Royal Wedding statt Revolution

In den letzten zehn Tagen ist die Lage in Syrien gradezu explodiert! Das Regime hat sich entschieden mit aller Härte gegen die DemonstrantInnen vorzugehen. Seit Montag letzter Woche ist das Militär mit Panzern und schwerem Geschütz in verschiede Orte vorgerückt, in zahlreichen Städten wurde das Telefon- und Stromnetz abgeschaltet, teilweise auch das Wasser. Menschen werden […]

In den letzten zehn Tagen ist die Lage in Syrien gradezu explodiert! Das Regime hat sich entschieden mit aller Härte gegen die DemonstrantInnen vorzugehen. Seit Montag letzter Woche ist das Militär mit Panzern und schwerem Geschütz in verschiede Orte vorgerückt, in zahlreichen Städten wurde das Telefon- und Stromnetz abgeschaltet, teilweise auch das Wasser. Menschen werden auf offener Straße erschossen und in ihren Häusern malträtiert. Eine riesige Verhaftungswelle hat begonnen (Zitat eines Aktivisten: “Bis Montag wurden wir ins Gefängnis gesteckt, wohin die Menschen heute kommen weiß niemand mehr.”). Obwohl das Regime also mit fast allen Mitteln gegen ihre Kritiker vorgeht und es viele Tote gibt, scheint die Angst bei vielen Menschen gebrochen. So waren die Proteste letzte Woche nach den Freitagsgebeten nicht nur zahlenmäßig die größten bisher; gleichzeitig haben sich Menschen in mehr Orten beteiligt – trotz der Polizei- und Militärpräsenz!

Leider am Wochenende erst die “Royal Wedding” in England die Nachricht von fast 70 Toten bei den unbewaffneten Demonstrationen aus den Nachrichten gedrückt, später dann der Papstbesucht die Seeligsprechung. Es bleibt zu hoffen, dass – nachdem sich die Freude über die Treffsicherheit der Navy Seals wieder etwas gelegt hat – spätstens Freitag die Medien das Thema Syrien wieder stärker aufnehmen.

Ich selbst bin inzwischen zurück aus Syrien in Beirut und werde hier noch ein paar Wochen bleiben. Ich arbeite einem guten Freund zu, Rami Nahkle, der als Aktivist Anfang des Jahres aus Syrien fliehen musste und inzwischen eine der zentralen Figuren im Widerstand ist (ein kleiner Bericht über ihn steht in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung). Wir versuchen von Beirut aus zum einen, die Kontakte in das Netzwerk der Local Coordination Committees of Syria (LCCs) zu halten und die Informationen von dort zu systematisieren. Zum anderen ist unsere Aufgabe, die Informationen aus Syrien an die internationale Presse weiterzugeben und Augenzeugenberichte und Interviews zu vermitteln. Ausländische Medien dürfen schon eine ganze Weile nicht mehr aus Syrien berichten und rennen uns deswegen förmlich die Tür ein.

Damit der Informationsfluss aus Syrien sichergestellt werden kann, versuchen wir zunehmend auch, Hardware, also Satelitentelefone, Minikameras, Smartphones und Notebooks ins Land zu bekommen. Noch wichtiger ist es aber, die Strukturen zu schaffen, damit mehr Leute in diese Medienarbeit eingebunden werden können. Diejenigen, an denen die Informationsvermittlung derzeit hängt, arbeiten seit Wochen über ihre Kräfte hinaus!

In der ganzen Situation kommt erschwerend hinzu, dass auch der Libanon für Aktivitäten gegen das Assad-Regime alles andere als sicher ist. Denn nicht nur die Hisbolla unterstützt das Regime, in diesem Land wimmelt immer noch geradezu vor syrischem Geheimdienst. Sicherheitsmaßnahmen erschweren unsere Arbeit noch einmal zusätzlich, etwa die ständig notwendigen Wohnungs- und Ortswechsel.