Abschiebestopp nach Polen jetzt durchsetzen!

Psychosoziale Zentren für Geflüchtete und Menschenrechtsorganisationen fordern von der Bundesregierung, keine Schutzsuchenden mehr nach Polen abzuschieben. Systematische Inhaftierungen, völkerrechtswidrige Zurückweisungen und Verletzungen von Menschenrechten sind für Geflüchtete in Polen an der Tagesordnung.

Sehr geehrte Frau Innenministerin Nancy Faeser,

als Menschenrechtsorganisationen aus Polen und Deutschland und als psychosoziale Zentren schätzen wir die menschenrechtliche Situation für Geflüchtete in Polen als hochgradig alarmierend ein. Uns erreichen viele Berichte von Geflüchteten, die beim Grenzübertritt und in polnischen Haftzentren massive und systematische Menschenrechtsverletzungen durch polnische Grenz- und Polizeibeamt:innen erfahren haben. Asylrechtliche Grundlagen der EU werden in Polen missachtet und unterlaufen.

An der Grenze zwischen Belarus und Polen sind zahlreiche völkerrechtswidrige Push-Backs dokumentiert; Abschiebungen nach Belarus finden statt, bevor Asylanträge überhaupt aufgenommen werden. In Belarus erwartet sie keinerlei staatliche Unterstützung oder Zugang zu einem fairen Asylverfahren. Das Recht auf Asyl wird auch in Polen nur äußerst selektiv gewährt, selbst Menschen aus dem Iran, Syrien und Die Haftsituation so genannter „Guarded Centers for Foreigners“ wie in Bialystok, Lesznowola, Krosno Odrzanskie, Ketrzyn, Biala Afghanistan erhalten Abschiebebescheide. Die Selbstinszenierung Polens als aufnahme- und integrationsbereites Land, das einer große Zahl von ukrainischen Staatsbürger:innen Schutz gewährt, verdeckt den menschenunwürdigen Umgang mit Geflüchteten aus anderen Herkunftsländern.

oder Przemyṡl ist aus menschenrechtlicher Perspektive katastrophal. Hier werden Menschen im laufenden Asylverfahren sowie Geflüchtete, die in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen, oft monatelang interniert. Die Inhaftierung aufgrund einer Fluchtgefahr oder zwecks Identitätsprüfung wird durch ein polnisches Gericht angeordnet, ohne dass die Schutzsuchenden selbst angehört werden. Uns haben zahlreiche Berichte von Gewalt, Folter und unterlassener Hilfeleistung durch Beamte in den Haftzentren erreicht. Diese stellen demnach die Regel und nicht die Ausnahme dar.

In den Haftanstalten werden auch Familien mit Kindern, psychisch beeinträchtigte, chronisch kranke und behinderte Menschen eingesperrt. In der Regel wird Journalist:innen, Menschenrechtsvertreter:innen sowie unabhängigen Ärzt:innen und Therapeut:innen der Zugang verwehrt. Viele Menschen in den Haftzentren brauchen dringend medizinische und psychologische Unterstützung, die ihnen verweigert wird. Viele der Inhaftierten haben bereits in vor und auf ihrer Flucht traumatisierende Erfahrungen gemacht, die besonders eine psychosoziale Versorgung notwendig machen. Wir sehen die in der EU-Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) enthaltenen Rechte besonders schutzbedürftiger geflüchteter Menschen stark gefährdet.

Der Tod des 28-jährigen syrischen Asylbewerbers Mahmoud Al Banawi im polnischen Haftzentrum Przemyṡl, der am 17.3.2023 wegen ausgebliebener medizinischer Versorgung starb, ist nur einer von vielen Fällen, die ein unmittelbares Handeln, auch durch die Bundesregierung, machen.

Wir rufen Sie als Ministerin dringend dazu auf, sich für die sofortige Aussetzung aller Abschiebungen nach Polen einzusetzen. Wir sprechen uns außerdem für eine politische Verurteilung aller Menschenrechtsverletzungen in den polnischen Haftzentren für Geflüchtete durch die Bundesregierung aus.

Mit freundlichen Grüßen

  • XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V.
  • Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF)
  • Flüchtlingsrat Berlin
  • Ärzte der Welt e.V. / Doctors of the World Germany
  • Adopt a Revolution
  • Berliner Netzwerk für besonders schutzbedürftige geflüchtete Menschen (BNS)
  • Borderline Europe
  • Rule of Law Institute Poland (Instytut na Rzecz Państwa Prawa)
  • International HUMANITARIAN Initiative Foundation (Fundacja Międzynarodowa Inicjatywa Humanitarna)