Was eine Operation der FSA für eine Stadt bedeutet – Bericht aus Ariha

Die Stadt Ariha liegt an der Kreuzung der Landstraßen Latakia-Aleppo und Homs-Idlib. Sie stellt so das Tor zu den Provinzen Idlib und Aleppo dar. In den letzten Tage war es für uns sehr schwer, unsere zivile Arbeit in Ariha fortzusetzen. Das lag hauptsächlich an der militärischen Bedeutung, die unserer Stadt mit ihren 100.000 EinwohnerInnen gerade […]

Die Stadt Ariha liegt an der Kreuzung der Landstraßen Latakia-Aleppo und Homs-Idlib. Sie stellt so das Tor zu den Provinzen Idlib und Aleppo dar. In den letzten Tage war es für uns sehr schwer, unsere zivile Arbeit in Ariha fortzusetzen. Das lag hauptsächlich an der militärischen Bedeutung, die unserer Stadt mit ihren 100.000 EinwohnerInnen gerade zukommt. Während die größten Teile der Provinz von der Freien Syrischen Armee eingenommen wurden, befinden sich einige größere Städte wie die Hauptstadt Idlib und auch Ariha weiterhin unter der Kontrolle des Assad-Regimes. Wegen der Lage der Stadt und der Bedeutung für die Kontrolle der Provinz Idlib und darüber hinaus der von Aleppo hat die Freie Syrische Armee in den letzten Tagen eine Offensive gestartet, um die letzten elf Checkpoints des Regimes in der Umgebung von Ariha zu erobern.

Einerseits würde die Befreiung der Checkpoints des Regimes unserer Stadt viele Vorteile hinsichtlich der Bewegungsfreiheit bringen, denn aktuell gibt es nur noch einen Weg in die Stadt hinein und aus ihr heraus, den wir nutzen können, ohne die Checkpoints des Regimes passieren zu müssen. Dieser eine verbleibende Weg führt durch die Berge und ist mit großen Anstrengungen verbunden. Man braucht viel Kraft und Zeit, um Hilfslieferungen wie Lebensmittel und Medikamente sicher in die Stadt zu bringen. Außerdem ist der Weg für ältere Menschen, Frauen und Kinder kaum noch zu bewältigen. Die anderen Wege sind für alle Gesuchten und Verfolgten – also für die meisten AktivistInnen – nicht mehr nutzbar. Auch alle anderen BewohnerInnen werden an den Checkpoints oft schikaniert oder sogar einfach so festgenommen, um sie zu foltern und die Namen und Aufenthaltsorte der AktivistInnen herauszubekommen.

Auf der anderen Seite gefährdet der Angriff unsere zivile Arbeit, denn wir sind gerade dabei, eine Bibliothek und ein Kulturzentrum einzurichten. Aber wenn die ganze Zeit geschossen wird, geht kein Mensch in eine Bibliothek. Und natürlich wird in der Nähe der Checkpoints viel zerstört. Offenbar war der Angriff auch nicht so gut vorbereitet, denn nach zwei Tagen der Kämpfe und nachdem fünf der Checkpoints erobert wurden, ist der Freien Syrischen Armee die Munition ausgegangen und es dauert jetzt wohl noch einen Tage, bis Nachschub eintrifft.

Als Komitee hatten wir vor den Plänen der Freien Syrischen Armee vorher Wind bekommen und konnten deswegen – in Abstimmung mit den bewaffneten Gruppen – diejenigen in der Stadt warnen, von denen wir wussten, dass sie die Stadt im Falle eines Angriffs lieber verlassen wollten, aber das Regime nicht über die Pläne informieren würden. So konnten sich viele Menschen in Sicherheit bringen, bevor der Angriff begann.

Ansonsten haben wir uns in letzter Zeit darauf konzentriert, etwas Positives zu der schlechten humanitären Situation der Menschen hier beitzutragen. Augrund der Präsenz der Sicherheitskräfte und immer wieder drohender Angriffe von beiden Richtungen ist nahezu die gesamte Wirtschaft zum Erliegen gekommen. Zwar kommen auch immer wieder Waren und Lebensmittel in der Stadt an, aber die können sich viele Menschen überhaupt nicht mehr leisten, weil sie so teuer geworden sind. Also versuchen wir, die Bedürftigsten zu identifizieren und ihnen mit Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs zu helfen.

Außerdem planen wir gerade eine Zeitung herauszugeben – das werden wir auch unabhängig davon machen, wie die Kämpfe um die Checkpoints ausgehen werden. Und an einigen Stellen haben wir angefangen, die öffentlichen Plätze und einige Straßen zu verschönern. Auch schon vor der Revolution war hier vieles heruntergekommen, weil sich die Menschen nicht um ihre direkte öffentliche Umgebung kümmern durften. Das war alles dem Staat vorbehalten, aber er hat es nicht gemacht. Jetzt, wo wir die Freiheit dazu haben, kümmern wir uns selbst um unsere Stadt, und das bringt die Menschen dazu, sich aktiv einzubringen und mitzureden über das, was sie in ihrer direkten Umgebung betrifft. Wir wollen erreichen, dass alle sich einbringen können: Ein Ariha für alle, ein Syrien für alle – unabhängig davon, wie die Kämpfe um die Stadt ausgehen.

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