Razan Zeitouneh – Menschenrechtsanwältin und Aktivistin im Untergrund

Dieses Jahr geht der Ibn Rushd Preis für freies Denken an die syrische Anwältin und Aktivistin Razan Zeitouneh. Sie wird für ihr entschiedenes Eintreten für den friedlichen demokratischen Wandel in Syrien ausgezeichnet. Die Verleihung ist eine Erinnerung, dass Frauen in der syrischen Revolution eine aktive und bedeutende Rolle spielen – meist unbemerkt von der westlichen […]

Dieses Jahr geht der Ibn Rushd Preis für freies Denken an die syrische Anwältin und Aktivistin Razan Zeitouneh. Sie wird für ihr entschiedenes Eintreten für den friedlichen demokratischen Wandel in Syrien ausgezeichnet. Die Verleihung ist eine Erinnerung, dass Frauen in der syrischen Revolution eine aktive und bedeutende Rolle spielen – meist unbemerkt von der westlichen Wahrnehmung. In Deutschland erschienen erfreulicherweise seit 2011 in der ZEIT mehrere Berichte Zeitounehs aus Damaskus über den Fortlauf der Revolution.

Neben der Anwaltstätigkeit war Zeitouneh, Jahrgang 1977, bereits vor der Revolution als Menschenrechtsaktivistin aktiv; seit 2005 dokumentiert die Seite des Syrian Human Rights Information Link (SHRIL) Menschenrechtsverstöße in Syrien. Zeitouneh gehört zu den GründerInnen der Lokalen Koordinationskomitees (LCCs) und dokumentiert weiterhin die täglichen Opferzahlen in Syrien. Aufgrund ihrer Tätigkeit musste sie in den Untergrund gehen, der syrische Staat verleumdete sie und übte auch über die Festnahme ihres Mannes Druck auf sie aus. Für ihr Engagement wurde Razan Zeitouneh 2011 bereits der Anna Politkovskaya Award sowie mit vier anderen arabischen Aktivisten der Sakharov-Preis des Europäischen Parlaments verliehen. Die Verleihung des Ibn Rushd Preises erfolgt am 30.11.2012 in Berlin wohl leider in Zeitounehs Abwesenheit.

Artikel von Zeitouneh sind u.a. bei The Damascus Bureau zu lesen. In den letzten Wochen erschienen Artikel über Daraya und Zamalka, zwei (zuvor) lebhafte revolutionäre Vororte von Damaskus, die deshalb die volle Härte des Regimes zu spüren bekommen. Vor einem Jahr erschien im Tagesspiegel Zeitounehs Artikel über die Gedanken und Erlebnisse eines jungen Mannes aus Homs. Trotz all der Gewalt blieb er entschlossen beim friedlichen Widerstand. Der Fortlauf der Revolution samt der Zuspitzung der Gewalt und v.a. das Gefühl, dass das syrische Volk von der Welt alleingelassen wird, wird in Zeitounehs Beiträgen für die ZEIT deutlich. Niemals hat Zeitouneh eine ausländische Intervention gefordert, lediglich politischen Druck auf das Regime verlangt. Ihr Beitrag „Wir können es selbst“ im Mai 2011 schildert den Beginn der syrischen Revolution und warnt vor dem Vergleich Syriens mit Tunesien oder Libyen, denn: „Wir Syrer haben den Glauben an uns selbst wiedergefunden. Wir können unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen.“ Mitte Juni 2011 schildert Zeitouneh, dass Assads Reden und Hütchenspielertricks die Opposition weder täuschen noch zur Aufgabe bewegen können. Im September 2011 berichtete Zeitouneh über die Euphorie und Hoffnung, das Regime während des Ramadan 2011 zu stürzen. Sie schreibt über die wachsenden Demonstrationen bei Damaskus und warnt eindringlich vor Luftschlägen. Ihr Fazit: „Das Syrien, von dem ich träume, müssen wir ohne Unterstützung von Kampfflugzeugen der Nato erkämpfen. […] Eigentlich ist die Realität ganz simpel: Das Regime stiehlt unsere Söhne und gibt sie uns in Särgen zurück. Dagegen wehren wir uns mit unserer Revolution.“

Im Dezember 2011 erschien Zeitounehs Interview mit dem Aktivisten Ussama Nassar aus Daraya. Das Gespräch dreht sich um die Möglichkeiten des friedlichen Widerstands. Nasser lehnt den gewaltsamen Weg ab und verweist auf Darayas Berühmtheit gerade aufgrund des anhaltenden zivilen Widerstands vor Ort. Im Juli 2012 beschreibt Zeitouneh nach der Eskalation in Damaskus die Bedrückung, die sie aufgrund der Geisterstadt-Atmosphäre empfindet. Sie beschreibt Gefahren und Probleme, die der Preis der Freiheit mit sich bringt. Trotz allem sieht sie das Ende Assads näher rücken. Im Oktober 2011 sagte Zeitouneh aus voller Überzeugung: „”There is no doubt that the protesters and our revolution will eventually win. If we don’t believe that we will win, we couldn’t continue under all this violence by the regime.“

In ihrem Dankesschreiben für den Politkovskaya Award schrieb sie ferner vor genau einem Jahr: „And I would like to remind the world that the Syrian people, who were victims to all those crimes, yet still patient and persistent, are people who deserve much more than complicit silence, or timid criticism from those who have failed to refer this regime to the International Criminal Court despite acknowledging its crimes.“

In diesem Sinne ist der Ibn Rushd Preis für Zeitouneh und die Aktivisten der syrischen Revolution ein kleines Zeichen von Solidarität, das durch breites gesellschaftliches Engagement in Deutschland verstärkt werden kann.

Abschließend kann noch auf den Film des syrischen Filmemachers verwiesen werden, in dem Zeitouneh kurz zu sehen ist. „Singing to Freedom“ dreht sich um die Kraft zivilen Widerstands und ist der syrischen Revolution gewidmet. Shahadeh wurde bei seiner Arbeit im zivilen Widerstand als Filmemacher im Mai 2012 in Homs getötet. Zuvor bildete er dort weitere Medienaktivisten aus.

Die Verleihung des Ibn Rushd Preises findet am 30. November im Museum für Islamische Kunst im Pergamon-Museum, Berlin, statt.

 

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