Das Klavier von Yarmouk – Ein Eintrag ins Lexikon der Menschlichkeit

„Das Lexikon der menschlichen Unmenschlichkeit hat ein neues Wort: Yarmouk. Das Camp, an der Schwelle zu Damaskus […]“, so Christopher Gunness, Sprecher des UN-Hilfswerks. Zerstörung und Hungertote sind die Assoziationen, die das einst pulsierende Viertel nach über einem Jahr Belagerung hervorruft. Und in all dem auf einmal ein Piano auf Rädern? Nicht auf das Leid […]

„Das Lexikon der menschlichen Unmenschlichkeit hat ein neues Wort: Yarmouk. Das Camp, an der Schwelle zu Damaskus […]“, so Christopher Gunness, Sprecher des UN-Hilfswerks. Zerstörung und Hungertote sind die Assoziationen, die das einst pulsierende Viertel nach über einem Jahr Belagerung hervorruft.

Und in all dem auf einmal ein Piano auf Rädern?

Nicht auf das Leid im Camp reduziert zu werden und neue Assoziationen für das Wort „Yarmouk“ hervorzurufen, das scheint der Plan der Musikgruppe „Shabab al-Yarmouk“, zu Deutsch: “Jugend von Yarmouk”, zu sein. Sie haben mit dem Kampf nichts zu tun, das Camp solle ein neutraler Ort sein. Unter den jetzigen Umständen Yarmouks schien für die Mitglieder der Gruppe Musik das passendste Werkzeug zu sein. Außerdem sei Musik ein Mittel, Menschen zusammen zu bringen. Die Jungs, die mit ihrem Piano eine neue Assoziation zum Camp Yarmouk schaffen, waren mit ihrem Piano auf Rädern an verschiedenen Orten des Camps. Man hört die Musik, man hört den Text – im Hintergrund jedoch bleibt Yarmouk: ein zerstörter Sportplatz, zerstörte Straßen und Häuser. 18.000 Menschen leben noch hier, jeder von ihnen findet täglich Wege, mit der Belagerung im Camp umzugehen, sich einen Alltag zu schaffen.

Die Gruppe erinnert daran, sich zu fragen, was außer Kampf und Zerstörung noch geblieben ist in Syrien? Yarmouk ist ein Gebiet, das als „befreites Gebiet“ gilt. Wie sieht der Alltag der Menschen aus? Das rollende Klavier ist nur ein Beispiel des Umgangs mit der Regimebelagerung, welche alles Leben in den umzingelten Gebieten ersticken sollte.

Adopt a Revolution hat das Video, in welchem die Künstler sich vorstellen und die Beweggründe für ihre Initiative erzählen, übersetzt. Vom Pianisten zum Falafel-Käufer, die Revolution hat auf persönlicher Ebene viel verändert. Und trotzdem sitzt Ayham Ahmad nun wieder am „Klavier zwischen Ruinen“. Das ist sein persönlicher Umgang mit der tragischen Geschichte. Er hofft, mit ihren Auftritten zu berühren und auf die Umstände des Camps hinzuweisen. Andere Mitglieder der Gruppe hatten vorher nichts mit Musik zu tun – sehen es nun aber als adäquates Ausdruckmittel.

Inzwischen ist die Gruppe auch integraler Bestandteil der kulturellen Veranstaltungen des Camps geworden. In einer Veranstaltung zum internationalen Frauentag am 8. März im Camp Yarmouk präsentieren sie etwa ein selbst komponiertes und geschriebenes Lied. Es sind jedoch nicht nur die Künstler, die uns diesen Einblick gewähren, denn es sind auch die Medienaktivist_innen in Yarmouk, die uns diese Bilder erst zugänglich machen.

Vielleicht schafft es ja das Klavier, Yarmouk wieder ins Lexikon der Menschlichkeit einzutragen – oder wie der Pianist Ayham Ahmad es in diesem Video ausdrückt: “Wir wollten euch [mit unserer Musikgruppe] etwas von unserer Menschlichkeit für eure Menschlichkeit geben”.

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Die vierte musikalische Vorstellung der Gruppe – die Spuren der Zerstörung auf dem Sportplatz sind deutlich.