“Building the Syrian State”: Aufruf zum Wahlboykott

“Building the Syrian State” ist eine syrische Oppositionsgruppe um den Oppositionellen Louay Hussein, die bislang geduldet vom Regime in Syrien operieren kann – hier eine Kurzbeschreibung vom Carnegie MEC. Jedoch hat selbst diese Oppositionsgruppe angesichts der offensichtlichen Farce zum Boykott der Wahlen aufgerufen. Im Folgenden dokumentieren wir den Aufruf zum Wahlboykott, eingebettet in ein Vorwort […]

“Building the Syrian State” ist eine syrische Oppositionsgruppe um den Oppositionellen Louay Hussein, die bislang geduldet vom Regime in Syrien operieren kann – hier eine Kurzbeschreibung vom Carnegie MEC. Jedoch hat selbst diese Oppositionsgruppe angesichts der offensichtlichen Farce zum Boykott der Wahlen aufgerufen. Im Folgenden dokumentieren wir den Aufruf zum Wahlboykott, eingebettet in ein Vorwort der syrisch-oppositionellen Website all4syria – Kullina Shuraka (deutsch: Wir alle sind Partner).

Das Logo von "Building the Syrian State". Quelle: all4syria.
Das Logo von “Building the Syrian State”. Quelle: all4syria.

 Moatasam Al-Taweel: all4syria, 17.05.2014

Die Gruppe „Building the Syrian State“ veröffentlichte ihren angekündigten Boykott der offiziellen Wahlen, welche am 3. Juni diesen Jahres in Syrien abgehalten werden. Die Gruppe rief alle SyrerInnen zu einem Boykott auf, in Solidarität mit jener Hälfte der SyrerInnen, die sich an den Wahlen nicht beteiligen können.

Die Gruppe deutete in ihrem Statement, welches am Samstag, den 17.05.2014, in Damaskus veröffentlicht wurde, an, dass „die Wahl des Präsidenten der Republik ein Pflichtvertrag von allen SyrerInnen für eine syrische Person ist, die die Aufgaben der Präsidentschaft übernimmt. Solange die Besitzer des Rechts, das heißt das syrische Volk, ohnmächtig sind und auf dieses nicht zugreifen können, außer weniger als die Hälfte von ihnen, und solange ihre Rechte ‘entweiht’ und unterdrückt sind, heißt das, dass die Beauftragung nicht zulässig und nicht rechtens ist.“ Eine Kopie dieses Statements erreichte „all4syria – Kullina Shuraka“ [s. das vollständige Statement in deutscher Übersetzung unten].

Das Statement ruft alle Syrerinnen und Syrer, die an den Wahlen teilnehmen können, dazu auf, diese aus Solidarität und Respekt vor den Rechten ihrer syrischen PartnerInnen, die nicht an den Wahlen teilnehmen können, zu boykottieren – bis ein politischer partnerschaftlicher Prozess in Gang gesetzt wird, der es allen erlaubt, an pluralistischen, freien und sachlichen Wahlen teilzunehmen.

Statement zum Boykott der Präsidentenwahlen

In Solidarität mit mehr als der Hälfte der Syrerinnen und Syrer, die nicht an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen können, geben wir, Building the Syrian State, unseren Boykott dieser Wahlen bekannt und rufen alle SyrerInnen dazu auf, diese ebenfalls zu boykottieren.

Die Wahl des Präsidenten der Republik ist ein Vertrag über die Beauftragung seitens aller SyrerInnen einer syrischen Person, die die Aufgaben der Präsidentschaft übernimmt. Solange die Inhaber des Rechts, d.h. das syrische Volk, ohnmächtig sind und nicht darauf zugreifen können – außer einer Hälfte der Bevölkerung -, und solange ihre grundlegenden Rechte entweiht und unterdrückt sind, heißt das, dass die Beauftragung nicht zulässig und nicht rechtens ist.

Ebenso ist eine angemessene Meinungsfreiheit und die Freiheit, politische Kräfte zu bilden, nicht vorhanden; die Sicherheitsapparate unterdrücken weiterhin die politischen und öffentlichen Freiheiten. Die Baath-Partei besitzt weiterhin das Gewaltmonopol über die Organisationen des Staates: die Regierung, die Armee, die Medien und die Justiz – was vorausgehende Zweifel an einem fairen Wahlprozess und der Richtigkeit seines Ergebnisses nur bestätigt. Ferner sind die Kompetenzen des Präsidenten laut der momentanen Verfassung halbautoritär, was diese Wahlen schlicht das autoritäre Regime reproduzieren lässt, dessen Auflösung die SyrerInnen unter bislang hohen Kosten angestrebt haben.

Pluralistische Präsidentschaftswahlen waren und sind noch immer der Traum und das Ziel der SyrerInnen, und das seit Jahrzehnten. Dies erfordert jedoch die Teilnahme aller. Die aktuellen Zustände des Landes führten allerdings dazu, dass die Hälfte der SyrerInnen entweder zu Flüchtlingen in den benachbarten und weiteren Staaten wurde, in unsicheren Regionen lebt oder außerhalb der staatlich kontrollierten Gebiete, was sie daran hindert, an den Wahlen teilzunehmen.

Dies bewerten die syrischen Behörden nicht, sondern beschäftigen sich mit dem Thema der Wahlen allein so, als ob es konstitutionellen Anspruch hätte und lediglich ein administrativer Prozess wäre. Sie versuchen dadurch, die Situation im Land als normal erscheinen zu lassen. Sowohl der Zerfall des syrischen Staates als auch der Krieg, die Migration, die Flucht, das Asyl und der Zerfall der Wirtschaft – ebenso die weiteren Erscheinungsbilder der Krise  – sind nicht wichtig verglichen mit dem Wahlprozess.

Wir, die wir versichern, dass das Wahlrecht dem Recht zum Boykott entspricht, erwarten von allen SyrerInnen, denen eine Teilnahme möglich ist, ihr absolutes Recht auf einen Boykott dieser Wahlen auszuüben, in Solidarität und aus Respekt für die Rechte ihrer syrischen PartnerInnen, denen eine Teilnahme nicht möglich ist. Und dies, bis ein partnerschaftlicher politischer Prozess in Gang gestetzt wird, welcher es allen erlaubt, an pluralistischen, freien und sachlichen Wahlen teilzunehmen, in denen sie eine befähigte Person auswählen, die sie mit den Aufgaben des Präsidenten der Republik beautragen können gemäß einer von allen akzeptieren Verfassung.

Damaskus, 17.05.2014 – Building the Syrian State

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