Koordinierungsstelle für zivile Angelegenheiten in Douma

Douma, Syrien – Die allgemeine Koordinierungsstelle für zivile Angelegenheiten in Douma & Umgebung wurde im März 2011 von sieben jungen Männern gegründet, als die Proteste gegen das Regime von Bashar al-Assad begannen. Sie brachten Packungen mit Gazewatte, Baumwolle und Cola mit zu Demonstrationen, um den Effekt von Tränengas abzumildern. Keines der Gründungsmitglieder, von denen im […]

Douma, Syrien – Die allgemeine Koordinierungsstelle für zivile Angelegenheiten in Douma & Umgebung wurde im März 2011 von sieben jungen Männern gegründet, als die Proteste gegen das Regime von Bashar al-Assad begannen. Sie brachten Packungen mit Gazewatte, Baumwolle und Cola mit zu Demonstrationen, um den Effekt von Tränengas abzumildern. Keines der Gründungsmitglieder, von denen im Laufe des Konflikts drei getötet wurden, hatte Erfahrungen mit medizinischer Notfallversorgung. Doch sie wählten diese wichtige Aufgabe, um ihren Beitrag zur Revolution zu leisten. Als sich in den Folgemonaten die Bombardierungen & Massaker häuften, verstärkte das Team seine Arbeit erheblich.

Aufgrund des steigenden Hilfsbedarfs etablierte sich schließlich das heute bestehende Corps für zivile Belange, in dem ca. 100 AktivistInnen tätig sind und das seinen Sitz in einem ehemaligen Regierungsgebäude Doumas hat. Die Organisation agiert unabhängig von der bewaffneten Opposition – und macht daher bei der Behandlung der Verletzten keine Unterschiede zwischen Zivilisten und Kämpfern.

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Ein Schild im Hauptquartier der allgemeinen Koordinierungsstelle besagt: „Waffen sind hier nicht gestattet“

Douma wird fast vollständig von der Opposition kontrolliert. Das Regime bombardiert die Stadt daher täglich aus der Luft und vom Boden aus. Bei den Bombardierungen wird keinesfalls zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden; 90 Prozent der Opfer sind Zivilisten. Kämpfer der Opposition werden zumeist an der Front außerhalb der Stadt getötet – und damit gerade nicht innerhalb Doumas, das stets von Militärflugzeugen überflogen wird. Ein Großteil der Bewohner Doumas hatte seit 2011 die Stadt verlassen; allerdings kehrten einige Anwohner zurück, nachdem das Regime Douma verlassen und die Opposition die Stadt übernommen hatte. Aktuell leben ca. 250.000 Menschen in Douma, vor der Revolution waren es 700.000. Dienstleistungen sind in Douma allerdings schon lange zum Erliegen gekommen. Strom wie Internet sind seit 8 Monaten nicht vorhanden. Lediglich einige AktivistInnen verfügen über Satelliteninternet.

Das Zelt der Toten

Eine provisorische Leichenhalle befindet sich auch auf dem Hof des Hauptquartiers in Douma. Ein Eiswagen wurde umfunktioniert, um die Toten vor der Beerdigung im Schutz der Kälte aufzubewahren. Gerade im heißen Sommer ist dies wichtig. Neben dem Kühlwagen wurde ein Zelt aufgebaut, in dem die Leichname für die Bestattung vorbereitet werden. Um Mohammed ist hier für die weiblichen, Abu Yassin für die männlichen Toten zuständig. Sorgfältig führen sie Buch über die Toten und alle wichtigen Angaben. Die beiden Mitarbeiter sind jedoch auch dafür zuständig, dass die Toten in Würde bestattet werden und die Angehörigen Abschied nehmen können.

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Der zur Leichenhalle umfunktionierte Eiswagen

Abu Yassin, ein Mann in den Vierzigern, war im früheren Leben Koch. Er gehört zu den Gründern des Corps für zivile Belange. Abu Yassin überwacht die letzten Augenblicke vor der Bestattung und begleitet auch die Angehörigen bei ihren Abschiedsworten an die Toten. Freunde sagen, Abu Yassin müsse angesichts der schmerzlichen Abschiede oft weinen. Dann umarme er denjenigen neben sich und verarbeite die Wut und den Kummer der Familien. Durchschnittlich werden jeden Tag zwei bis vier Bestattungen im Zelt vorbereitet.

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Im Inneren des Zeltes der Toten

Trotz all der Trauer setzt sich auch hier – wie überall in der Stadt – das Leben im Angesicht des Todes durch. Abu Yassin hat neben dem Kühlwagen ein Beet für Petersilie, Zwiebeln und weiteres Gemüse angelegt; damit wird die Küche des Corps für zivile Belange versorgt. Die Küche ernährt jedoch nicht nur die Freiwilligen der Initiative, sondern gegen einen kleinen Betrag auch einige lokale Kämpfer. Mit diesen Einnahmen kann das Corps seine Arbeit finanziell unterstützen.

Als ich in Douma ankam, war gerade Gas zum Kochen verfügbar (Anm.: Dieses ist in Syrien sehr teuer und schwer erhältlich geworden) – daher wurde mir unter Aufsicht von Abu Yassin ein besonderes Frühstück zubereitet. Abu Yassin verleiht der Atmosphäre einen Sinn von Kameradschaft und Heiterkeit. Viele AktivistInnen stießen zum Frühstück hinzu. Die meisten der Freiwilligen sind ArbeiterInnen und haben vor der Revolution in verschiedensten Berufen Erfahrungen gesammelt. Die AktivistInnen sind allesamt junge Erwachsene bis in die Dreißiger. Die Atmosphäre ist von Herzlichkeit und Offenheit geprägt.

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Abu Yassin und seine Kollegen bereiten das Frühstück vor

Notfallversorgung

Als mir das Gebäude gezeigt wurde, kam über die Lautsprecher der örtlichen Moscheen ein Aufruf zum Blutspenden für einen Verletzten. Binnen Minuten erschien ca. ein Dutzend Personen, darunter auch drei Frauen, um Blut dieser bestimmten Blutgruppe zu spenden. Das Corps für zivile Belange verfügt auch über eine Blutbank.

Die Ärzte des städtischen medizinischen Zentrums sind mit dieser Blutbank trotzdem unzufrieden, denn es fehlt an qualifiziertem Personal, das die Arbeit beaufsichtigt. (Anm.: Während der örtlichen Freitagsproteste gab es bereits Forderungen an Ärzte, nach Douma zurückzukehren.) Die AktivistInnen sagen jedoch, dass die gesamten Blutreserven an das medizinische Büro gesendet werden, wo sie vor dem Einsatz getestet werden.

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Blutspender in Douma

Zusätzlich ist auch eine Apotheke vorhanden, in der Medikamente von aufgegebenen Apotheken der Stadt gesammelt und verteilt werden. Alle Medikamente werden in der Herkunft registriert, um gegebenenfalls die früheren Eigentümer zu entschädigen. Die restlichen Medikamente sind Spenden. Ein Raum für die Versorgung der medizinischen Notfälle ist ebenso vorhanden wie das Krankenzimmer, in dem die Patienten nach der Erstversorgung weiterhin betreut werden. Zum Corps für zivile Belange gehört auch ein Team von Freiwilligen, das sich um die medizinische Nachsorge und Versorgung außerhalb der Räumlichkeiten des Hauptquartiers kümmert.

Im medizinischen Büro ist nur ein ausgebildeter Arzt vorhanden; die anderen im Team – Männer wie Frauen – sind Krankenpfleger und Freiwillige, die entweder durch lokale Trainingskurse oder durch stete Übung seit Beginn der Revolution in Notfallversorgung ausgebildet wurden. Andere Freiwillige arbeiten in der Administration. Es gibt sogar einen speziellen Raum, in dem Feuerlöscher verschiedenster Größe hergestellt werden.

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In dieser Werkstatt werden Feuerlöscher hergestellt. An den Wänden sind die Namen von Toten festgehalten

Abu Salma, erst 26 Jahre alt, arbeitete vor der Revolution in einer Tischlerei. Er ist nur selten am Schreibtisch zu finden – Abu Salma bevorzugt es, seinem Team bei der medizinischen Notfallversorgung außerhalb des Büros zu helfen. Auch Abu Salma ist einer der Gründer des Corps für zivile Belange.

Laut Abu Salma finanziert sich das Corps hauptsächlich aus Spenden von Familien und Freunden. Diese Finanzierung reicht natürlich nicht für große Sprünge; trotzdem ist Abu Salma besonders stolz, dass die Organisation unabhängig ist von militärischen und politischen Gruppen. Entgegen der Versicherungen von Abu Salma berichteten einige von internen Auseinandersetzungen und dem Druck externer Gruppen auf die Arbeit des Corps für zivile Belange. Druck werde sowohl von zivilen als auch militärischen Kräften ausgeübt.

Reaktionen

Einige der Anwohner Doumas, mit denen ich mich unterhielt, führten den Mangel an Fachkräften innerhalb des Corps an. Schließlich arbeiten dort hauptsächlich Freiwillige, die während der vielfältigen anfallenden Aufgaben ihre Erfahrungen sammeln. Zudem passten einige Aktivitäten nicht zum Konzept der zivilen Arbeit.

Andererseits glauben manche, dass solch ein Zusammenschluss motivierter junger AktivistInnen in einer Graswurzelbewegung selbst bereits eine großartige Sache ist. Die Freiwilligen stecken viel Arbeit und Energie in diese Organisation und die humanitäre Arbeit. Zwar sei der Mangel an Spezialisten ein Problem, jedoch gebe es für die Freiwilligen ja auch Trainingsangebote. Die Freiwilligen sollten unterstützt und ermuntert werden, ihre Fähigkeiten in den verschiedenen Bereichen auszubauen.

Als wir gerade das Hauptquartier verließen, zirkelte für ein paar Momente ein Militärflugzeug über unseren Köpfen. Es entschließ sich jedoch, seine Fracht über einem anderen Stadtviertel abzuwerfen. Die jungen Freiwilligen um uns herum schwärmten sofort aus, um die Verletzten zu evakuieren – und den ersten Toten des Tages zu bergen.

Der Bericht ist eine Übersetzung aus dem Englischen. Der Originalbericht erschien am 13. Juni 2013 bei Damascus Bureau als Auftakt einer Serie über lokale Organisationen im Raum Damaskus. Die Menschenrechtsaktivistin Razan Zeitouneh, Mitbegründerin der Lokalen Koordinationskomitees (LCC), stellt verschiedene lokale Initiativen aus der Zivilgesellschaft vor. Die Stadt Douma liegt nordöstlich von Damaskus und gehört zu den bedeutendsten und größten Vorstädten der Hauptstadt. Alle Bilder des Artikels stammen von Razan Zeitouneh.

RevolutionspatInnen unterstützten in den letzten Monaten auch die zivile Arbeit in Douma. Werden auch Sie RevolutionspatIn!

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