„Die Lösung für Europas Probleme liegt in Syrien!“

An den EU-Außengrenzen eskaliert die Lage – die EU ringt um eine Lösung. Das bleibt auch den Menschen in Idlib nicht verborgen. Unser Partner Raed Abu Rabia aus Saraqib erklärt, warum Europa Idlib nicht länger ignorieren darf.

Raed Abu Rabia ist der leitende Redakteur der Zeitung Zaitoun, die 2013 von jungen Menschen in Saraqib gegründet wurde. In ihrer Berichterstattung legen sie das Augenmerk auf die zivilgesellschaftliche Bewegung in der Region. Viel Mut beweisen sie mit ihrer kritischen Berichterstattung über dschihadistische Milizen und andere bewaffnete Akteure.


Seit Beginn der syrischen Revolution haben sowohl die direkten Nachbarstaaten Syriens als auch die EU syrische Flüchtlinge immer zum Problem erklärt. Die Dringlichkeit dieses „Problems“ ließ sich in den letzten Tagen wieder deutlich an den EU-Außengrenzen erkennen, als Erdogan die Flüchtlinge als Schachfiguren für politischen Druck auf die EU eingesetzt hat.

Die vier Millionen Menschen, die noch in der ohnehin schon dicht bevölkerten Region Idlib leben, wurden in den letzten Monaten der Regime-Offensive gegen Idlib auf nicht einmal 40 Prozent der ursprünglichen Fläche zusammengedrängt. Die Menschen fliehen genauso vor den Bombardierungen wie aus Angst vor der Rache des Regimes gegen diejenigen, die in als „oppositionell“ wahrgenommenen Gebieten leben. Die Gebiete zwischen den beiden strategisch wichtigen Autobahnen M4 und M5, darunter auch Städte wie Maarat an-Nurman, Saraqeb und Kafranbel, die jahrelang als Orte des Widerstands gegen Regime und Dschihadisten galten, sind nun menschenleer.

Bekämpft die Ursache, statt die Symptome!

Die Millionen Menschen, die nun am Grenzstreifen zur Türkei ausharren, sind unschuldige Zivilist*innen, die ihr Leben und ihrer Kinder bewahren wollen. Mit dem politischen Spiel haben sie nichts zu tun haben, sie wollen einfach sicher leben – ohne Beschuss durch das Regime und Russland. Eigentlich wollen sie nicht nach Europa oder sonst irgendwo hin. Sie wollen in ihrem Zuhause bleiben, sonst wären sie ja nicht in den letzten Jahres des Kriegs hier geblieben. Aber mit dem Vorrücken des Regimes bleibt ihnen keine andere Wahl, als zu fliehen.

Jetzt gelangt eine große Zahl Syrer*innen an die griechisch-türkische Grenze, weil die Türkei ihre Grenze zur EU geöffnet hat – und so ist die EU endlich gezwungen, sich damit zu befassen, warum die Menschen eigentlich fliehen und eine Lösung zu finden. Es reicht nicht mehr, das Symptom zu bekämpfen, es muss endlich der Auslöser beseitigt werden. Die einzige sinnvolle Lösung für Europas „Problem“ liegt also in Syrien.

Wir sind keine Versuchskaninchen für russische Waffen!

Das jahrelange Schweigen zu den syrisch-russischen Kriegsverbrechen und Militäroperationen war für uns Syrer*innen extrem schmerzhaft, denn das Schweigen gab den Verbrechern freie Hand, weiter Leid, Tod und Flüchtlinge zu erzeugen. Wegen dieses aktiven Wegschauens trägt die EU Verantwortung für die derzeitige Situation. Sie muss jetzt endlich ihr Schweigen brechen und entschieden handeln, um das Massaker in Idlib zu stoppen. Nur so kann die EU ihre Krise in den Griff bekommen, und wir Syrer*innen bekommen die Möglichkeit, wieder in unsere Häuser zurückzukehren zu können.

Die Menschen in Idlib zeigen seit Jahren, dass sie ein Leben in Würde in ihrem eigenen Land wollen. Niemals ging es für sie darum, in andere Länder zu gehen. Es kann für die Welt doch nicht so schwer sein, uns Syrer*innen dabei zu unterstützen, bleiben zu können – denn wir sind keine Versuchskaninchen für die russische Luftwaffe.


Unsere Partner*innen vom Medienprojekt Zaitoun berichten kritisch über die Entwicklungen in Idlib – und zugleich reflektieren sie ihre eigene Rolle. Kurzfristig können sie dazu beitragen, Stimmen aus Syrien hörbar zu machen und Fakten zu überprüfen, langfristig braucht es kritische Medien, für eine friedliche Konfliktbewältigung und Demokratisierung. Helfen Sie mit Ihrer Spende dazu bei, diese wichtige Arbeit zu unterstützen!