Protestplakat in Daraa: “Alles was uns fehlte, war eine Statue.”

»Alles was uns noch fehlte, war eine Statue von Hafez«

In Daraa, wo vor acht Jahren der Aufstand gegen Assad begann, demonstrierten am Wochenende Hunderte Menschen gegen das Regime – unter anderem wegen einer Bronzestatue.

Protestplakat in Daraa: “Alles was uns fehlte, war eine Statue.”

In den vergangenen Tagen gingen in Daraa mehrmals Menschen gegen das Assad-Regime auf die Straße, unter anderem wegen Luftangriffen in Idlib. Insbesondere entzündeten sich die Proteste aber an einer Statue: Kurz zuvor hatte das Regime eine bronzene Büste von Hafez al Assad wieder aufgestellt – dem ehemaligen Diktator und Vater von Bashar al-Assad.

Assad-Statue in Daraa

Am 25. März 2011 hatten Bürger von Daraa die verhasste Statue gestürzt und waren dabei beschossen worden. Daraa gilt als Wiege des Aufstands gegen das Regime. Indem das Regime die Statue jetzt am selben Ort errichtet, demonstriert es seinen Sieg. Großen Teilen der Bevölkerung gilt das als Provokation, die im ganzen Land verbreiteten Hafez-Statuen stehe für viele Menschen für Unterdrückung, Korruption und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Nachdem Daraa militärisch viele Jahre von FSA-Gruppen kontrolliert wurde, eroberte das Assad-Regime die Region im Juli 2018 mit russischer Unterstützung zurück. Die Offensive forderte zahlreiche zivile Opfer. Bewaffnete, aber auch zivile AktivistInnen wurden zur Flucht nach Nordsyrien gezwungen. Aufgrund häufiger Bombardements durch das Regime sind große Teile der zivilen Infrastruktur zerstört. Dass die Statue wieder aufgebaut wird – während große Teile der Stadt weiterhin in Trümmern liegen – ist für viele Menschen blanker Hohn.

Es ist ein Muster, das sich von Homs bis Deir ez-Zor im ganzen Land wiederholt: Was das Assad-Regime zuerst wiedererrichtet, sind die Symbole seiner Herrschaft.

Assad-Statue in Deir ez-Zor

Im Zuge der Regime-Offensive auf Daraa wurde am Ende ausgehandelt, dass manche Stadtteile zunächst unter Aufsicht des russischen Militärs bleiben und das Regime noch nicht mit seinen Sicherheitskräften einrückt. Ahmad, M., ein Aktivist aus Daraa erklärt uns:

„Die Demonstrationen, die in den letzten Monaten stattgefunden haben, haben meistens in Daraa al-Balad stattgefunden. Das Regime ist entsprechend der Abmachung mit Russland noch nicht richtig in die Gegend zurückgekehrt. Deswegen wird dort recht viel demonstriert, denn das Regime kann dort noch nicht frei handeln. In Tafas gibt es die gleiche Abmachung und auch dort sind Menschen auf die Straße gegangen.“

Trotzdem wird über Verhaftungen durch die Geheimdienste des Assad-Regimes berichtet. Auf einem weiteren Transparent der jüngsten Demos richten sich die Protestierenden an die Geflüchteten: „Kehrt nicht zurück, die Gefängnisse sind voll.“

Ahmad M. geht davon aus, dass die Proteste trotzdem weitergehen:

„Diese Demonstrationen werden nicht aufhören, weil das Regime praktisch noch nicht die volle Kontrolle wiedererlangt hat. Aber die Menschen sind auch unglaublich erschöpft vom Krieg, deswegen haben sie die Rückkehr des Regimes ertragen. Gleichzeitig sind die Leute ständig unglaublich großem Druck ausgesetzt und deswegen kann es auch einfach gut möglich sein, dass die Lage wieder explodiert. Die Lebenssituation ist so hart vor Ort und dann werden auch noch die jungen Männer in die Armee abgezogen.“

Die Protestierenden spielen auf Transparenten sarkastisch auf diese schwierigen Lebensbedingungen an: „Uns geht es bestens, alles, was uns fehlte, war eine Statue.“

Videos der Proteste in Daraa.: