UN-Generalsekretär António Guterres mit Ahmad Al-Sharaa bei der UN-Generalversammlung am 24. September 2025. Bild: Liri Agami/MediaPunch

Al-Sharaa bei UN-Generalversammlung: Fassade statt Frieden

Ein Auftritt Al-Sharaas bei der UN-Generalversammlung in New York macht Syrien nicht stabil. Gerechtigkeit und Reformen sind überfällig.

UN-Generalsekretär António Guterres mit Ahmad Al-Sharaa bei der UN-Generalversammlung am 24. September 2025. Bild: Liri Agami/MediaPunch

Nach fast sechzig Jahren nahm erstmals wieder ein syrischer Staatschef an der UN-Generalversammlung teil. Ahmad al-Sharaa betrat diese Woche das UN-Hauptquartier in New York – ein historischer politischer Moment für Damaskus nach Jahrzehnten der Isolation unter der Assad-Familie. Doch blinde Euphorie wäre fehl am Platz. Wer jetzt von einer „Rückkehr Syriens“ spricht, verkennt, dass das Land erst am Anfang eines langen, unsicheren Weges steht. Ob der politische Aufbruch trägt, entscheidet sich nicht an symbolträchtigen Auftritten in New York, sondern daran, ob endlich Gerechtigkeit für die Opfer geschaffen und echte Reformen eingeleitet werden.

Um diese außenpolitischen Signale zu setzen, traf al-Sharaa während seines fünftägigen Aufenthalts zahlreiche arabische und westliche Politiker*innen und sprach beim Concordia Annual Summit, eine internationale Konferenz zu globalen Herausforderungen, sogar mit David Petraeus. Der ehemalige CIA-Direktor und US-Regionalkommandeur im Irak war einst al-Sharaas Erzfeind. 

Hinter seinem Auftritt standen handfeste außenpolitische Ziele: Wiedereingliederung Syriens in die internationale Diplomatie, Aufhebung von Sanktionen und die internationale Anerkennung seiner Übergangsregierung. Doch das Bild nach außen kaschiert die innere Realität nicht.

Glanz in New York, Krise in Syrien

Denn während die UN al-Sharaa mit offenen Armen empfing, wächst im eigenen Land der Unmut. Arbeitslosigkeit, Armut, das Fehlen einer effektiven Übergangsjustiz und eine fragile Sicherheitslage belasten die Bevölkerung. Gesellschaftliche Fragmentierung und konfessionelle Spannungen führten in den vergangenen Monaten zu tödlicher Gewalt. Al-Sharaa verweist auf das Erbe des Assad-Regimes, doch die Übergangsregierung trägt selbst Verantwortung für die Vertiefung der Gräben, die das neue Syrien prägen.

In seiner Rede bei der UN-Generalversammlung gestand al-Sharaa zwar Fehler ein. Doch solche Lippenbekenntnisse reichen nicht und bleiben wirkungslos, solange ihnen keine Taten folgen. Morde, willkürliche Inhaftierungen, Entführungen und sexualisierte Gewalt gegen Frauen sind Alltag, besonders an der Küste sowie in Homs und Hama. Viele dieser Verbrechen sind systematisch und konfessionell motiviert. Ohne Bestrafung der Täter und funktionierende Übergangsjustiz bleibt Stabilität eine Illusion.

Insbesondere die Menschen in Suweida haben das Vertrauen in die Übergangsregierung längst verloren. Al-Sharaa und seine Anhänger gelten dort als Bedrohung, die gebannt werden muss. Die geduldete Kultur der Gewalt ist fatal. Syrien kann nicht auf anhaltenden Übergriffen, Straffreiheit und Verleugnung wiederaufgebaut werden. Gerechtigkeit ist keine Kür, sie ist Voraussetzung für Frieden.

Frieden in Syrien erfordert, dass die Übergangsbehörden die anhaltende Gewalt unterbinden, vergangenes Unrecht aufarbeiten, als auch die Anliegen der vielen Gemeinschaften ernst nehmen. Außenpolitische Anerkennung kann fehlende Legitimität im Inland nicht ersetzen. Syrien braucht konkrete Schritte der Übergangsregierung, statt rhetorischer Imagepflege.