Unsere Partnerin Marah, 30 Jahre, vom zivilen Zentrum Sawaedna. Derzeit lebt sie in Ariha, Assads Krieg hat sie zu einer Mehrfachvertriebenen gemacht. Wie lange sie in Ariha bleiben kann, ist ungewiss.

„Das Geld aus Deutschland fliegt uns in Form von Raketen und Bomben um die Ohren!“

Syrer*innen zahlen einen hohen Preis, denn der Gang in die syrische Botschaft ist für nach Deutschland
geflohene Syrer*innen oft nicht nur ein qualvoller Prozess, sondern bringt mitunter reale Gefahren mit sich – insbesondere für die in Syrien Verbliebenen. Hier erzählt unsere Partnerin Marah aus Idlib, welche realen Konsequenzen die Passbeschaffungspflicht für sie in Syrien hat.

Unsere Partnerin Marah, 30 Jahre, vom zivilen Zentrum Sawaedna. Derzeit lebt sie in Ariha, Assads Krieg hat sie zu einer Mehrfachvertriebenen gemacht. Wie lange sie in Ariha bleiben kann, ist ungewiss.

„Ende 2019 gab es die bis dato schlimmste Militäroffensive auf Idlib. Anfang 2020 mussten wir dann aufgrund der Bomben und der immer näher rückenden Frontlinie fliehen. Als die unmittelbar angrenzenden Dörfer beschossen wurden, war klar: Wir müssen weg. Wenn Menschen fliehen, legt das Regime erst Recht nach. Erst wurden wir „nur“ mit Raketen beschossen, dann kamen die Bomben. Nicht eine oder zwei, sondern eine ganze Serie an Bomben. Zivile Einrichtungen sind gleichermaßen Ziel wie militärische. Ob Schulen, Kranken- oder Wohnhäuser – alles sind Angriffsziele für das Assad-Regime.

Du triffst die Entscheidung zur Flucht trotzdem erst, wenn klar ist, dass es keine andere Möglichkeit mehr gibt, dem Tod zu entkommen. Der Beschuss wurde wie Regen, nachdem wir raus waren. Hätten wir noch einen Tag länger gewartet, wären wir jetzt ganz sicher tot.

Wir haben uns nach drei Monate trotz der Gefahr entschieden zurückzukehren. Wir hatten eigentlich keine Wahl, denn das Leben auf der Flucht ist mehr als schwierig. Meine beiden Töchter waren verletzt, es war außerdem Winter und wir lebten in einem halbfertigen Betongerüst ohne Fenster und Türen. Trotzdem mussten wir dafür Miete zahlen. Wir mussten zurück, obwohl die Angriffe nicht vorbei waren und bis heute nicht sind. Die Intensität hat etwas nachgelassen und derzeit fokussieren sich die Angriffe auf die Städte und Dörfer um Ariha herum. Trotzdem kann auch jederzeit wieder direkt bei uns im Stadtzentrum der Bombenhagel niedergehen. Wir sind an der direkten Frontlinie mit dem Regime, hier wird es niemals Sicherheit geben.

Ihr helft damit tatkräftig dabei, das Regime zu alter Stärke zu bringen

Deshalb kann ich nicht nachvollziehen, dass Deutschland das Regime zum einen sanktioniert, zum anderen aber weiter mit Geld und damit mit Bomben versorgt, die uns und unser Leben hier akut bedrohen. Ich verstehe zwar nicht so viel von Politik, aber eins ist doch ziemlich klar: Das Geld, das aus Deutschland nach Syrien fließt, kommt nicht dem syrischen Volk zugute, sondern wird vom Assad-Regime in den Aufbau seines Militärapparates gesteckt und davon Söldner und Waffen bezahlt, die dann gegen uns Menschen in den befreiten Gebieten gerichtet werden. Es ist für mich unverständlich, dass Syrer*innen dazu gezwungen wären, ihre Pässe zu erneuern. Ihr helft damit tatkräftig dabei, das Regime zu alter Stärke zu bringen. Sind unsere Leben weniger wert als eure Bürokratie?“