Stolzes Kafruma – diesen Namen gaben die Bewohnerer der nahen Dörfer im Al Zawiya Gebirge unserer Stadt und das nicht von ungefähr. Kafruma erhob sich gleich zu Beginn der Revolution und folgte dem Ruf seiner Schwestern und Brüder in Daraa, um Solidarität und Beistand zu zeigen.
Kafruma liegt Gouvernorat Idlib im Norden Syriens und gehört zur Region Maarrat Al Numan bzw. liegt circa 3 km westlich davon. Kafruma hat etwa 21.000 Einwohner und erstreckt sich über 25 Quadratkilometer. Die meisten Einwohner Kafrumas verdienen ihren Lebensunterhalt mit Landwirtschaft, Viehzucht oder im Bildungssektor. Nur einige wenige sind im Handel tätig. Der Lebensstandart der meisten hier liegt unter dem der durchschnittlichen Mittelschicht. Die Menschen hier sind einfache und freundliche Menschen und die in Freundschaft miteinaderleben.
Video: Demonstration in Kafruma vor circa einem Jahr.
Die erste Demonstration fand in Kafruma am 15.4.2011 statt. Die Demonstrationen in Kafruma zeichneten sich immer durch eine große Resonanz innerhalb der Bevölkerung aus. Auf einigen Demonstrationen nahmen bis zu 10.000 DemonstrantInnen aller Alterstufen teil, Frauen wie Männer. Kafruma erlangte so regionale Bedeutung als Ort des Protests – die Strafe dafür war das riesige Aufgebot an Truppen, das Assads sandte und das Kafruma am 4.7.2011 besetzte. Damit waren wir die erste Stadt in unserer Region, in die die Armee des Regimes eindrang und Tod und Verwüstung mit sich brachte.
Doch Kafruma gab angesichts dessen nich auf, sondern weitete im Gegenteil den Protest aus und verstärkte seinen Widerstand. Dafür zahlten wir einen hohen Preis: Viele Bewohner Kafrumas wurden bei dem Versuch, ihre Familien und ihren Besitz zu verteidigen, getötet. Doch auch das konnte die friedliche Protestbewegung nicht ersticken und es kam weiter zu immer neuen Demonstrationen. Diese wurden regelmäßig von der Armee des Regimes beschossen und attackiert. Am 27.5.2011 starb der erste Demonstrant in Kafruma bei der Demonstration am „Freitag der Freiheit“. Bis heute muss unsere Stadt immer wieder neue Opfer bringen, insgesamt wurden bis jetzt 171 Menschen getötet, unter ihnen auch Frauen und Kinder.
Das alles führte dazu, dass manche begannen, sich zu bewaffnen, um sich gegen die brutalen Attacken verteidigen zu können. Außerdem desertierten immer mehr Söhne Kafrumas aus der Armee des Regimes, die dann angesichts der Gewalt des Regimes und des täglichen Unrechts auch begannen Waffen zu tragen. Unter dem Druck der Gegenschläge dieser bewaffneten Revolutionäre mussten sich die Truppen des Regimes schließlich aus der Stadt Kafruma zurückziehen. Die Assad-Truppen sammelten sich in Folge dieser Niederlage im circa 2 Kilometer entfernten, in unserer Gegend sehr bekannten Militärlager Al Hamidiyya südlich von Kafruma.
Video: Das Komitee druckt regelmäßig die Zeitung der LCC „Auf dem Weg in die Freiheit“ und verteilt sie.
Seit mehreren Monaten ist die Situation in Kafruma schrecklich. Zwei große Massaker fanden in direkter Umgebung statt: In Wadi Al Dayf und Al Hamidiyya. Dort gibt es seitdem anhaltende Gefechte und die zwei Orte werden täglich von Raketenabschussrampen und Flugzeugen bombardiert. Trotzdem versuchen wir die zivile und friedliche Bewegung hier aufrecht zu erhalten und gegen eine Bewaffnung der Revolution zu wirken. Diese Bewaffnung geschieht gegen unseren Willen. Wir wollen der Welt zeigen, dass wir ein Volk des Friedens und nicht des Kriegs sind. Wir gehören zu den LCC (Local Coordination Committees) und haben uns zusammen mit den anderen Komitees in ganz Syrien dem politischen Ziel eines zivilen, demokratischen Staates verpflichtet.
Kafruma ist eine der vielen Städte und Ortschaften in Syrien die viel gelitten haben und bis jetzt den Preis für die Revolution zahlen. Die meisten BewohnerInnen aus Kafruma flohen nach dem 15.10.2012, denn damals begann eine fast stündliche Bombardierung. Außerdem liegt Kafruma sehr nahe an der vorderen Frontlinie der Gefechte in Wadi Al Dayf und Al Hamidiyya, die jetzt schon seit sechs Monaten andauern. Viele der geflüchteten Familien wohnen im Gebirge, mitunter in Höhlen und einige sind in die Flüchtlingslager in der Türkei und an der türkische Grenze geflohen, zum Beispiel in die Camps Atma und Qaah. Etwa fünfundzwanzig Prozent der Häuser in Kafruma wurden zerstört, ebenso wie große Teile der Infrastruktur.
Bild: Flüchtlingsfamilie aus Kafruma, die momentan in einer der nahegelegenen Höhlen lebt.
Die meisten unserer Aktivitäten konzentrieren sich aktuell auf das Thema Flüchtlinge. Neben dieser humanitären Arbeit leisten wir aber auch Medienarbeit und verbreiten die Nachrichten aus Kafruma im Internet.Es gibt außerdem immer wieder landesweite Kampagnen, die wir als Mitglied der LCC durchführen. Diese Kampagnen beinhalten meist Aufklärungsarbeit, zum Beispiel über die Beziehung zwischen der Gesellschaft und dem einzelnen Menschen. Wir wollen außerdem eine gemäßigte und vernünftige Einstellung innerhalb der gegenwärtigen Auseinandersetzungen sowie eine Kultur des öffentlichen Lebens verbreiten. Wir versuchen auch immer wieder daraufhinzuweisen, dass eine Übergangsphase auf dem Weg zu einer Demokratie unvermeidbar ist – und das wir nun gerade in dieser Übergangsphase leben und lernen müssen, damit umzugehen.
In letzter Zeit haben wir versucht uns im Lokalen Rat (Anm.: Die Lokalen Räte der Gouvernorate sind in in der Exilregierung der Nationalen Koalition vertreten.) zu engagieren, unser Beitrag wurde jedoch abgelehnt. Insgesamt denken wir, dass die Lokalen Räte nicht sehr effektiv arbeiten und die verschiedenen Oppositionsgruppen eher spalten anstatt sie zu einen. Die Debatte darüber ist gerade im vollen Gange und viele meinen: Schuld daran ist eine falsche Politik der Nationalen Koalition selbst und anderen Oppositionsgruppen.
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