Die Bundesinnenminister haben den noch bis Mitte September geltenden Abschiebestopp für syrische Flüchtlinge in Deutschland um weitere sechs Monate verlängert. Das erklärte Martina Mauer vom Flüchtlingsrat Berlin. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sagte der „Welt“, Syrer und Syrerinnen bekämen in der Regel „einen einjährigen Aufenthaltstitel, der weiter verlängert werden kann“. Vergleicht man die aktuelle Situation der Flüchtlinge mit der vor einigen Monaten (AaR-Bericht), sieht die Lage also verbessert aus. Jedenfalls vordergründig.
Denn die Diskussionen, die derzeit in Deutschland geführt werden, sprechen eine andere Sprache: Zwar erklären nach und nach immer mehr deutsche Politiker, das Problem müsse wenigstens zum Thema gemacht werden. Aber zugleich macht die Bundesregierung deutlich, dass Deutschland keine Flüchtlinge in großem Stil aufnehmen werde. Humanitäre Hilfe solle vielmehr durch die Nachbarländer geleistet werden, allen voran die Türkei. Die jedoch hat am vergangenen Wochenende erstmals Tausende Syrer an der Grenze abgewiesen.
Trotzdem bleiben die Vertreter der deutschen Parteien oft vage, nur Linke und Grüne fordern, aus humanitären Gründen unbürokratisch Flüchtlinge aus Syriens Nachbarländern aufzunehmen. Doch selbst Flüchtlingsorganisationen betonen, wie schwierig das sei: „Das wäre eine riesige logistische Aufgabe. Es ist fraglich, ob sie zu handhaben wäre“, sagte Otmar Oehring vom katholischen Hilfswerk Missio der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Zudem sind vor allem die Einrichtungen zur Erstaufnahme von Flüchtlingen verschiedenen Angaben nach häufig schon überfüllt, Kommunen haben Probleme, genügend Platz zu schaffen.
Wie diese Probleme gelöst werden können, scheint derzeit vollkommen unklar. Wenn das Assad-Regime – und davon ist auszugehen – weiter mit unverminderter Brutalität gegen Syrer und Syrerinnen vorgeht, ist jedenfalls sicher, dass der Flüchtlingsstrom nicht abreißen wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es unverständlich, dass sich die Innenministerkonferenz nur zu einer erneuten halbjährigen Verlängerung des Abschiebungsstopps durchringen konnte. Das kritisiert auch Pro Asyl: „Selbst nach einem Sturz des Assad-Regimes würde die aktuelle Krise nicht binnen einiger Monate beendet sein.“ Die Organisation fordert deshalb, statt der bisherigen Duldungen aus humanitären Gründen Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.
Dass die deutsche Politik bald gezwungen sein könnte, nicht nur halbherzig über eine vermehrte Aufnahme von syrischen Flüchtlingen zu diskutieren, belegt auch eine aktuelle Mitteilung des Innenministeriums: Über die vergangenen Monate hinweg ist demnach die Zahl der Flüchtlinge kontinuierlich gestiegen. So gingen im Juli 608 Asylanträge von Syrern und Syrerinnen ein, im Vormonat waren es 388, im Mai etwas weniger. Von Januar bis Juli haben insgesamt 2246 Syrer um Asyl in der Bundesrepublik ersucht. Laut „Welt“ sind nur 100 von ihnen als politische Häftlinge anerkannt worden.
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