Schritte in Richtung einer zivilen Verwaltung in Syrien – Gemeinderäte organisieren das öffentliche Leben in den befreiten Gebieten

Erfahrungen aus Duma Der folgende Bericht über die neu entstehende Zivilverwaltung in Duma erschien auf Arabisch am 3.3.2013 bei Al-Jazeera Net erschienen. Duma liegt in der Provinz Damaskus Umland und gehört zu den größten Vorstädten der syrischen Hauptstadt. Nach Schätzungen lebten vor Ausbruch der Kämpfe mehrere Hunderttausend Menschen in Duma. Nach Monaten der Lähmung des öffentlichen […]

Erfahrungen aus Duma

Der folgende Bericht über die neu entstehende Zivilverwaltung in Duma erschien auf Arabisch am 3.3.2013 bei Al-Jazeera Net erschienen. Duma liegt in der Provinz Damaskus Umland und gehört zu den größten Vorstädten der syrischen Hauptstadt. Nach Schätzungen lebten vor Ausbruch der Kämpfe mehrere Hunderttausend Menschen in Duma.

Nach Monaten der Lähmung des öffentlichen Lebens und der Verwaltung konnte Ahmed schließlich seine Eheschließung ins Register der neuen Gemeindeverwaltung von Duma eintragen lassen. Die Anwohner von Duma versuchen, die Lücken der zivilen Verwaltung zu schließen, die der bewaffnete Konflikt im Ort hinterlassen hat. Nach der Befreiung von Ortschaften kamen sämtliche kommunalen Dienste der Gemeinde und der staatlichen Institutionen zum Erliegen, sodass zunächst ein verwaltungstechnisches und infrastrukturelles Vakuum entstand.

Im Laufe der Zeit etablierten sich in den befreiten Gebieten Gemeinderäte, die die täglich anfallenden Verwaltungsaufgaben übernehmen und einen zivilen Charakter haben. Al-Jazeera Net besuchte die zentrale Gemeindeverwaltung in Duma und traf deren Vorstand Sheikh Abu Mahmoud sowie mehrere Komiteevorsitzende. Sie berichteten über die Gründung des Rates, die von ihm ausgeführten Aufgaben sowie auftretende Schwierigkeiten. So sagte Abu Mahmoud über die Gründung: „Wir luden die Anwohner durch öffentliche Aushänge zu einer Reihe von Treffen ein. Dort forderten wir diejenigen, die sich für geeignet hielten, auf sich zur Wahl zu stellen. In den anschließenden Wahlen wurden 12 Komitees gebildet, die die öffentlichen Dienste der Viertel beaufsichtigen.“

Aufgabenverteilung

Die neue Verwaltung bewahrt alle Dokumente auf, die bei Gericht und in der Lokalverwaltung bereits vorhanden waren; darunter auch all jene Unterlagen, die die Finanz- und Steuerverwaltung sowie Eigentumsbelege betreffen. Ebenso begann das zuständige Komitee, Kaufverträge zu dokumentieren, Hochzeiten zu erfassen sowie ein Geburtenregister zu führen.  Zivile Belange und Eigentumsangelegenheiten werden fortan dokumentiert.

Das Justizkomitee befasst sich mit der Lösung anfallender Probleme in der Stadt. Der Rat gründete ebenso eine Sicherheitswache, der 60 Zivilpolizisten angehören. Diese sollen die Sicherheit in der Stadt gewährleisten und den Ansturm an Bäckereien und Gasverkaufsstellen organisieren [Anm.: Aufgrund der Knappheit an Brot und Gas kommt es vielerorts zu langen Schlangen vor den Verkaufsstellen.]. 60 Militärpolizisten sind damit betraut, Verstöße durch Mitglieder der Freien Syrischen Armee (FSA) zu ahnden.

Wie Abu Mahmoud erwähnt, gehört zur Wache auch ein Gefängnis. In ihm werden u.a. jene untergebracht, die des Diebstahls oder der Körperverletzung beschuldigt sind. Wenn Mitglieder der FSA ihre Waffen gegen Zivilisten erheben, ist das Gefängnis ebenfalls für sie zuständig.

Ein anderes Komitee stellt die Wasserversorgung sicher und kümmert sich um die Reparatur des beschädigten Stromnetzes. Nach dem Abschalten der Wasserversorgung [durch das Regime] hieß es zunächst, dass das Wasser der Brunnen nicht mehr trinkbar sei. Ebenso gibt es ein medizinisches Büro, das eine Reihe von medizinischen Einrichtungen beaufsichtigt, allerdings mangelt es in der Stadt an Ärzten.

Der Vorsitzende des Gemeinderats, Abu Mahmoud, weist darauf hin, dass der Rat auch finanzielle Hilfen von lokalen Händlern erhalte. Der Gemeinderat sucht aktuell nach Möglichkeiten, Mehl zu kaufen und so mehr Brot bereitstellen zu können. Der Brotpreis hat sich in Duma verdoppelt, da wegen des Mangels an Mehl nur vier statt neun Bäckereien in Betrieb sind. Abu Mahmoud fügt hinzu: „Als ich gestern an einer der Bäckereien vorbeiging, warteten ca. 400 junge Männer und 200 Frauen in der Schlange auf Brot.“ Es ist nicht nur lästig, so lange in der Schlange zu stehen, sondern auch gefährlich. In der Vergangenheit hat das Regime bereits mehrmals Menschenmengen vor Bäckereien attackiert.

Allgemeines Koordinierungsbüro

Aktuell gibt es allein in den Städten und Ortschaften im Umland von Damaskus, die unter Kontrolle der Revolutionäre sind, 22 Gemeinderäte. Es hat sich zudem ein allgemeines Koordinierungsbüro für die lokalen Räte gegründet, das bei der Ausbildung von Teams und dem Erstellen von Plänen hilft. Das Büro assistiert auch neu gegründeten Gemeinderäten bei Organisation und Aufbau von Strukturen.

Eine Sprecherin des Büros sagte gegenüber Al Jazeera: „Die meisten unserer Aktivitäten konzentrieren sich aktuell auf die humanitäre Versorgung, da sich die finanzielle Lage in Syrien zunehmend verschlechtert. Jeder Rat versucht jedoch nach Kräften, die öffentliche Versorgung zu sichern. Dazu gehören u.a. die Reinigung von Straßen von durch die Bombardierungen verursachten Schäden sowie die Reparatur defekter Einrichtungen, damit der Alltag in den belagerten und abgeschnittenen Gebieten aufrechterhalten werden kann.“

Die Sprecherin verdeutlichte, dass der wichtigste Aspekt der Arbeit jedoch die Aufrechterhaltung der Sicherheit sei. Es gebe für einige Regionen ein zentrales Gefängnis, in dem all jene untergebracht werden, die gegen das geltende Recht verstoßen hätten.

Über die Finanzierung des Büros sagte die Sprecherin, dass man vergangenes Jahr an einer Konferenz in Paris teilgenommen habe. Dort seien Städtepartnerschaften mit europäischen Gemeinden geknüpft worden, weiterhin habe die französische Regierung versprochen, das Büro zu unterstützen. Letzteres solle über die Förderung der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte geschehen.
Der Gemeinderat der umlagerten Stadt Daraya, im Südwesten von Damaskus, richtete vor einigen Wochen eine Pressekonferenz aus, die auch im Internet übertragen wurde. In dieser Konferenz wurde die humanitäre und militärische Lage in dem Damaszener Vorort erläutert. (Übersetzug: Adopt a Revolution)

Das Video der Konferenz mit englischen Untertiteln