Nichts mehr wert: Syrischer Geldschein mit Assads Konterfei

Der Preis des Krieges

Die Preise steigen in ganz Syrien massiv, das syrische Pfund verliert rapide an Wert. Die humanitäre Situation spitzt sich zu. Beim Kauf von Lebensmitteln und Benzin dominiert eine Frage: Wer soll das bezahlen?

Nichts mehr wert: Syrischer Geldschein mit Assads Konterfei

Nach mehr als acht Jahren Krieg verwundert es nicht, dass Syrien mit Platz 220 unter den Schlusslichten der Weltrangliste der Inflation ist. Noch schlechter steht es nur um Libyen, Angola, Sudan, Kongo, Südsudan und Venezuela. Der Preisverfall in Syrien ist rasant. Die Inflationsrate liegt bei 28,10 Prozent, die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts bei -36,50 Prozent.

Im Jahr 2011 entsprach ein US-Dollar (rund 90 Cent) noch etwa 47 Pfund (SYP). Im Oktober diesen Jahres waren es 630 SYP. Derzeit liegt der Wert bei ca. 1.000 SYP pro US-Dollar.

Libanesische Bankenkrise kurbelt Preisverfall in Syrien an

Die hohen Inflationsraten sind im kriegsgebeutelten Land nichts Neues. Die jetzigen Ausmaße und der neue sprunghafte Anstieg der vergangenen Wochen sind allerdings auch unmittelbar auf die Proteste und Bankenkrise im Nachbarland Libanon zurückzuführen. Seit die dortige Regierung verfügt hat, nur noch 500-1.000 US-Dollar pro Woche abrufen zu können, sind die Guthaben von syrischen Geschäftsleuten, Industriellen und Kriegsgewinnern blockiert. Über den Libanon haben sie bisher versucht die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Syrien zu umgehen. Das ist nun schwieriger geworden. Ein weiteres Problem: Durch die Limitierung können im Libanon arbeitende Syrer*innen kaum noch Geld nach Hause schicken.

Für die Syrer*innen eskaliert damit die ohnehin seit Jahren wirtschaftlich schwierige Lage. Von der massiven Abwertung des SYP sind alle Regionen und alle in Syrien lebenden Menschen betroffen – ob in oppositionell kontrollierten Idlib, in Regime-Gebieten oder in Nordost-Syrien.

Große Not in Idlib und Nordostsyrien

Unser Partner Raed berichtet beispielsweise aus Idlib, dass die Preise für Heizmaterialien gerade weit über die Möglichkeiten der Menschen gestiegen sind. Gerade in den Wintermonaten wird daraus derzeit eine Frage des Überlebens.

Auch im Nordosten Syriens wird die Inflation zur Existenzfrage. Allgemein sind die Preise hier um ca. 500 SYP gestiegen – das liegt auch am Boykott türkischer Produkte. Für ein Paket Windeln werden mittlerweile 2.000 SYP fällig. Vorher lag der Preis noch bei 1.100 SYP. Zum Vergleich: Ein Bauarbeiter verdient pro Tag etwa 3.500 SYP. Dazu kommt, dass aufgrund der syrischen Militär-Offensive gerade viele Bauprojekte gestoppt sind – ein (regelmäßiges) Einkommen fällt für viele daher weg. Besonders hart sind die Preisentwicklungen auch für die über 300.000 Binnenvertriebenen, die ihr Zuhause verlassen mussten und alles verloren haben.

Menschen in Regime-Gegenden stehen kaum besser da

Auch in den von Assad kontrollierten Gebieten verschärft sich die Lage zunehmend. Im Umland von Aleppo verdient ein einfacher Arbeiter derzeit ca. 1.000 SYP pro Tag. Das monatliche Einkommen beläuft sich im Durchschnitt auf 30.000-40.000 SYP. Allein ein Liter Benzin kostet mittlerweile jedoch bereits 625 SYP (vorher 565), ein Liter Diesel liegt bei 700 SYP (vorher 425). Beides wird nicht nur zur Fortbewegung, sondern auch zum Heizen dringend benötigt.

Auch die Versorgung mit Lebensmitteln wird zunehmend schwierig bis unmöglich. Nachdem das Assad-Regime die Subventionierung von Brot gestrichen hat, zahlen die Menschen beispielsweise im Umland von Aleppo derzeit 250 SYP, vorher waren es noch 200 SYP. In Suwaida kostet ein Kilo Fleisch zwischen 5.500 und 6.000 SYP, ein Kilo Zucker 450 SYP, ein Liter Öl 2.200. Jeden Tag wird hier ein weiteres Produkt teurer, viele Läden sind zu – die Menschen versuchen Vorräte anzulegen.

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Als Nothilfemaßnahme hat die Regierung über sogenannte „Smart Cards“ 100 Liter Diesel zum Heizen an Familien verteilt – aber nicht jede Familie hat davon etwas bekommen. Es gibt kaum Gas, an den Tankstellen sind sehr lange Schlangen. Noch im Sommer lief der Strom relativ konstant, mittlerweile wird er regelmäßig abgestellt. In einigen Vierteln länger als in anderen – gezielt werden die Anhänger des Regimes begünstigt.

Ob das reicht, um bislang loyale Milieus bei der Stange zu halten? Angesichts der wirtschaftliche Lage äußern selbst Anhänger*innen des Regimes Kritik an der massiven Korruption und der Kleptokratie der Assads – so sehr auch das Regime die Verantwortung für die Lage auf die westlichen Sanktionen zu schieben versucht.