Crowd4Justice: Zumindest die Beweise sichern!

Banner der Kampagne Crowd4Justice

Russland und China haben die Strafverfolgung der in Syrien begangenen Kriegsverbrechen durch Vetos im UN-Sicherheitsrat mehrfach vereitelt. Damit die Vereinten Nationen handlungsfähig bleiben, hat die UN-Generalversammlung einen UN-Mechanismus geschaffen, der zumindest Beweise sichern soll. Damit können Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden, wenn sie einmal festgenommen werden. Doch dann hätte dem IIIM (International, Independent and Impartial Mechanism) beinahe das Geld gefehlt, um arbeiten zu können. Mit unserer Kampagne Crowd4Justice haben wir den UN-Ermittlern (finanziell) den Rücken gestärkt.

Ob massenhafte systematische Folter, das Verschwindenlassen zehntausender Menschen, das Aushungern ganzer Städte, der Einsatz von Fassbomben, Streumunition oder Chemiewaffen gegen Zivilist*innen – im Syrien-Krieg passieren unzählige Kriegsverbrechen.

Auch wenn sich alle Kriegsparteien solcher Verbrechen schuldig gemacht haben, liegt das Assad-Regime und seine Verbündeten bei der Anzahl der Verbrechen weit vorne. Und diese Verbrechen scheinen sich zu lohnen: Das Regime ist dabei, sich militärisch durchzusetzen und bleibt bislang unbestraft – vor allem Dank russischer Vetos im UN-Sicherheitsrat.

Immerhin gelang es den Vereinten Nationen, übrigens auf Initiative des Mikro-Staats Liechtenstein, in der Generalversammlung ein UN-Mandat für einen „IIIM“ (sprich: triple-i-m) genannten Mechanismus zu schaffen. Dieser soll Beweise zu den wichtigsten Verbrechen aller Kriegsparteien in Syrien sammeln. Sollte es doch eines Tages gelingen, die Täter vor Gericht zu stellen, ist zumindest die Beweisaufnahme bereits erledigt. Das ist kein unerheblicher Schritt, andere internationale Sondergerichte waren in der Vergangenheit schon auch einmal Jahre mit dieser Aufgabe beschäftigt.

Kein Geld für Gerechtigkeit?

Das UN-Mandat für den „International Impartial and Independent Mechanism“ (IIIM oder „triple-i-m“) sah für diesen jedoch zunächst keine UN-Finanzierung vor. Stattdessen sollte die Arbeit durch freiwillige Zahlungen von UN-Mitgliedstaaten finanziert werden.

Im Frühling 2017 wurde klar: Die Spendenzusagen der Staaten reichen nicht aus, damit der IIIM loslegen kann. Sollte die unabhängige Untersuchung von Kriegsverbrechen in Syrien tatsächlich am Geld scheitern – noch dazu an fast lächerlichen 3,8 Millionen Euro? Wir und viele andere Initiativen konnten das kaum fassen.

Tagesschau-Beitrag zur mangelnden Finanzierung für den IIIM vom April 2017

Die Kampagne Crowd4Justice

Im April 2017 initiierte Adopt a Revolution daraufhin die Kampagne Crowd4Justice. Die Idee: Wenn die Staaten es mangels politischem Willen nicht schaffen, das Geld für die Arbeit des IIIM aufzubringen, dann sammeln wir das fehlende Geld: Wir springen ein, weil die Staatengemeinschaft kläglich versagt.

”Die Staaten zögern weiter. Deshalb bringen jetzt wir Gerechtigkeit nach Syrien“, hieß es auf der Website crowd4Justice.org. „Wir sammeln per Crowdfunding die Hälfte der Summe – und setzen darauf, dass dann die Regierungen die andere Hälfte auf den Tisch legen.“

Tatsächlich erhielt das Crowdfunding für Gerechtigkeit in Syrien zahlreiche Spendenzusagen – unsere Kampagne war bald unter den Top Ten der (potenziellen) Geldgeber für IIIM.

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Die Human Rights Guardians recherchieren in Syrien nach Verschwundenen. Jetzt spenden!

Schlussendlich erhielten wir Zusagen über 230.000 Euro. Aber wie das beim Crowdfunding so ist: Kommen nicht genug Spendenzusagen zusammen (850.000 Euro hätten es sein müssen), geht das Geld zurück. Stattdessen baten wir die Spender*innen, Ihre Zusage für die Human Rights Guardians freizugeben. Die Aktivist*innen arbeiten in Syrien daran, das Schicksal von „Verschwundenen“ aufzuklären – und arbeiten so direkt den UN-Institutionen zu. Die Kampagne hat dennoch viel erreicht: Sie hat vielen politischen Akteuren vor Augen geführt, dass die mangelnde Finanzierung für die Aufklärung von Kriegsverbrechen absolut beschämend ist. Und sie hat Druck gemacht auf die Entscheidungsträger, mehr Geld auf den Tisch zu legen. Es war schließlich die EU, die es dem IIIM durch einen zusätzlichen Beitrag ermöglicht hat, mit der Arbeit anzufangen.

Der Anfang vom Ende der Straflosigkeit

requests for assistance (RFA) an den IIIM. (Stand: Juni 2020)

Mittlerweile hat der IIIM bereits zu zahlreichen Kriegsverbrechen Beweise gesammelt – und stellt diese auch Gerichten und Staatsanwaltschaften zur Verfügung: 62 Anfragen zur Unterstützung in der Strafverfolgung (engl. requests for assistance – RFA) hat der UN-Mechanismus bis Juni 2020 bekommen aus elf Staaten. Er hat Kooperationsvereinbarungen mit 52 Organisationen abgeschlossen, die die Zusammenarbeit beim sammeln von Beweisen zu Kriegsverbrechen zu regeln. Und schließlich hat der UN-Mechanismus auch selbst angefangen, Hinweise auf Kriegsverbrechen gegen bestimmte Personen zusammen zu tragen. In Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden von Staaten soll so besonders herausragenden Kriegsverbrechern der Prozess gemacht werden können.

Auf der Grundlage des so genannten Weltrechtsprinzips gibt es inzwischen erste Prozesse gegen Personen, die in Syrien Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Seit April 2020 findet vor dem Oberlandesgericht Koblenz ein Prozess gegen Anwar R. und Ryad A. statt, denen vorgeworfen wird, im so genannten Al-Khatib-Branch der Geheimdienste des Assad-Regimes für Folter verantwortlich gewesen zu sein. Auch dank der Arbeit des IIIM müssen Folterschergen und Kriegsverbrecher inzwischen fürchten, dass ihnen außerhalb Syriens der Prozess gemacht wird.

Selbst wenn es aktuell unrealistisch scheint: Vielleicht stehen auch irgendwann der innerste Kreis des Assad-Regimes und der Diktator selbst vor Gericht. Die Arbeit des IIIM sorgt dafür, dass dann die Beweise vorliegen. Und auch dafür, dass sich Assad und andere Diktatoren und Kriegsverbrecher nicht allzu sicher fühlen, bis es irgendwann vielleicht so weit ist.

Adopt a Revolution unterstützt die Arbeit der Human Rights Guardians in Syrien aus Spenden. Helfen Sie mit Ihrer Spende, die Suche nach „Verschwundenen“ zu ermöglichen!