Die Rolle der Linken in der Revolution, Auseinandersetzungen zwischen JAN und FSA, Beispiele aus JAN-kontrollierten Städten- Netzschau vom 13. Juli

Emanzipation veröffentlicht ein Interview mit Ghayath Naisse, Mitglied der „Strömung der Revolutionären Linken“. Naisse erklärt, welche Teile der Linken in Syrien historisch mit dem Regime verbunden sind (stalinistische Linke), welche Teile der Linken sich sehr früh der Revolution angeschlossen haben und was für neue linke Akteure aufgetreten sind. Sie macht jedoch auch klar, dass keine […]

Emanzipation veröffentlicht ein Interview mit Ghayath Naisse, Mitglied der „Strömung der Revolutionären Linken“. Naisse erklärt, welche Teile der Linken in Syrien historisch mit dem Regime verbunden sind (stalinistische Linke), welche Teile der Linken sich sehr früh der Revolution angeschlossen haben und was für neue linke Akteure aufgetreten sind. Sie macht jedoch auch klar, dass keine linke Strömung heute in Syrien über Masseneinfluss verfügt. Die Unterstützer hätten jedoch „eine relative Verankerung unter den Studenten und Akademikern, den städtischen und ländlichen verarmten Massen und in einigen Bastionen der Arbeiterklasse, vor allem in den Industriegebieten von Damaskus, Aleppo, Homs, Dara und Deir ez-Zor.“ Aus den umliegenden Ländern (Jordanien, Türkei, Libanon, Palästina) habe sich außerdem nur die anti-stalinistische Linke von Asad losgesagt: „das traurigste Beispiel ist die beschämende Position der palästinensischen PFLP, deren Führungsperson Leila Khaled hat deutlich ihre Unterstützung für das Regime und gegen die Revolution zum Ausdruck gebracht. Tatsächlich ist die syrische Revolution eine echte Revolution des Volkes mit einer tiefen Dynamik des sozialen Wandels, aber es handelt sich um eine verwaiste, um nicht zu sagen von einem Teil der regionalen und internationalen Linken verratene, Revolution.“

Unter der Überschrift „Syria: the people will not kneel and will not accept any new tyranny!” thematisiert Syria Freedom Forever eine Reihe von Entwicklungen in Syrien: „We reiterate our support for the Syrian revolutionary process, which is still very much alive despite what we hear, and our struggle against the two evils that are threatening it: the regime and the reactionary forces.” Zu den revolutionären Aktionen in Syrien gehören u.a. der Streik der weiblichen Gefangenen in einer ganzen Reihe von Regimegefängnissen, die klare Verurteilung Jabhat al-Nusras (JAN) (u.a. durch den das Motto vom 28.6.2013 zum Ausdruck gebracht: „tyranny is one, whether in the name of religion or in the name of secularism”), mehrere Demonstrationen in Aleppo gegen die Islamischen Räte und die öffentliche Ablehnung gegen kriminelle Kräfte in der FSA. Auch in Kafrnabel zeigen die Menschen mit öffentlichen Erklärungen ihre Ablehnung des status quo und der Nutzung von Waffen: „Kafranbel has witnessed the development of many negative phenomena in the recent period, which had a negative impact on the revolution and on the citizens and the most occurring are frequent shootings and other related kidnapping and other negative actions, including the armed manifestations deployed in the city. Because the weapon is not a feature of our revolution and because it only came to protect the revolution and the citizens, and the campaign in the city […] And we call upon all the existing revolutionary military powers in Kafranbel to rally around a single goal and put aside their differences and call on them to unite around the goal they were established.”

Für Unterstützung der Freien Syrischen Armee (FSA) wird mit diesem Video geworben. Da Untertitel und Sprache teilweise in Englisch sind, liegt die Vermutung nahe, dass das Video an einen Adressaten außerhalb Syriens gerichtet ist. Die professionell gekleideten (!) Kämpfer werden als Beschützer Syriens und vor allem als homogene einheitliche Masse dargestellt. Eine Bewaffnung der Revolution gegen die entsetzliche Gewalt Asads sei unausweichlich gewesen uns nun brauchen wir Unterstützung, lautet die Botschaft des Videos: bereits 60% von Syrien seien befreit und dort werde nun eine Zivilgesellschaft aufgebaut. „Dieses Gewehr werde ich nach dem Sturz des Regimes abgegeben“, sagt ein Kämpfer in die Kamera und steckt einen Olivenzweig in das Gewehr. Ein Junge zieht außerdem eine Parallele mit 1776 als die USA ihre Unabhängigkeit erklärten: für die gleichen Ziele kämpfe man heute in Syrien.

Einen Einblick wie die Gewalt einzelne Schicksale zerstört, bietet dieser Hilferuf aus Yarmuk. Der Damaszener Vorort wird immer wieder stark vom Regime beschossen und befindet sich außerdem unter Belagerung durch das Regime. Der Mann auf dem Bild sitze seit vier Tagen am gleichen Ort in dem Viertel, es spräche nicht und kenne auch niemanden aus seiner Familie. Das Foto wurde veröffentlicht, um Familienangehörige auf ihn aufmerksam zu machen. Die Suche nach Angehörigen gehört zum Alltag in dem ständig der Regimegewalt ausgesetzten Viertel.

“Dies kann nicht ungestraft bleiben” wird ein Kämpfer der FSA im The Guardian zitiert, die Ermordung eines seiner Kommandeure kommentierend. Kamal Hamami wurde am Donnerstag in einen Hinterhalt gelockt und anschließend vermutlich von Jihadisten umgebracht. „Die wollen sich jetzt behaupten und dass wir uns beugen. Denen muss eine Lehre erteilt werden“, droht einer der FSA-Kämpfer. Martin Chulov (The Guardian) weißt im gleichen Artikel auf die vielfältigen Machtprobleme mit denen Gruppen wie JAN zurechtzukommen haben. So wird die Kohärenz solcher Gruppen gerade wegen der vielen ausländischen Kämpfer unterminiert: Auseinandersetzungen zwischen syrischen JAN-Kämpfern und regionalen al-Qaeda Kämpfern kommen immer wieder vor. Damit verbunden ist der Machtkampf, der in der Gruppe selber herrscht und vor allem über die jeweilige Zukunftsvision um Syrien ausgebrochen war.

Doha Hassan berichtet wieder auf Raqqa für Lebanon Now. Diesmal erzählt sie die Geschichte einer Kämpferin, die für JAN weibliche Gefangene in Raqqa beaufsichtigt und foltert. Deutlich wird, dass die Gewalt, die gegen die JAN-Häftlinge gewandt wird, vor allem zur Abschreckung und Machtkonsolidierung dient. Trotzdem beschreibt einer der Einwohner die Situation optimistisch: „Young people are afraid of nothing anymore. They go out manning sit-ins and protests in front of extremist brigades’ and Religious Committee headquarters. There is real hope on the streets.” Weniger hoffnungsfroh hört sich Tareq al-Abed an, der für die libanesische Zeitung as-Safir aus Raqqa berichtet: The Syrian city of Raqqa is witnessing a devastating lack of civilian involvement in the region’s affairs.“ Die Bewohner berichten außerdem über unrechtmäßige Beschlagnahmungen von Besitz durch JAN von Bewohner_innen, die aus Raqqa geflüchtet sind.

Aus einer anderen JAN-kontrollierten Stadt berichtet Ghaith Abdul-Ahad für The Guardian über den „Emir des Gases“ im Osten Syriens und wie dieser durch die Organisation der Stadt erfolgreich meistert und ein „Neues syrisches Islamisches Kalifat“ aufbaut. Der al-Qaeda affiliierte Kommandeur ist verantwortlich für die Öl-Firma in Shadid. Er erklärt, wie JAN die konkurrierenden Stämme in Schacht hielte und für die humanitäre Versorgung der Stadt sorgt. Das Geheimnis der guten Organisation sei, dass alle „Beute“ in das sogenannte islamische „Schatzhaus“ kommt und erst von dort aus an die verschiedenen Kampffronten verteilt wird. Andere Gruppen seien deswegen auch weniger erfolgreich: statt ihren Besitz zentral zu verwalten, werde dieser lokal verteilt. Werden die USA zu Sahwa, einer aus dem Irak bewährten Strategie greifen, und Stammesführer oder die FSA bezahlen, gegen die Jihadis zu kämpfen? Der „Emir des Gases“ hält das für ausgemacht: „After Bashar falls, I see the FSA battalions dividing into three parts. Some will go home to their previous lives, some will join us in establishing the rule of sharia, and a third part will become a sahwa and turn and fight us.”

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