Der Diktator lacht und dankt für die saftige finanzielle Unterstützung seiner Kriegsmaschinerie aus Deutschland.

800 Euro für den Diktator

800 Euro – so viel kostet derzeit ein Reisepass in Deutschland. Zumindest für syrische Geflüchtete, denn die Mehrheit von ihnen muss bislang einen neuen Pass für mehrere Hundert Euro in der syrischen Botschaft beantragen – so wollen es die deutschen Behörden. Eine Praxis, die für die Betroffenen nicht nur unzumutbar ist, sondern auch die Kriegskassen des Assad-Regimes massiv füllt.

Der Diktator lacht und dankt für die saftige finanzielle Unterstützung seiner Kriegsmaschinerie aus Deutschland.

Lange wurde das Assad-Regime von der deutschen Politik hofiert. Als vermeintlich „moderner, weltoffener Präsident“ bekam Bashar al-Assad viel Geld zur „Modernisierung seines Staates und der Wirtschaft“. Auch als schon lange die Erkenntnis reifte, dass Assad weder Reformer noch Hoffnungsträger sein würde, sondern seine Kritiker*innen und Gegner*innen über Verfolgung und Folter in Schach hielt, wurde er weiter mit deutschen Geldern unterstützt.

Erst 2011 war damit Schluss, als die brutale Repression der syrischen Oppositionsbewegung nicht mehr versteckt hinter hohen Gefängnismauern, sondern direkt vor den Augen der Weltöffentlichkeit stattfand. Das Assad-Regime sowie bestimmte syrische Akteur*innen wurden international sanktioniert, die Handelsbeziehungen mit Syrien rapide gekappt – mit enormen finanziellen Einbußen für das Regime. Allein 2010 exportierte Syrien noch rund 80 Prozent seines Rohöls in EU-Staaten und erzielte damit rund 30 Prozent seiner Staatseinnahmen. Damit war 2011 schlagartig Schluss.

Seehofers Erbe: Millionen für das Regime

Seit 2018 ist Deutschland allerdings wieder zu einer verlässlichen Geldquelle für das Regime geworden, denn zwischen der deutschen Außen- und Innenpolitik klafft eine große Lücke seit der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer die Passbeschaffungspraxis für syrische Staatsangehörige änderte. Bis dahin bekamen syrische Geflüchtete in der Regel einen Passersatz von deutschen Behörden, wenn ihre Papiere abgelaufen oder ungültig waren. Denn: Es wurde zumeist davon ausgegangen, dass ein Besuch in der syrischen Botschaft für syrische Geflüchtete unzumutbar sei.

Seehofer änderte diese Praxis für subsidiär Schutzberechtigte, Geduldete, Personen mit Abschiebeverboten und nachziehende Familienangehörige zu syrischen Schutzberechtigten. Sprich: Für die Mehrheit der in Deutschland vor dem Assad-Regime geflohenen Syrer*innen sollte ein Botschaftsbesuch plötzlich wieder grundsätzlich zumutbar sein. Weil sie nicht als individuell verfolgt gelten, müssen diese Personengruppen im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten syrische Pässe beantragen bzw. verlängern lassen. Dies wiederum ist Voraussetzung für die Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland. Von dieser Mitwirkungspflicht kann jedoch abgesehen werden, wenn die Passbeantragung unzumutbar ist. Durch eine Verfahrensänderung im Jahr 2018 wird die Unzumutbarkeit dieser Kooperation von verfolgten Syrer*innen mit ihrem Verfolgerstaat nur noch in den seltensten Fällen anerkannt.

Die größte Gelddruckmaschine Syriens steht in Berlin

Die Entscheidungshoheit darüber liegt bei den jeweiligen Sachbearbeitenden und diese erkennen selten die Unzumutbarkeit an. Dabei haben viele Syrer*innen, die vor dem Assad-Regime nach Deutschland geflohen sind, gute Gründe, warum das syrische Regime nicht wissen soll, wo sie sich aufhalten. Denn auch diese Personengruppen sind nach wie vor der willkürlichen Verfolgung durch das Assad-Regime ausgesetzt. Viele werden zudem als Wehrdienstflüchtige und Oppositionelle aktiv vom Regime gesucht. Das Problem: In der Botschaft arbeitet auch der syrische Geheimdienst, zudem werden persönliche Details abgefragt und direkt nach Damaskus weitergeleitet. Die Angst vor Repression ist also groß und berechtigt.

Gleichzeitig hat das Regime erkannt, dass über diesen Weg nicht nur viele Daten, sondern auch viel Geld zu holen ist. Zum einen werden in Syrien verbliebene Familienmitglieder von nach Deutschland Geflohenen immer wieder verhaftet und müssen sich – im besten Fall – teuer aus den Folterknästen freikaufen.

Zum anderen nimmt das Asad-Regime durch die immer weiter willkürlich steigenden Passgebühren über den deutschen Passbeschaffungszwang jährlich um die hundert Millionen Euro ein. Zwar liegen die offiziellen Passgebühren bei etwa 250 beziehungsweise 705 Euro, die tatsächlichen Zahlungen sind jedoch deutlich höher – nicht selten werden 800 Euro pro Pass fällig, der lediglich eine Gültigkeit von zwei Jahren hat. Sofern die deutschen Behörden nicht von ihrer Praxis abweichen, fließen so in den nächsten Jahren mehrere Hundertmillionen Euro an das international sanktionierte Regime. Eine erhebliche Einkommensquelle für eine Regierung, die damit den Krieg gegen ihre eigene Bevölkerung finanziert.

Das Assad-Regime dankt

Warum man Hunderttausende Personen dazu zwingt, riesige Summen an ihren Verfolgerstaat zu zahlen, der sie selbst, ihre Familien, Bekannten und Nachbar*innen verfolgt, vertreibt, foltert und ermordet, ist nicht nachvollziehbar und auch nicht im Einklang mit der deutschen Außenpolitik. Bundesinnenministerin Nancy Faeser muss sich entscheiden: Möchte sie weiterhin Seehofers Erbe antreten und mit Millionenzahlungen Assads Macht weiter festigen und dessen Krieg gegen die eigene Bevölkerung indirekt mitfinanzieren? Oder erkennt sie an, dass eine grundsätzliche Unzumutbarkeit bei der Passbeschaffung für Syrer*innen besteht? Es liegt an ihr, denn um diese Unrechtspraxis aus der Welt zu schaffen, müssen keine Gesetze geändert, sondern lediglich die Behördenpraxis angepasst werden. Dafür sind federführend Faeser sowie die Innenminister*innen der Länder verantwortlich. Bislang mangelt es ihnen „nur“ an politischem Willen.


DER SYRISCHE REISEPASS

Bis November gab die syrische Botschaft die Gebühren für die Passerstellung offiziell mit 250 Euro für einen regulären Pass an, mit Expresszuschlag wurden 680 bis 725 Euro fällig. Eine Umfrage von Adopt a Revolution ergab allerdings, dass die tatsächlichen Passgebühren meist deutlich höher liegen. Im November wurden die Passgebühren auch offiziell erhöht – auf 500 Euro (regulär) bzw. 1.000 Euro (Express). Viele Syrer*innen sind gezwungen einen Pass im Express-Verfahren zu beantragen, da die Bearbeitung im regulären Verfahren oft bis zu einem Jahr dauert – so lange warten die deutschen Behörden allerdings nicht.