Die AfD-Delegation im März 2018 in Syrien. In der Mitte: Großmufti und Despotenfreund Ahmad Badr al-Din Hassoun, der Europa noch 2011 damit gedroht hatte, Selbstmordattentäter zu schicken.

AfD und Assad: Friends with Benefits

Der engste Freund des Assad-Regimes in Deutschland ist die AfD. Das bringt auf den Punkt, was die AfD von Demokratie und Menschenrechten hält. Dass die Partei in ostdeutschen Bundesländern rund ein Viertel der Wählerstimmen erhält, ist ein Alarmsignal.

Die AfD-Delegation im März 2018 in Syrien. In der Mitte: Großmufti und Despotenfreund Ahmad Badr al-Din Hassoun, der Europa noch 2011 damit gedroht hatte, Selbstmordattentäter zu schicken.

Während in Diktaturen wie Syrien, Sudan oder Algerien Menschen ihr Recht auf Freiheit und Demokratie einfordern, erstarken in vielen demokratischen Staaten antidemokratische Parteien und Bewegungen: Der Front National in Frankreich, die FPÖ in Österreich, die Brexiteers in Großbritannien, in Deutschland die AfD. 

Ironischerweise haben sie alle indirekt von der brutalen Niederschlagung der Demokratiebewegung in Syrien profitieren können: Die hohe Zahl der Menschen, die vor den Repressionen des Assad-Regimes flohen, lieferte den rechten Parteien in Europa den perfekten Anlass, um rassistische Ängste für ihre Agenda zu mobilisieren.

Wie gut ihnen das weiterhin gelingt, beweisen die letzten Landtagswahlen: In Sachsen erhielt die AfD mehr als ein Viertel der Wählerstimmen (27,5%). In Brandenburg konnte die AfD ihr Ergebnis von 2012 verdoppeln: 23,5 Prozent der Wählenden gaben der rechten Partei ihre Stimme. Ein Strategiebeschluss des AfD-Bundesvorstands erklärt als Ziel für 2025 mindestens 20 Prozent auf Bundesebene. 

Faktisch muss man festhalten, dass in einigen Bundesländern derzeit bereits rund ein Viertel der Bürger*innen eine Partei unterstützen, die ein Regime hofiert, das zur Sicherung seiner Alleinherrschaft mehrere Hunderttausende Menschen getötet hat – sei es durch Luftangriffe auf zivile Ziele, unter Einsatz chemischer Waffen, mittels Hinrichtungen oder tödlicher Folter. 

Anti-Migrationspolitik als Zugpferd

Ein zentrales Motiv für die Freundschaft zwischen der AfD und dem Assad-Regime ist das Ziel der deutschen Rechten, Geflüchtete loszuwerden – in ihrer völkischen Ideologie erscheinen Abschiebungen von Zugewanderten als fast allumfassende Problemlösung. Weil Abschiebungen theoretisch aber nur möglich sind, wenn in den Herkunftsländern ein Mindestmaß an Sicherheit vor Verfolgung und willkürlicher Gewalt gegeben ist, erklärt die AfD kurzerhand Syrien als sicher – schon deshalb sucht sie den Schulterschluss mit dem Assad-Regime. 

Bereits unmittelbar nach ihrem Einzug in den Bundestag 2017 forderte die AfD-Bundestagsfraktion die Bundesregierung auf, Syrien als sicheres Herkunftsland einzustufen. Schon damals erklärte sie, der Krieg in Syrien sei fast vorbei – Geflüchtete könnten gefahrlos zurückgeschickt werden.

Zu Gast bei Freunden

Den „Beweis“ trat die AfD gleich selbst an: Im März 2018 reiste eine Delegation von mehreren AfD Abgeordneten nach Syrien. Dort wollte sie „sich ein Bild vor Ort machen“ und „eigene Informationen zur humanitären Situation in Syrien sammeln“. Die fünfköpfige Delegation traf sich mit ranghohen Vertretern des Regimes. Ins Gespräch mit Oppositionellen oder der syrischen Zivilbevölkerung kam die fünfköpfige Delegation dabei nicht, weil sie nach eigener Aussage „keine Ansprechpartner der syrischen Opposition gefunden“ haben. 

Ein Blick in die Folterkeller hätte dabei genügt. Lieber traf sich die Delegiertengruppe etwa mit dem Assad-treuen Großmufti Ahmad Badr al-Din Hassoun, der 2011 Europa mit Terroranschlägen gedroht hatte, und anderen Vertretern des Regimes. 

Nach ihrer vom Regime organisierten und überwachten Reise glaubte die AfD sich ein umfassendes Bild vor Ort gemacht zu haben. So habe man viele unzerstörte Gegenden gesehen und sei auf gut ausgebauten Straßen ohne Schlaglöcher gefahren, an deren Wegesrand große Reklametafeln für Handys und Flachbildschirme warben. 

Selektive Wahrnehmung

Vom Krieg will die Delegation nichts bemerkt haben, obwohl zum Zeitpunkt der AfD-Reise in Damaskus die damaligen Luftangriffen auf Ost-Ghouta hörbar waren.  Dahin fuhr die AfD-Delegation lieber nicht – dabei hatten sie unsere Partner explizit dorthin eingeladen: 

Begeistert zeigten sie sich auch von unverschleierten Frauen in Blue Jeans auf den Straßen von Damaskus. Assads Narrativ, er verteidige einen säkularen Staat gegen den Islamismus, gibt die AfD ungefiltert über Twitter weiter. 

Quelle: Twitter

Auch wenn die AfD in ihrer Familien- und Sozialpolitik immer wieder klar macht, dass ihr das Selbstbestimmungsrecht von Frauen eigentlich zuwider ist, mimt sie in Bezug auf Syrien gern die Frauenrechtspartei. Geschenkt, dass Assad seinen Machterhalt unter anderem dem schiitisch-islamistischen Iran verdankt, in dem Frauen, die sich dem Kopftuchzwang widersetzen, Haft und Peitschenhiebe drohen.

Das Feindbild schärfen

Bei einer Reise nach Syrien blieb es nicht. Es gibt durchaus auch strukturelle Verbindungen zwischen der AfD und dem Assad-Regime. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier stellte den 2015 nach Deutschland gekommenen Syrer Kevork Almassian als Büromitarbeiter ein, der sich offensiv als Anhänger des Assad-Regimes profiliert und syrische Geflüchtete als „Massenvernichtungswaffe gegen Europa“ bezeichnet. Syrische Oppositionelle denunziert Almassian als Terroristen und stigmatisiert sie als Gefahr für Deutschland und Europa. 

Die AfD nutzt Almassian als Aushängeschild und Sprachrohr: Bei Veranstaltungen und im Wahlkampf schiebt sie ihn oft mit einem Mikro auf die Bühne. Almassian macht gerne mit: Er wird nicht müde zu bestätigen, was die AfD schon immer über Syrien zu wissen glaubte: Das Assad-Regime sei die legitime Regierung Syriens, habe die Mehrheit der Syrer*innen hinter sich, sei Opfer einer westlichen imperialistischen Verschwörung und verteidige sich vollkommen legitim gegen dschihadistische Terroristen.

Ganz auf Putins Linie

Dieses Syrien-Bild der AfD und ihrer Anhänger*innen stützt sich vor allem auf die Berichterstattung russischer Medien wie Sputnik oder RT. Entsprechend propagiert die AfD, bei den vielfach belegten massiven Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen des Assad-Regimes und seiner russischen und iranischen Verbündeten handle es sich lediglich um „Fake News“, „False Flag Aktionen“ oder westliche Propaganda. Und lassen sich Angriffe auf die Zivilbevölkerung nicht leugnen, legitimiert sie diese als „Krieg gegen den Terror“. 

Die enge Verbindung der AfD zum Assad-Regime geht dabei einher mit ihrer engen Verbindung zu Putin. Almassians Chef, der Abgeordnete Frohnmaier etwa, soll geleakten Dokumenten zufolge etwa „unter absoluter Kontrolle“ Russlands stehen. Ob nun Frohnmaier oder Almassian, die sich einst in Donbass kennenlernten, wirklich „Agenten“ sind oder sich schlicht „ehrenamtlich“ im Sinne Putins und Assads engagieren, ist letztlich unerheblich – ihr Engagement für die Agenda der beiden Autokraten ist offensichtlich. 

Der Charme der Diktatur

Die Motive sind es ebenso – auf allen Seiten. Der AfD geht es bei ihrer Hofierung des Assad-Regime nicht „nur“ um die Abschiebung von Geflüchteten. Es ist der „Charme“ der autoritären Herrscher, der den Rechten Europas imponiert: Ihre Gewalt gilt ihnen als Stärke, ihre Skrupellosigkeit als Intelligenz. Zur Kritik am Parlament als „Schwatzbude“ gehört die Affirmation der Diktatur.

Putin ist daher schon lange Posterboy der Rechten, vom „Front“ bis zur AfD. Schließlich erhalten Europas Rechte kräftig Support aus Russland. Denn alles, was demokratische Überzeugungen schwächt und autoritäre Herrschaft relativiert, kommt Putin gelegen.

Auch Assad eignet sich als Projektions- und Identifikationsfigur der Rechten – trotz seines wenig charismatischen Auftretens. In der Vorstellung der AfD verteidigt sich das Assad-Regime gegen den angeblichen „regime change“ des Westens – und zugleich gegen dschihadistischen Terror. Kaum etwas spiegelt die imaginären Bedrohungen der völkischen Rechten besser: Die angebliche „Islamisierung“ auf der einen Seite, auf der anderen das imaginäre „Joch des US-Imperialismus“, die „Neue Weltordnung“ oder wie auch immer sich der strukturell antisemitische Wahn der völkischen Rechten auch konkretisiert, in dem „das Volk“ unter der Herrschaft fremder Mächte leidet. Der antidemokratische, autoritäre und völkische Geist wird zu einem Bindeglied zwischen rechten Parteien und den autoritären Herrschern.  

Nicht nur die AfD will Assad rehabilitieren

Für Assads Streben nach Rehabilitation ist die AfD bislang allerdings nur begrenzt nützlich, ihr unmittelbarer außenpolitischer Einfluss ist gering. Viel nützlicher für das Assad-Regime sind jene Stimmen innerhalb der demokratischen Parteien, die vor dem Hintergrund des militärischen Vormarschs des Regimes von „Pragmatismus“ und einer „Anerkennung der Realitäten“ sprechen und die es unter dem Motto „Hauptsache Stabilität“ für hinnehmbar halten, dass das Regime trotz seiner Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit straflos bleibt. 

Was „Stabilität“ unter Assad indes bedeutet, bekommen viele Syrer*innen jeden Tag zu spüren – sei es bei willkürlichen Demütigungen an Checkpoints der unterschiedlichen regimeloyalen Bewaffneten, bei den weiter stattfindenden Luftangriffen auf Krankenhäuser oder in den Folterknästen der Geheimdienste.