Mit ihren kleinen bräunlichen Fingern berührte sie meine Hand, als ich mich ihrem weißen Bett näherte. Obwohl sie so schwach und kraftlos war, bemerkte ich ihren Versuch, meine Hand zu drücken. Sie schaute mich mit ihren erschöpften honigfarbenen Augen an. Ich erkannte Trauer und Hoffnung in ihren Blicken.
Vielleicht war sie gelangweilt und wollte mir einen Teil ihrer traurigen Geschichte erzählen, vielleicht hatte sie eine bestimmte Bitte. „Deine Wünsche werde ich erfüllen, meine Kleine“, dachte ich, während ich mich ihr näherte. Gedanken kreisten in meinem Kopf: Vielleicht hat sie Angst oder sie ist traurig, weil sie nicht sehr bald mit den noch verbliebenen Kindern ihrer Nachbarschaft spielen wird können. Oder sie wünscht sich, ihre Lieblingspuppe zu drücken, die jetzt unter dem Schutt ihres kleinen Zimmers liegt.
Ein vierjähriges Mädchen, dessen Kindheit von Granaten zerstört wurde. Granaten, die ihre Schwäche und Erschöpfung verursachten, sodass sie gar unfähig ist, zu klagen oder zu weinen. Diese Granaten waren ebenfalls der Grund, weshalb sie in jungen Jahren zur Heldin einer Geschichte wurde, die sich in Operationssälen und Krankenhäusern abspielt; bei der sie Wunden überall an ihrem Körper trägt und ein Loch in ihrem linken Oberschenkel klafft.
Ihr leises Wimmern riss mich aus meinen Gedanken, ich näherte mich ihr und versuchte zu lächeln, vielleicht würde sie sich dann wohler fühlen. „Was brauchst du, meine Kleine?“, fragte ich. Sie antwortete, doch ich konnte ihre Worte zunächst kaum verstehen: „Ich möchte Wasser.“ Ich konnte mich nicht mehr beherrschen; das Lächeln schwand von meinem Gesicht, denn ich wusste, dass ich ihr bis in ein paar Stunden kein Wasser geben könnte, da sie gerade erst aus einer Operation kam. Meine Tränen verrieten nun meine Schwäche. Ich fühlte mich machtlos und unfähig, den kleinen Wunsch eines unschuldigen Kindes zu erfüllen.
Dies geschah während einer harten Winternacht in einer ambulanten Klinik. Dies sind die Wünsche unserer Kinder und auch unsere; dies sind die Rechte der Kinder, für die die Menschheit seit Jahrhunderten plädiert.
Diese Geschichte wurde von einer lokalen Ärztin verfasst, die über ein schwerverletztes Mädchen berichtet. Seit 2014 steht Adopt a Revolution in Kontakt mit AktivistInnen aus dem Damaszener Vorort Douma, die uns Geschichten ihres Alltags berichten. Was heißt Alltag in Douma, unter Belagerung und Beschuss, inmitten des Kriegsalltags? „Alltag“ bedeutet hier, dass das Leben irgendwie weiter geht, doch Träume und ganz „alltägliche“ Grundrechte verwehrt bleiben: Nahrung, Medizin, Sicherheit, Bildung. Die übersetzten Geschichten aus Douma belegen zudem, wie sehr sich der Konflikt auf Kinderseelen auswirkt – seien sie äußerlich unversehrt oder wie das oben beschriebene Mädchen dem Tod gerade noch entgangen. Diese Geschichten sind Zeugnisse eines Zustands, den es im Jahre 2015 nicht mehr geben dürfte. Übersetzung aus dem Arabischen durch Adopt a Revolution
Bereits seit 2011 unterstützt Adopt a Revolution die Arbeit lokaler Komitees und ziviler Projekte in Syrien. Die syrische Zivilgesellschaft verdient weiterhin unsere Solidarität. Helfen auch Sie mit, die Arbeit unserer PartnerInnen zu stärken!