Eine Vorstadt von Damaskus wird vom Symbol des friedlichen Aufstands zum Schauplatz von Kriegsverbrechen
Daraya gilt seit Beginn des Aufstands als eines der Zentren des zivilen Widerstands gegen die Assad-Diktatur. Die Vorstadt südöstlich von Damaskus ist sowohl politisch als auch militärisch von strategisch wichtiger Bedeutung. Aufgrund ihres beständigen Widerstands gegen das syrische Regime werden die Menschen mit allen Mitteln bestraft: Sie werden belagert, massakriert und bombardiert. Über 700 Menschen wurden bisher vor allem durch Fassbombenangriffe und Beschuss der syrischen Armee getötet.
Daraya wird immer wieder zum Seismographen der politischen Entwicklungen in Syrien. Zuletzt in Mitte der letzten Woche. Mit einem erneuten Fassbombenangriff, der dutzende Menschen das Leben kostete, wurde das Ende der eh schon brüchigen Waffenruhe eingeläutet. Der Vorwand des Angriffs durch die syrische Armee: Daraya wird von terroristischen bewaffneten Gruppen, allen voran Al-Nusra-Kämpfern kontrolliert. Aber stimmt das?
Wir haben sowohl mit Menschen in als auch mit Geflüchteten aus Daraya gesprochen. Hier einige Fakten:
Wer kontrolliert Daraya? Sind es wirklich die bewaffneten Kämpfer oder gar Al-Nusra?
Der Ort wird seit Beginn der Proteste von einem lokalen Rat selbstverwaltet. Der Rat besteht allein aus ZivilistInnen. Er wird von der Bevölkerung und den Mitgliedern des Allgemeinen Rats in Daraya demokratisch gewählt. Bis heute gab es keinerlei Einmischung in die politischen Aktivitäten des Rates durch in Daraya angesiedelte militärische Gruppen.
Welche militärischen Gruppen gibt es tatsächlich in Daraya?
Alle Kämpfer in Daraya sind beim Militärbüro des Local Council registriert. Laut PR-Büro des Local Council sind 90 % der Kämpfer aus Daraya selbst. 10% sind desertierte Regimesoldaten aus den benachbarten Gebieten. Es gibt zahlreiche militärische Gruppen in Daraya. Die größte von ihnen ist die „Shuhada Al-Islam“. Etwa 80% der Kämpfer in dem Ort sind dieser Gruppe zugehörig. Sie sind Teil der „Südlichen Front“ (arab: Jabha Junoubiye), ein Militärbündnis, das u.a. militärisch von Jordanien und den USA unterstützt wird. Deutlich kleiner, aber ebenfalls relevant, ist die Gruppe Ajnad Al-Sham. Sie zählt sich zur Freien Syrischen Armee (FSA).
Gibt es eine Kooperation und gemeinsame Koordination der Kämpfer? Welche Rolle spielt der Local Council dabei?
Die Zusammenarbeit zwischen den zwei Gruppen ist sehr eng. Sie haben sich auf ein gemeinsames militärisches Ziel geeinigt – die syrische Armee. Der Lokale Rat hat die Rolle, zwischen den Zivilisten und diesen zwei militärischen Kräften zu vermitteln, da er die höchste politische Instanz in Daraya ist.
Gibt es dort auch Kämpfer der Jabhat Al Nusra-Front oder des IS, wie behauptet wird?
In Daraya gibt es weder eine militärische Präsenz der Al Nusra-Front noch des Islamischen Staates. Seit Beginn der militärischen Offensive auf Daraya vor drei Jahren haben die Kämpfer vor Ort stark darauf geachtet, dass dschihadistische Gruppen in Daraya keinen Fuß auf den Boden bekommen. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass es in Daraya noch immer eine sehr lebendige Zivilgesellschaft gibt, die bis heute für ihre Rechte und Forderungen nach Freiheit und Demokratie auf die Straße geht.
Jabhat Al-Nusra würde keine Mühe scheuen, die Orte, an denen sie sich befindet, öffentlich bekannt zu geben. Gäbe es bei uns Jabhat Al-Nusra, würde diese auch keine zivile Verwaltung wie es der Lokale Rat ist, dulden. Weiterhin ist Daraya vom Regime und seinen Verbündeten von allen Seiten belagert. Es gibt gar keinen Weg, über den neue Kämpfer hier hineinkommen könnten. Ebenso wenig können Kämpfer in Daraya nach draußen verdrängt werden. Das alles muss man vor dem Hintergrund sehen, dass das Assad-Regime eine angebliche Existenz von Jabhat Al-Nusra in Daraya als Vorwand benutzt, um uns zu bombardieren.
Daraya ist eins der häufigsten Ziele von Fassbomben. Alle Mitglieder des UN-Sicherheitsrats haben sich bereits im Feburar 2014 (!) darauf geeinigt, dass ihr Einsatz in Syrien beendet werden muss – doch die Weltgemeinschaft lässt dieser Forderung keine Konsequenzen folgen. Mit einem Aufruf wenden sich nun syrische AktivistInnen an die Welt: Nur wenn die Fassbomben enden, können Friedensverhandlungen erfolgreich sein. Stärken Sie diese Forderung – unterzeichnen Sie den Friedensaufruf aus Syrien!
Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!