EU-Türkei-Deal gescheitert

Die türkische Regierung hat in der vergangenen Woche bereits mehr als 600 syrische Schutzsuchende illegal in ihr Heimatland abgeschoben. Mit den Massendeportationen untergräbt die Türkei erneut den EU-Türkei-Deal. Deutschland und die EU müssen jetzt Konsequenzen ziehen.

Berlin, 25. Juli 2019. Die Türkei zwingt syrische Geflüchtete zur Rückkehr nach Syrien. Bei großangelegten Razzien und Polizeikontrollen – primär in Istanbul – werden derzeit zumeist männliche Syrer*innen willkürlich verhaftet. Mithilfe fingierter Einverständniserklärungen werden die Betroffenen nach Nordsyrien abgeschoben, u.a. in die von Gewalt geprägte nordwestliche Provinz Idlib. Am Grenzübergang Bab al-Sham werden sie sogar an die radikal-islamistischen Milizen von Hai`at Tahrir al-Scham (HTS) ausgeliefert.

Mehr als 600 syrische Geflüchtete sind bereits betroffen, andere Quellen sprechen von mehreren tausenden. Eine unbekannte Anzahl an Menschen wird noch in Abschiebezentren festgehalten. Die türkische Regierung dementiert die Massenabschiebungen ins Kriegsgebiet, aber die Beweislast ist erdrückend: Uns liegen mannigfaltige Aussagen und Aufnahmen betroffener Syrer*innen vor.

Türkei ist kein sicherer Drittstaat

Laut einer offiziellen Erklärung des türkischen Innenministeriums seien die Razzien und Verhaftungen gegen Menschen gerichtet, die in der bevölkerungsreichsten Stadt des Landes ohne Rechtsstatus leben. Die Istanbuler Behörden veröffentlichten am vergangenen Montag eine Stellungnahme, in der sie betont, dass nur Migrant*innen, die illegal eingereist seien, verhaftet und abgeschoben würden.

Diese Äußerung ist problematisch, da sich die Türkei im Zusammenhang mit dem EU-Flüchtlingsabkommen zur Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonventionen verpflichtet hat. Das untersagt Abschiebungen jeglicher Schutzsuchender in ein Kriegsgebiet. Zudem haben bereits im Jahr 2017 mehrere Städte im ganzen Land – darunter Istanbul – die Registrierung neu eingetroffener Syrer eingestellt und sie damit aktiv zu einem Leben in der Illegalität gezwungen.

Die EU ist gefordert

Das Vorgehen der türkischen Regierung ist auch im Kontext des Abkommens zwischen der Europäischen Union (EU) und der Türkei problematisch, das die Einreise von Flüchtlingen über die Türkei in die EU verhindern soll. Illegal in Griechenland eingereiste Flüchtlinge werden zwar in die Türkei zurückgeschickt – die Schutzbedürftigen sollen laut Abkommen aber in der Türkei bleiben können.

Mit den Abschiebungen in das Kriegsgebiet verstößt die Türkei gegen das Abkommen mit der EU. Das können und dürfen die europäischen Staaten nicht hinnehmen. Wenn Schutzsuchende, für deren Versorgung die EU mehrere Milliarden Euro bereitstellt, illegal und ohne Rechtsbeistand in ein Kriegsgebiet abgeschoben werden, ist die EU in der Pflicht. Vertragspartner der Europäischen Union können nur verlässliche Staaten sein, die sich der Wahrung der Menschenrechte und Umsetzung geltenden Rechts nicht nur auf dem Papier verpflichten.

Wir fordern die Bundesregierung dazu auf:

  • Das Vorgehen der türkischen Regierung zu verurteilen und sich für die sofortige Freilassung der zu Unrecht Inhaftierten einzusetzen.
  • Rechtsbeistand für die derzeit noch Inhaftierten sowie für die bereits abgeschobenen Syrer*innen sicherzustellen.
  • Eine unabhängige Überprüfung sowohl der aktuellen Vorgänge als auch der Standards für Geflüchtete in der Türkei einzuleiten.
  • Ihren Einfluss und Druckmittel einzusetzen, um den Schutz der Rechte von Flüchtlingen sicherzustellen.
  • Sichere und legale Fluchtwege für syrische Flüchtlinge nach Europa zu schaffen.