unwahrscheinlich, dass es zu einem Stopp der Kampfhandlungen kommt.
Das ist kritisch: Die al-Nusra-Front und der ‚Islamische Staat‘ dürfen laut Abkommen weiter bombardiert werden. Problematisch ist hier, dass Russland in der Vergangenheit behauptet hat, Luftschläge gegen ISIS bzw. al-Nusra zu führen, während in der Realität verschiedene andere Rebellengruppen angegriffen wurden. Sollte sich das fortsetzen und Russland etwa alle Gruppen in Aleppo als al-Nusra bezeichnen, wird es auf keinen Fall zu einem Stopp der Kampfhandlungen kommen.
Zusammengenommen: Die Vereinbarung ist deutlich mehr als wir erwartet hätten, auch wenn es definitiv kein Waffenstillstand ist. Jenseits der oben genannten Punkte bleiben wir aber skeptisch, da die syrischen Gruppen nicht am Verhandlungstisch saßen und deshalb völlig unklar ist, wie und ob sie einer Feuerpause zustimmen. Egal ob die Vernichtung der Giftgasbestände, Zugang von UN-Waffeninspekteuren oder humanitäre Hilfe, kaum eine internationale Entscheidung hat das syrische Regime in den letzten fünf Jahren nicht versucht massiv zu verzögern. Es würde uns wundern, wenn es diesmal anders wird.
Gleichzeitig gilt es zu befürchten, dass wir ab morgen eine deutliche Intensivierung der Kämpfe sehen werden. Es ist ein schlechtes Zeichen, dass sich Russland nicht explizit dazu verpflichtet hat, zumindest seine Luftschläge sofort einzustellen. Es wäre allerdings ein wichtiger Schritt, wenn wenigstens die eingeschlossenen Regionen schnell und ausreichend(!) mit Hilfe versorgt werden.
Egal ob schnell eine Waffenruhe erreicht werden kann oder nicht: Die syrische Zivilgesellschaft braucht unsere Unterstützung. Denn vor Ort sind es zivile AktivistInnen, die sich inmitten des Kriegs für eine bessere Gesellschaft einsetzen – und ihr Beitrag bleibt wichtig, um zu einer Aussöhung zu gelangen. Unterstützen Sie die Arbeit der jungen syrischen Zivilgesellschaft!
Herzlichen Dank für Ihren Beitrag!