Eine der greifbaren Errungenschaften der syrischen Revolution ist die Befreiung der Kultur aus der Zwangsjacke des Regimes. Nach fünfzig Jahren Unterdrückung wurden die verschiedenen Ausdrucksformen der Kunst – und auch die gesellschaftliche Vielfalt – in die Freiheit entlassen. Das Frühjahrsfestival in Qamishli präsentierte dieses Jahr nun schon zum zweiten Mal in Folge ein buntes Potpourri aus Sprachen und Liedern, das unter dem Joch der Baath-Partei einen gewaltigen Tabubruch für den arabischen Nationalismus bedeutet hätte. Kurdische, assyrische, aramäische, armenische und auch arabische Melodien wurden in einem wunderschönen Reigen gespielt und zeigten so die reiche Vielfalt der Kulturen in Syrien.
Das Festival, das am 26. April 2014 im Assyrischen Zentrum in Qamishli begann, wurde von lokalen AktivistInnen der Sawa Youth Coalition und und des Arido Civil Society Center organisiert. Die Sponsoren waren die syrische Emergency Task Force (SETF) und das PÊL-Civil Waves Center. Das diesjährige Motto lautete “Unsere Farben, unsere Brücken”.
Die Stadt Qamishli ist bekannt für ihre multi-ethnische Bevölkerung und ihre unterschiedlichen Kulturen. Das Frühjahrsfest in seiner jetzigen Form repräsentiert einen deutlichen Kurswechsel, nämlich die unmissverständliche Weigerung, die beklemmende Monotonie, die das Regime bislang propagierte, fortzusetzen. In gleicher Weise wurden sektiererischen Strömungen, die die Revolution, ja das das ganze Land zu schlucken drohen, eine Absage erteilt.“Wir versuchen, Qamishli davor zu bewahren, in denselben sektiererischen und ethnischen Strudel abzurutschen, wie das in anderen Städten bereits passiert ist. Wir wollen weiterhin versuchen, die vielen verschiedenen gesellschaftlichen Strömungen an einem gemeinsamen Ort zusammenzubringen“, wie einer der Initiatoren in einem Interview mit Syria Untold erklärte.
Das Festival wurde mit Konzerten der Ensembles Zara und Or’s Harp eingeläutet. Beide Gruppen präsentierten folkloristische Lieder in verschiedenen Sprachen genauso wie eine gemeinsame Collage, die all diese Sprachen harmonisch vereinte. Ebenfalls wurde eine Kunstausstellung für die Dauer des Festivals eröffnet. Lokale Künstler wie May Qolanj, Nalin Hesso und Fadi Khayo waren hier zu sehen.
Die Bands Zara und Or’s Harp spielen zusammen während des Festivals.Quelle: Syria Untold/Facebook.
Der zweite Tag des Festivals war assyrischen traditionellen Tänzen der Gruppe Ornina gewidmet. Außerdem wurden zwei Filme gezeigt: “Tales of Spring” von Siamend Omry und “Seventy Pulses” von Ghandi Saado.
Am dritten Tag gab es Theater: Die Jian Theater Gruppe spielte ein selbst geschriebenes Stück “Das, was nicht kommt”, die Astarte Gruppe führteein Stück mit dem Titel “Das Gerichtsverfahren” auf.
Zum Finale des Festivals wurde eine Kalligraphie-Ausstellung eröffnet, in der die Arbeiten von George Afram, Simil Kouriyah und Ayaz Ismail präsentiert wurden. Die Abschluss-Session war reserviert für die Poesie der Autoren Khinaf Kano, Abdulsamad Mahmoud, Amarsin Romanus und Amanos Zaradish.
Die Mannigfaltigkeit der Aktivitäten, der verschiedenen Sprachen und der unterschiedlichen Kulturen – so lässt sich festhalten –, ließen die Botschaft des Festivals kurz und bündig ertönen: Syrien ist viel reicher in seinem gesamten Spektrum an Farben.
Dieser Beitrag erschien in englischer Sprache auf der Website Syria Untold am 05. Mai 2014. Der vorliegende Beitrag ist eine Übersetzung durch Adopt a Revolution.
Adopt a Revolution hat das Frühlingsfest von Qamishli bereits zum zweiten Mal finanziell unterstützt. Aktivitäten wie das Frühlingsfest bieten nicht nur Abwechslung im von Krieg und Unsicherheit geprägten Alltag in Syrien, sie stärken auch das gesellschaftliche Miteinander. Es ist wichtig, dem Schwarz-Weiß-Narrativ des syrischen Regimes wie dem der Dschihadisten etwas entgegenzusetzen. Die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten in Qamishli zielen auf gesellschaftliche Toleranz und Akzeptanz. Wenn auch Sie die Arbeit der AktivistInnen in Qamishli bzw. andernorts in Syrien unterstützen wollen, können Sie hier spenden.