Massaker in Jdaidet al-Fadl, Eskalation an syrisch-libanesischer Grenze, EU beendet Ölembargo gegenüber Rebellen – Netzschau 24. April

Aufräumen ist eine wichtige Tätigkeit der AktivistInnen geworden. Die Gruppe Nabd (Puls) verlinkte kürzlich Bilder einer Aktion, bei der Schulen in Raqqa wieder für den Unterricht hergerichtet wurden. Bilder von den Freitagsdemonstrationen in Syrien wurden von SPIEGEL Online aufgegriffen (englisches Transparent aus Hass & eine Szene aus Bustan al-Qasr/Aleppo). Lens Young Dimashqi hielt am Dienstag […]

Aufräumen ist eine wichtige Tätigkeit der AktivistInnen geworden. Die Gruppe Nabd (Puls) verlinkte kürzlich Bilder einer Aktion, bei der Schulen in Raqqa wieder für den Unterricht hergerichtet wurden. Bilder von den Freitagsdemonstrationen in Syrien wurden von SPIEGEL Online aufgegriffen (englisches Transparent aus Hass & eine Szene aus Bustan al-Qasr/Aleppo). Lens Young Dimashqi hielt am Dienstag eine Demonstration in einem zentralen Damaszener Viertel fest.

19 syrische Zivil- und Oppositionsgruppen haben eine Initiative zur Freilassung politischer Häftlinge gestartet. Die US-Organisation „Fellowship of Reconciliation“ hat ihre Petition aufgegriffen. Signaturen sollen an die syrische Regierung, Präsident Assad sowie die syrische und russische UN-Vertretung geschickt werden. Auf der Seite von „Fellowship of Reconciliation“ kann man sich über Einzelheiten der Kampagne sowie einzelne politische Häftlinge erkundigen. Zu den Initiatoren der Kampagne gehören u.a. die Gruppe Nabd, das Netzwerk der LCCs, Syrian Nonviolence Movement sowie die Union of Free Syrian Students (UFSS).

Am Sonntag meldete das Netzwerk der Lokalen Koordinationskomitees (LCC), dass 566 Todesfälle dokumentiert wurden. Der Großteil der Toten stammt demnach allein aus einem Ort nahe Damaskus (Jdaidet al-Fadl), worüber auch die NYT berichtete. Anwohner und Aktivisten beschreiben eine mehrtägige Kampagne von Armee und Milizen, während die staatliche Nachrichtenagentur von Erfolgen gegen Terroristen berichtet. Jdaidet al-Fadl liegt in einem strategisch wichtigen Gebiet, dass die staatliche Armee seit Monaten zu erobern versucht. Nach einem Rückzug der FSA soll die Armee die Stadt schließlich eingenommen haben. Berichte der Anwohner wecken Erinnerungen an das nur wenige Kilometer entfernte Daraya. Im August 2012 waren dort bei der Erstürmung durch die Armee mehrere Hundert Menschen umgekommen. Das lokale Komitee von Jdaidet al-Fadl schrieb am Wochenende: „The media blackout is contributing to our killing.“

Während Moaz al-Khatib seinen ersten Rücktritt als Vorsitzender der Nationalen Koalition auf Bitten zunächst zurückgenommen hatte, ist er nun endgültig abgetreten, schreibt die FAZ. Im Mai soll ein Nachfolger für Khatib bestimmt werden. Am Mittwoch wurde ein weiteres Bauwerk in Syrien erheblich zerstört: das Minarett der Omajjaden-Moschee in Aleppo stürzte zusammen (SPON). Es stammte aus dem 11. Jahrhundert. Bereits vor Tagen war das Minarett der historischen Omari-Moschee in Daraa eingestürzt.

Israel wirft Syrien mittlerweile den mehrfachen Einsatz von Chemiewaffen gegen Rebellen vor, darunter auch den Einsatz des Kampfstoffes Sarin. Die USA halten sich bislang mit solchen Anschuldigungen zurück, sind jedoch besorgt. Nach einem Vorfall in Aleppo forderte die syrische Regierung eine UN-Untersuchung, verweigert dem zuständigen UN-Team wegen rechtlicher Streitigkeiten allerdings bislang die Einreise. Unabhängige Experten argumentieren laut SZ, dass möglicherweise Chemikalien eingesetzt wurden, die international nicht unter Verbot stehen.

Am Montag hat die EU das Embargo gegen syrisches Öl für die Opposition befristet aufgehoben (SPON). Der Export in die EU ist von dort wieder erlaubt, auch Ausrüstung für lokale Firmen darf geliefert werden. Mit den Öl-Einnahmen soll die Opposition eine wichtige Finanzquelle für Wiederaufbau und Humanitäres erhalten. Der wirtschaftliche Effekt wird laut Experten aber gering ausfallen, die Aufhebung des Embargos stellt vielmehr einen symbolischen Erfolg für die Nationale Koalition dar. Dem syrischen Volk soll vermittelt werden, dass eine Alternative zu Assad entstehe, so Guido Westerwelle. Dass Hilfe von außen in Syrien rar ist, zeigt ein Video der tagesschau. Selbst Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen arbeiten nur illegal im Land. Die Versorgung mit Hilfsgütern über die Türkei auszubauen, wäre für Zivilisten und gerade Kranke und Verletzte mitunter lebenswichtig. Die UN und andere größere Hilfsorganisationen bleiben jedoch ohne nötige Genehmigungen des Regimes in Syrien ausgesperrt.

Am Montag wurden im Norden Syriens zwei Bischöfe entführt, die nach neuen Meldungen noch immer in der Gewalt der Entführer sind (NZZ). Aus Regierungs- und Kirchenkreisen heißt es, dass womöglich eine tschetschenische Jihadistengruppe die Bischöfe entführt hat. Die NZZ geht auch auf die steigende Eskalation im libanesisch-syrischen Grenzgebiet ein. Libanesische Salafisten haben ihre Anhänger zum Jihad in Syrien aufgerufen, um die Sunniten dort zu verteidigen – u.a. gegen die libanesische Hizbollah. Letztere meint, sie müsste die syrischen bzw. z.T. libanesischen Schiiten gegen sunnitisch-syrische Rebellengruppen verteidigen. So vermischen sich der syrische Konflikt und der bestehende libanesische Konfessionalismus immer stärker. In den letzten Tagen kam es zu Beschuss auf ein schiitisch-libanesisches Dorf von syrischer Seite, wie Al-Jazeera berichtet. Es wird davon ausgegangen, dass syrische Rebellen aus Rache und Warnung diese Hisbollah-Hochburg beschießen. Hisbollah soll zusammen mit der syrischen Armee am Kampf um Al-Qusayr beteiligt sein. Diese Ortschaft wird von sunnitischen Rebellen gehalten und liegt nur 20 km vom beschossenen Ort Hermel in Libanon entfernt.


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