Die Regierung des syrischen Diktators Bashar al-Assad hat einer internationalen Kontrolle seines Chemiewaffen-Arsenals zugestimmt – und damit zumindest Zeit gewonnen. Ein vor kurzem scheinbar noch unmittelbar bevorstehender US-geführter Militärschlag ist vorerst abgewendet. Die Diplomatie bekommt eine weitere Chance und es bleibt zu hoffen, dass dafür endlich auch politisches Gewicht eingesetzt wird. Alle Seiten können das Vorgehen für sich als Erfolg verbuchen: Russlands Außenminister Sergei Lawrow erscheint als Friedensstifter, US-Präsident Barack Obama reklamiert für sich, die Initiative durch die Drohung mit einem Militärschlag überhaupt erst möglich gemacht zu haben, die interventionskritischen Europäer haben eine als realistisch einzustufende Alternative und die Assad-Diktatur muss zumindest kurzfristig nicht mehr mit einem Angriff von außen rechnen.
Doch die Zustimmung Assads macht den Vorstoß noch keineswegs zum Erfolg. Denn zum einen bleiben die technischen Probleme: Bislang konnte sich der UN-Sicherheitsrat noch auf keine verbindliche Syrien-Resolution einigen, eine Sondersitzung am Dienstag Abend wurde abgesagt, weil Russland einen französischen Resolutionsentwurf nicht akzeptabel fand. Es ist und bleibt extrem kompliziert, die Chemiewaffen tatsächlich zu kontrollieren, weil sie recht einfach an verschiedenen Orten gelagert werden können – und bei anhaltenden Kämpfen wird das sicher nicht einfacher. Zudem war der – inzwischen gemeinhin als sehr wahrscheinlich eingestufte – Einsatz von Chemiewaffen durch das Assad-Regime bisher nur die letzte Eskalation in Syrien. Und schließlich war die Diktatur in Damaskus bisher nicht sonderlich zuverlässig.
Das ist auch der Hauptgrund, warum viele Oppositionelle in Syrien an der Umsetzung der Initiative zweifeln. Assad hat sich schon zu oft als einsichtig inszeniert, um danach doch nicht nachzugeben, sondern weiter die militärische Eskalation zu suchen. So gab er sich auf internationalem Parkett häufig verhandlungsbereit, nur um den Beginn von Gesprächen mit der Opposition dann immer wieder zu torpedieren und die Schuld auf andere abzuwälzen. Viele befürchten wegen der technischen Fragen, dass Assad durch die Zustimmung zur Initiative wieder nur auf Zeit spielt.
Aber selbst wenn das Regime seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle stellen sollte: Sie hilft zwar den Staatenlenkern weiter, weil das Regime – zumindest scheinbar – auf seine Massenvernichtungswaffen verzichtet. Assad würde damit Waffen abgeben, die er angesichts der massiven Drohungen aus Washington ohnehin nicht mehr einsetzen kann. Doch den Menschen im Land wäre damit nur wenig geholfen. Sicherlich: Auch für die zivilen AktivistInnen waren die Bilder von den Opfern aus Zamalka, Ayn Tarma und Moadamieh extrem schockierend und rund 1.400 Tote bei einem einzelnen Angriff sind sicherlich verstörend. Aber bei einer täglichen Todesrate von rund 100 Menschen seit dem 21. August schon wieder 2.100 Menschen durch konventionelle Waffen ums Leben gekommen. Für sie waren nicht die Chemiewaffen des Regimes verheerend, sondern die Ladung von fünf bis sechs militärischen Transportmaschinen aus dem Iran, die jeden Tag auf dem Flughafen von Damaskus landen.
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