Europa versagt

Als Adopt a Revolution haben wir den Aufstand in Syrien und den sich anschließenden bewaffneten Konflikt von Beginn an eng verfolgt. Seit viereinhalb Jahren bekommen wir aus erster Hand mit, wie friedliche AktivistInnen verfolgt werden, wie die Armee ganze als ‘aufständisch’ wahrgenommene Städte beschießt, belagert und aushungert, wie sich der Staat zurückzieht, um Platz zu […]

Als Adopt a Revolution haben wir den Aufstand in Syrien und den sich anschließenden bewaffneten Konflikt von Beginn an eng verfolgt. Seit viereinhalb Jahren bekommen wir aus erster Hand mit, wie friedliche AktivistInnen verfolgt werden, wie die Armee ganze als ‘aufständisch’ wahrgenommene Städte beschießt, belagert und aushungert, wie sich der Staat zurückzieht, um Platz zu schaffen für die Dschihadisten – um so der Diktatur neue Legitimität zu verschaffen. Täglich hören wir von unseren PartnerInnen von der Not, Verzweiflung und Aussichtslosigkeit, davon dass sie akzeptieren müssen, dass sich niemand auf ihrer Seite für Freiheit und Demokratie einsetzt – und dass auch niemand die Menschen im Land vor einer humanitären Katastrophe oder den wahllosen Angriffen auf zivile Ziele schützt.

Vor diesem Hintergrund ist für uns selbstverständlich, dass die Menschen fliehen – und nicht in der Perspektivlosigkeit der Lager in den Nachbarstaaten verbleiben wollen. Sie sind auf der Suche nach Sicherheit und der Möglichkeit, sich eine Zukunft aufzubauen. Mehr als die Hälfte der SyrerInnen ist auf der Flucht, sieben Millionen, die große Mehrheit, im eigenen Land. Aber weil Europa und die Welt darin versagen, eine Perspektive auf ein Ende dieses mörderischen Krieges zu schaffen, fangen die Menschen an, auch weiter weg zu gehen.

Wer kann es ihnen verdenken? Vor 18 Monaten hat der UN-Sicherheitsrat die Aufhebung der Belagerung ganzer Städte gefordert und den Einsatz besonders tödlicher Fassbomben untersagt. Doch passiert ist: Nichts. Niemand hindert die Helikopter der Assad-Armee daran, täglich weiter Fassbomben abzuwerfen. Über 11.000 sind seit ihrem Verbot auf zivile Ziele niedergegangen. Zudem sind weiter mehr als 500.000 Menschen in Syrien abgeschnitten von Lebensmitteln und Medikamenten, ihre Städte und Stadtteile können sie nicht verlassen. Doch weder helfen internationale Organistationen, noch baut jemand ausreichenden Druck auf, dass die Belagerung aufgehoben wird.

Doch nicht nur bei der Lösung des Konflikts in Syrien versagt Europa, sondern auch darin, denjenigen zu helfen, die vor der Katastrophe fliehen. Es gibt keine legalen Wege, nach Europa zu kommen. Wer es nach Europa schafft, kann in vielen Staaten trotzdem keine Perspektive aufbauen – und wo das möglich ist, ist das Asylsystem überfordert. Dass das europäische Migrationsregime zusammenbricht und fast nebenbei die so genannten Dublin-Regelungen außer Kraft gesetzt werden, ist noch ein positiver Nebeneffekt. Aber wir sind entsetzt von der rassistischen und nationalistischen Hetze, die mit Ortsnamen wie Freital, Weissach, Nauen oder Heidenau verbunden sind.

Als Organistation, die darauf setzt, die Menschen vor Ort zu unterstützen, damit sie sich lokal für eine bessere Zukunft in Syrien einsetzen können, wissen wir: Es darf keine Unterscheidung zwischen “guten” und “schlechten” Flüchtlingen geben. Denn wenn Menschen keine andere Perspektive sehen, als sich auf den Weg zu machen, um ihr Glück in einem anderen Land zu suchen, dann hat die Politik bereits versagt – in Subsahara-Afrika, auf dem Balkan, in Syrien.

Wir sind entsetzt angesichts des Rassismus in unserer Gesellschaft. Wir sind angeekelt von Konzepten, die flüchtende Menschen einzig aufgrund ihrer Herkunft in “gute” und “schlechte” Flüchtlinge unterscheiden wollen. Und wir sind zutiefst enttäuscht davon, dass Europa und die Welt noch immer nicht handeln, um Fluchtursachen zu bekämpfen.

Für Syrien können wir sagen: Die Menschen brauchen Sicherheit, um dort bleiben zu können. Damit das möglich wird, unterstützen wir die syrische Zivilgesellschaft. Machen Sie mit!

Jetzt syrische Zivilgesellschaft stärken!