Drei Realitäten in Syrien, Waffenhandel aus syrischer Sicht, Lebenswelt von JihadistInnen in Aleppo, Eiscrem mit JAN- Netzschau vom 27. Juli

„Syrien bricht allmählich in drei Teile“ ist das Fazit in The Economist. Ziad, Ammar und Zakaria seien alle drei Syrer. Nach 29 Monaten Bürgerkrieg sähen ihre Heimatstädte jedoch eher so aus, als gehörten sie zu drei verschiedenen Ländern. Ziad ist aus Tartus, einer vom Regime kontrollierten Küstenstadt. Ammar kommt aus der östlichen Provinz, welche von […]

„Syrien bricht allmählich in drei Teile“ ist das Fazit in The Economist. Ziad, Ammar und Zakaria seien alle drei Syrer. Nach 29 Monaten Bürgerkrieg sähen ihre Heimatstädte jedoch eher so aus, als gehörten sie zu drei verschiedenen Ländern. Ziad ist aus Tartus, einer vom Regime kontrollierten Küstenstadt. Ammar kommt aus der östlichen Provinz, welche von RebellInnen kontrolliert ist. In Zakaria Geburtsort, welcher im Nordosten des Landes liegt, lernen Schulkinder inzwischen Kurdisch, unter dem Regime war das undenkbar gewesen. Syrien als ein Land habe aufgehört, zu existieren: Different parts of it apply different legal systems, ranging from old national laws to sharia or no law at all. Economies are localised and reliant on new business linked to the war. Different flags fly over administrative buildings—where they still exist.”

Scott Stewart berichtet in Stratfor- Global Intelligence über das Wesen des Waffenmarkts durch die „syrische Linse“ gesehen. Zunächst müsse man verstehen, dass Waffen ein beständiges Gut sind. Oft seien die Waffen, die ein/e KämpferIn in Afghanistan oder eben in Syrien in der Hand hält, vor seiner/ihrer Geburt hergestellt worden. Munition hingegen sei weniger beständig. Hinzu käme, dass eine Waffe nur dann funktionstüchtig sei, solange die passende Munition für sie hergestellt werde. Dass Waffen so leicht in Konfliktgebiete gelangen liege nicht nur an dieser Beständigkeit, sondern auch an ihrer Handelbarkeit: Waffen lassen sich leicht zu Geld machen. In Syrien kämen verschiedene Formen von Waffenhandel zusammen: die Waffenlieferungen aus Russland seien legal nach internationalem Recht, aus dem Iran hingegen illegal. Die ökonomischen Kräfte, so Stewart werden dafür sorgen, dass diese Waffen nach einer Befriedung des bewaffneten Konflikts in Syrien wieder in anderen Länder der Welt genutzt werden: “As one steps back and looks at the big picture, it becomes clear that as these diverse channels move instruments of war into Syria, their individual themes are being woven together to orchestrate a terrible symphony of death. It may be years before the symphony is over in Syria, but rest assured that shortly after its final crescendo, economic forces will work to ensure that the durable and fungible weapons from this theater of war begin to make their way to the next global hotspot.”

Der britische Fernsehsender Channel 4 berichtet in zwei Reportagen (hier und hier) über ausländische Jihadi-KämpferInnen in Syrien. Das Video-Material stammt von einem der Kämpfer selbst, der damit das Bild von Jihadi-KämpferInnen verkomplizieren wollte. Der besondere Fokus der zweiten Reportage liegt auf britischen Frauen (überwiegend Konvertitinnen), die nach Syrien gehen, um einen solchen Kämpfer zu ehelichen und ihn somit in seinem Kampf zu unterstützen. Viele dieser Frauen stammen aus guten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen. Das Video-Material gibt den Eindruck von einer –wenn auch kleinen- Parallelgesellschaft. Sie haben die Häuser von geflüchteten Familien (außerhalb von Aleppo) besetzt. Bewaffnet und in Jeeps fahren die Frauen Lebensmittel einkaufen. Sie sprechen kein Arabisch und durchmischen sich auch sonst nicht mit der lokalen Bevölkerung.

Über ein Familienfest mit Eiskrem welche von Jabhat al Nusra (JAN) in einer Nachbarschaft von Aleppo veranstaltet und auf Video festgehalten wurde, berichtet The Washington Post. Nach der Ermordung eines 14-Jährigen wegen angeblich nicht-islamischen Verhaltens, versuche JAN so die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen. Auf dem Unterhaltungsprogramm stand u.a.: ein Wettbewerb im Eiskremessen für Jungs und ein Koranrezitationswettbewerb für Mädchen.

Zur Flüchtlingskrise hat The Guardian einige erschreckende Vergleiche angestellt: jeder sechste im Libanon sei ein syrischer Flüchtlinge und das größte Flüchtlingslager in Jordanien, ist inzwischen die viertgrößte Stadt des Landes.

Nach der starken Bombardierung des Vororts/Stadtteils Yarmuks in Damaskus letzte Woche, zeigt die AktivistInnen-Gruppe Jafra einige Bilder der Zerstörung. Die Gewalt fällt in den Kontext der monatelangen Belagerung des Stadtteils durch das Regime. An einigen Tagen sind die „Grenzübergänge“, wie die Checkpoints von den BewohnerInnen teilweise genannt werden, komplett geschlossen. Jafra postet immer wieder Bilder von den Putzaktionen im Viertel. Dies ist nicht nur relevant, um der Ausbreitung von Krankheiten vorzubeugen, es gibt den BewohnerInnen auch das Gefühl, das alternative Organisation ohne das Regime möglich ist. Die Gruppe versucht auch Gebäude, die von vielen BewohnerInnen als öffentliche Orte genutzt werden, jedoch durch Bombardierung Schaden genommen haben, wieder aufzubauen. Vor einigen Tagen wurden auch Anweisungen gepostet, wie man sich zu verhalten hat, wenn eine Person sich selbst in Brand setzt. Dies lässt darauf schließen, dass es in dem Viertel in Vergangenheit mehrmals zu solchen Fällen gekommen sein muss. Jafra kann man von deutscher Seite durch medico international unterstützen.

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