Gerade eben ist der Vorsitzende der Nationalen Koalition der Oppositionskräfte Moaz Al Chatib zurückgegeben. Auf seiner Facebook-Seite erklärt er warum und klagt die Tatenlosgkeit der Welt an. Erst vergangene Woche hatte die Nationale Koalition Ghassan Hitto zum Übergangspremierminister gewählt und hatte damit einen wichtigen Schritt vollzogen, aus dem Oppositionsbündnis eine Übergangsregierung zu machen.
Der Blog Maysaloon analysiert die Wahl. Obwohl Hitto Islamist ist, wertet Maysaloon die Wahl als positives Zeichen. Hitto sei noch relativ unbekannt in der Oppositionsszene, habe sich jedoch vom Graswurzellevel nach oben gearbeitet und scheint für alle Strömungen in der Opposition ein Kompromiss zu sein. Hitto müsse zeigen, dass er nicht nur einfach ein Kandidat der Muslimbrüder sei, dies schließe etwa ein, dass er einen milderen Kurs gegenüber Regimemitgliedern zeigt, die bereit sind, zu verhandeln bzw. rehabilitiert werden wollen. Als größte Herausforderung sieht Maysaloon die Aufgabe, eine Übergangsverwaltung in den befreiten Gebieten zu schaffen. Dies schließt ein, dass die Übergangsregierung in Syrien selber arbeiten muss, und damit ein unmittelbares Ziel für das jetzige Regime wird. Damit einher ginge, dass die Syrer vor Ort, versorgt werden, aber auch, dass Hitto für Stabilität, Eindämmen von Gesetzeslosigkeit und Extremismus sorgen muss. Außerdem müsse die Übergangsregierung für internationale Glaubwürdigkeit sorgen. Dies geschehe vor allem durch Transparenz und dem Eindämmen von Korruption und im zweiten Schritt durch das Gründen eines Komitees für Menschenrechte und demokratische Prinzipien. Maysaloon schlägt zudem vor, dass Hitto zulassen sollte, dass die Lokalen Basiskomitees in ihren Städten und Dörfern, eigene Wahlen abhalten und sich selber regieren sollten. All dies könne die Übergangsregierung aber nicht alleine tun, sondern bräuchte dafür die Hilfe von der internationalen Gemeinschaft.
Karlo Sharro beleuchtet auf Syria Deeply den Aspekt des Klassenkonflikts, der die syrische Revolution stark prägt. Hinter der Bezeichnung der syrischen Flüchtlinge als „menschliche Flut“ seitens der Nachbarländer Syriens, vermutet er mehr als nur Fremdenfeindlichkeit. Wenn die Flüchtlinge in den arabischen Medien als „Söldnerheer vom Land, das rekrutiert wurde, um gegen ihr Land zu kämpfen“ bezeichnet werden, dann spiegele das die traditionelle Aversion in der Levante der „Stadt“ gegenüber dem „Land“ wieder. Syrische Bauern haben schon immer dafür kämpfen müssen, sich ihren Weg in das nationale Bewusstsein und politische Leben zu bahnen. Besonders deutlich werde dies bei der hohen Präsenz von ländlichen Rebellen in der Stadt Aleppo. Der syrische Filmemacher Omar Amiralay hatte sich schon 2003 in seinem Film „A Flood in Baath Country“ mit dem Thema auseinandergesetzt. Das Misstrauen der syrischen und arabischen Elite gegenüber dem ländlichen Hinterland hält Sharro für eine Gefahr: „In depicting this conflict as an uncontrolled human eruption, the real causes and motivations are being swept away. Without acknowledging those causes there can be no possibility of even conceiving of a resolution.”
Während das Wall Street Journal berichtet, die CIA wolle Rebellen durch die Versorgung mit Informationen „effektiver“ machen, äußert Obama auf seiner Nahost-Reise Bedenken, Syrien könne sich zu „einer Enklave für Extremismus“ entwickeln.
Line Zouhour geht in Jadaliyya den „Auf“ und „Abs“ der friedlichen Bewegung in der syrischen Revolution nach. Wenn es zutrifft, dass einige Aktionen wie der „Streik der Würde“ keine kritische Masse erreicht haben, so ignoriere die mediale Berichterstattung jedoch, dass andere Aktionen sehr erfolgreich seien, wie etwa das durchgehende Erscheinen von Revolutionszeitungen wie das Oxygen Magazin oder die Zeitung der Lokalen Basiskomitees. Über die Dynamik der Benutzung von Gewalt ist man sich noch uneinig. Einige Analysten glauben, dass die starke Repression seitens des Regimes, eine friedliche Bewegung unmöglich gemacht habe.
Andere, wie Martin Shaw, sehen die Unterstützung von außen als Motor der Bewaffnung revolutionärer Kräfte. Trotz Gewalt werden weiterhin Initiativen ins Leben gerufen, die die Friedlichkeit und Menschlichkeit der Revolution wiederbeleben wollen. Ein Beispiel ist etwa Syria First, welches eher „eine ethische als eine politische Alternative zu Assad“ darstellen möchte. Die Aktivisten setzen sich zum Ziel, Syrer wieder an das, was sie als Grundwerte der Revolution verstehen, zu erinnern: „In unserer Revolution geht es um Würde“. Gleichzeitig schreckt Syria First nicht davor zurück, die Opposition scharf zu kritisieren. Neben dem Verteilen von Flugblättern, konzentriert sich ein Großteil ihrer Arbeit auf Nothilfe, was ihnen auch Unterstützung in der Bevölkerung sichere. Die friedliche Bewegung in Syrien müsse sich dennoch den Vorwurf anhören, von der Realität losgelöst zu sein, tatsächlich aber durchläuft die Bewegung derzeit fundamentale Veränderungen: „Ihr Ziel hat sich entwickelt vom Sturz des Regimes durch friedliche Mittel hin zur Überwachung der Revolution und dem Definieren des Weges, den sie nehmen sollte. Durch das Verurteilen der Menschenrechtsverletzungen, die sowohl vom Regime als auch von den Rebellen verübt werden, halten die friedlichen Aktivisten die Revolution rein.“ Es geht eben auch darum, eine Zivilgesellschaft aufzubauen, denn „es ist wichtiger für uns, den Verstand zu befreien, als Land zu befreien“, so ein Aktivist. Es sei auch wichtig, sich vor Augen zu halten, dass trotz allem, die Mehrheit, die Asad in Opposition gegenüberstehen, dies friedlich getan haben und weiterhin tun.
Beispielhaft in solchen friedlichen Aktionen ist die Initiative Jafra aus dem Viertel Yarmuk in Damaskus. Sie geben transparent auf ihrer Facebook Seite mit Bildern und Erklärungen Auskunft über ihre Aktionen, wie etwa die psychosoziale Unterstützung von Kindern in Damaskus. Unter anderem geben sie auch immer wieder Erste Hilfekurse. Die sind notwendig, gibt es doch einen Mangel an medizinischem Personal. Zum Muttertag pflanzten sie in ihrem Viertel Olivenbäume für verstorbene Kinder und Yasmin-Sträucher für die Verletzen- dies trotz Belagerung des Viertels und regelmäßigen gewaltsamen Zusammenstößen.
Am Donnerstagabend fand ein Selbstmordanschlag in einer Moschee in Damaskus statt. Dabei kam der als Regimeunterstützer bekannte Scheich Ramadan al-Bouti und viele weitere Menschen ums Leben. Bisher habe sich noch niemand zu dem Anschlag bekannt. Seine Signifikanz liegt aber darin, dass es der erste solche Anschlag innerhalb einer Moschee war. Al-Bouti war vor allem seit den 80er Jahren immer näher an das Regime gerückt, bei Ausbruch der Revolution unterstütze er es wortkräftig und warf Demonstranten, die von Moscheen aus Demonstrierten, Missbrauch der Religion vor. Am Anfang diesen Jahres forderte er zudem junge Syrer auf, sich im Namen des Jihad, dem syrischen Militär anzuschließen. Der Großmufti Syrien Sheikh Ahmad Badreddine Hassoun äußerte sich zum Tode al-Boutis mit den Worten: „Das Blut von Scheich al-Bouti wird ein Feuer sein, das die ganze Welt anzündet“. Der Tod al-Boutis wird von einigen als Rückschlag für das Regime gesehen, habe die Allianz mit dem sunnitischen Kleriker doch zur Legitimierung des Regimes beigetragen.
Elie Hajj berichtet in al-Monitor über die wirtschaftlichen Folgen, die der Konflikt in Syrien auf den Libanon hat „Neben anderen Dingen, können die libanesischen Bedanken über die Geschehnisse in Syrien, zurückverfolgt werden zu der Tatsache, dass Syrien die einzige Landbrücke durch welche libanesische Exportprodukte Jordanien, Irak und die Golfstaaten erreichen können.“ Der Weg übers Wasser ist sehr kostenintensiv und gerade für landwirtschaftliche Produkte ungeeignet. Auch der Tourismus ist negativ beeinflusst. Waren vor dem Konflikt 22% der Touristen Jordanier, so können diese nun nicht mehr so einfach den Libanon erreichen. Die Golf-Staaten hätten ihren Bürgern die Einreise in den Libanon sogar komplett untersagt. Auch wenn Investitionen im Libanon zurückgegangen seien, so bereiteten sich schon viele Investoren auf den Wiederaufbau und die damit verbunden Investitionsmöglichkeiten in Syrien vor.
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