Assads Politik des ‚als ob‘ – Die Presseschau vom 6. Mai

Diese Woche kündigte Syriens amtierender Präsident Bashar al-Assad offiziell an, dass er bei den von ihm angesetzten Wahlen am 3. Juni kandidieren wird. Ein haushoher Sieg Assads wird erwartet, wie unter anderem die Tagesschau berichtete. Was wie ein Schildbürgerstreich anmutet, ist bitterer Ernst. Mitten im Krieg, während weite Teile des Landes nicht unter Regierungskontrolle stehen […]

Diese Woche kündigte Syriens amtierender Präsident Bashar al-Assad offiziell an, dass er bei den von ihm angesetzten Wahlen am 3. Juni kandidieren wird. Ein haushoher Sieg Assads wird erwartet, wie unter anderem die Tagesschau berichtete. Was wie ein Schildbürgerstreich anmutet, ist bitterer Ernst. Mitten im Krieg, während weite Teile des Landes nicht unter Regierungskontrolle stehen oder sogar täglich von Regierungsjets bombardiert werden, wird die Bevölkerung an die Urnen gebeten. Das, was die amerikanische Nahost-Expertin Lisa Wedeen schon vor Jahren als Assads Politik des ‚als ob’ beschrieb, wird hier gnadenlos ins komplett Absurde geführt: Politik machen, ‚als ob’ das Land befriedet sei, ‚als ob’ es tatsächlich mehr als einen Kandidaten gäbe, ‚als ob’ das Volk tatsächlich wählen gehen könnte. Mit dieser Strategie – in Kombination mit brutaler Gewalt – hält sich das Haus der Assads seit Jahrzehnten an der Macht: Warum es also nicht weiter probieren? Deutsche, syrische und internationale Kommentatoren aller Couleur bezeichnen die geplante Wahl als ein destruktives und bizarres Vorhaben, z. B. der türkische Außenminister (in Daily Sabah).

Derweil gehen die Kämpfe weiter; es zeichneten sich diese Woche weitere Erfolge der Regierungsarmee ab. Die FAZ berichtete, das strategisch wichtige Ortschaften um Damaskus mit Hilfe von Hisbollah-Truppen von der Armee zurückerobert wurden. Blutige Machtkämpfe zwischen Rebellen und radikalen Islamisten waren der Regierung dabei auch von Nutzen. Die Bombardierungen in Aleppo hielten auch diese Woche an, ebenso das Aushungern verschiedener Vorstädte. Hinzu kam ein Bombenanschlag in Homs, bei dem über 40 Menschen starben, wie der Spiegel berichtete. Auf die andauernden Gräueltaten wies auch Valerie Amos, die UN-Nothilfekoordinatorin, hin, und rief den von Russland blockierten UN-Sicherheitsrat trotz allem zum Handeln auf, wie auf der Website der Deutschen Welle berichtet wurde.

Die libanesische Nachrichten-Website NOW veröffentlichte einen Artikel (auf englisch) der bekannten syrischen Aktivistin Razan Ghazzawi. Ghazzawi berichtet über die zweifache Inhaftierung einer weiteren syrischen Aktivistin, Yasmin Banshi, die erst 10 Monate in Regierungsgefängnissen saß und dann von der radikal-islamischen Gruppe Ahrar al-Sham inhaftiert wurde. Der Artikel vermittelt in schlichten Worten eine nuancierte Einsicht über das soziale Geflecht und die spezifische Stellung von Frauen im Syrienkrieg; z. B. berichtet Ghazzawi, dass Banshis Geheimdienst-Akte auf Facebook gepostet wurde, was Ahrar al-Sham als Anlass für ihre erneute Verhaftung nahm. Banshis sozialer Ruf als Frau, aber auch ihre revolutionären Aktivitäten seien zentrale Bewertungskriterien für den Scharia-Richter gewesen.

Analysten und Politiker suchen weiterhin nach möglichen Lösungsansätzen im Syrienkonflikt, auch wenn sich die diplomatische Ebene zur Zeit kaum bewegt (abgesehen von einer hauptsächlich symbolischen Aufwertung der offiziellen syrischen Opposition durch die USA, wie die FAZ berichtete). Bente Scheller, die Leiterin des Beiruter Büros der Heinrich Böll Stiftung, analysiert in einem Bericht für das Bundesministerium der Verteidigung die Erosion der internationalen Normen im Syrienkonflikt; verschiedene Punkte werden hier übersichtlich abgehandelt. Schellers Darstellung verdeutlicht die Auswirkungen des Syrienkrieges auf die internationale Staatengemeinschaft und den Nachhall, den dieser Krieg schon jetzt hinterlässt.

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