Genf II: Die BRD als Mittler? Teilnahme der Opposition und Irans? – Presseschau vom 18. Januar

In einem Gastbeitrag auf Al-Sharq appelliert Ilyas Saliba an die deutsche Regierung, ihrer internationalen Verantwortung gerecht zu werden und im Zuge der zweiten Syrien-Konferenz in Genf aktiv für eine friedliche Beilegung des syrischen Bürgerkrieges einzutreten. Deutschland genießt unter den Russen und Chinesen hohes Ansehen als neutraler Akteur, was sich zuletzt bei der umstrittenen Enthaltung zur […]

In einem Gastbeitrag auf Al-Sharq appelliert Ilyas Saliba an die deutsche Regierung, ihrer internationalen Verantwortung gerecht zu werden und im Zuge der zweiten Syrien-Konferenz in Genf aktiv für eine friedliche Beilegung des syrischen Bürgerkrieges einzutreten. Deutschland genießt unter den Russen und Chinesen hohes Ansehen als neutraler Akteur, was sich zuletzt bei der umstrittenen Enthaltung zur Libyen-Resolution zeigte. Auch Assad hat in einem SPIEGEL-Interview vom Oktober 2013 die Bundesregierung als Vermittler ins Gespräch gebracht, was der damalige Außenminister Westerwelle allerdings entschlossen ablehnte. Deutschland ist eng an Großbritannien, Frankreich und die USA gebunden und unterhält darüber hinaus auch gute Beziehungen zu der Golfregion und der Türkei. Die deutsche Bevölkerung zeichnet sich durch eine nicht-militärische Grundhaltung aus, weshalb der neue Außenminister Frank-Walter Steinmeier ohne wahltaktische Überlegungen agieren kann. Die Regierung ist folglich in einer guten Position für eine glaubwürdige Mittlerrolle zwischen den internationalen und nationalen Akteuren. Ziel müsse hierbei sein, dass die relevanten Akteure ohne Vorbedingungen in Genf über realistische Auswege aus dem Bürgerkrieg sprechen und einen umgehenden Waffenstillstand anstreben. Vor allem die diplomatische Vorarbeit ist entscheidend für einen möglichen Erfolg. Die Erwartungen aller Beteiligten können so durch Vorgespräche und kleine Runden realistisch eingeschätzt werden. Die weiteren Schritte sehen die Bildung einer möglichen Übergangsregierung mit humanitären Anstrengungen vor. Die internationale Weltgemeinschaft müsse parallel hierzu durch Entwaffnungsinitiativen eine nachhaltige Entmilitarisierung des Konfliktes anvisieren.

Jawad al-Ali beschreibt für ARA News die Folgen der seit über einem Jahr andauernden Belagerung von Yarmouk. In dem Damaszener Vorort leben mehrheitlich palästinensische Flüchtlinge. Das Gebiet ist vollständig abgeriegelt, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Grundbedürfnissen von außen ist zusammengebrochen. Mindestens 60 Zivilisten sind in den letzten Wochen durch den Hunger gestorben. Viele Bewohner sind mittlerweile gezwungen, das Fleisch von Hunden und Katzen zu verzehren. Palästinensische Offizielle versuchen seit Längerem, das syrische Regime zu überzeugen, humanitären Organisationen den Eintritt zu erlauben, um dringend benötigte Hilfen zuzulassen.

Lina Al-Hakim erläutert auf Damascus Bureau die Lage in der Stadt Aleppo während des kalten Winters und dem anhaltenden Treibstoffmangel. Der Schneesturm, welcher im Dezember durch den Nahen Osten fegte, hat die tragische Situation der Menschen vielerorts verschlimmert. In Aleppo wird es aufgrund stetiger Preiserhöhungen sowie des anhaltenden Konflikts immer schwieriger, die Grundbedürfnisse abzudecken. Der Preis für 1 Kilogramm Holz, im letzten Winter noch bei 20 syrischen Lira, stieg auf 60 syrische Lira (40 US-Cents) an.  Eine Familie benötigt durchschnittlich eine Tonne Holz für den Winter, weshalb viele zusätzlich Diesel als Energiequelle benutzen. Gebäude, die von der Regierung an eine permanente Stromleitung angeschlossen wurden, verfügen dennoch nicht über elektrischen Heizungen, weshalb die Menschen mit Holz, Papier und Plastik gefüllte Fässer verbrennen. Dies bringt schwere gesundheitliche Probleme mit sich. Während einige Familien sich so zumindest ein wenig mit Wärme versorgen können, beten andere lediglich für ein schnelles Ende des Winters, solange sie am Leben sind.

Aron Lund (Carnegie Endowment) geht der Frage nach, ob der Iran an Genf II teilnehmen kann, ohne damit indirekt Genf I anzunehmen. Wenn die Friedenskonferenz stattfindet, werden – abgesehen von der syrischen Regierung und der Opposition – Vertreter unterschiedlichster Länder und Organisationen auf der Gästeliste stehen. Nur der Iran fehlt. Dabei gibt es viele Gründe, ihn einzuladen. Der Staat ist tief in den Konflikt involviert und unterstützt das syrische Regime in vielerlei Hinsicht. Frieden wird nicht zwischen den Zuschauern, sondern zwischen den verfeindeten Akteuren ausgehandelt – der Iran ist einer von ihnen. Teheran hat die Absicht bekundet, einem Friedensabkommen nicht im Wege zu stehen. Saudi-Arabien und einige andere Golfstaaten wollen das iranische Regime schwächen, weshalb ein Sitz bei den Friedensgesprächen gegen ihre Strategie wäre. Der Sprecher des US State Departments, Jen Psaki, begründet die fehlende Einladung Irans mit der nötigen Zustimmung zu den Zielen von Genf I. Selbst Assads Regime hat anno 2012 Genf I zugestimmt (SANA), während der Iran jegliche Vorbedingungen für seine Teilnahme ablehnt.

Antoun Issa (Al-Monitor) beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Meinungen der syrischen Opposition zu einer Teilnahme an Genf II. Der syrische Nationalkongress (SNC) hat mit einem Rücktritt aus der Nationalen Koalition (NK) gedroht, sollte die Abstimmung innerhalb der NK zur Genf II-Teilnahme positiv ausfallen. Kritiker sind davon überzeugt, dass Genf II keine Erfolge produzieren werde, sondern vielmehr zur Zeitverschwendung gerate. Hadi al-Bahra, Sekretär des politischen Komitees der Koalition, will in diesem Falle neue Mitglieder benennen. Für ihn ist Genf II eine politische Front, die parallel zur militärischen stattfinde. Ohne einen politischen Horizont werde es keine befriedigende Lösung für den Konflikt geben. Die Koalition werde daher mit detaillierten Plänen für die Zukunft Syriens an den Verhandlungstisch gehen. Dies beinhalte auch eine Liste mit Namen von Regimevertretern, welche für eine mögliche Übergangsregierung in Frage kämen. Saudi-Arabien und Katar haben zwar nur wenig Hoffnung auf einen Erfolg durch Genf II, wollen aber einer Teilnahme der syrischen Opposition nicht im Wege stehen. Die Türkei bekräftigt energisch die Teilnahme der Opposition.

Maria Abi-Habib prangert in einem Artikel für das Wall Street Journal die Zusammenarbeit europäischer Geheimdienste mit dem syrischen Regime an. Bei den Treffen seien Erkundungen über europäische Dschihadisten eingeholt worden, welche in militanten Gruppierungen in Syrien aktiv sind. Die Sicherheitsbehörden fürchten, diese Kämpfer könnten bei ihrer Rückkehr nach Europa zu einer Gefahr anwachsen. Der Informationsaustausch legt nahe, dass der Westen davon ausgeht, Assad in absehbarer Zeit an der Macht zu sehen. Diese Gespräche könnten zu einer breiter angelegten Zusammenarbeit ausgebaut werden. Dabei habe das Assad-Regime Gebiete, die von islamistischen Gruppen kontrolliert werden, stets verschont und Bereiche von anderen Rebellengruppen unerbittlich angegriffen. Diese Strategie Assads diene dazu, den extremistischen Gruppen Vorschub zu leisten und die Opposition insgesamt in Verruf zu bringen. Die FSA ist mit Erfolg in den vergangenen Wochen mit anderen Rebellengruppen gegen die Al-Qaida-Gruppe ISIS vorgegangen. Dies könnte eine Taktik sein, um zu demonstrieren, dass die Opposition ebenfalls als möglicher und fähiger Partner im Kampf gegen al-Qaida in Syrien dienen kann.

Ruth Sherlock (Irish Independent) beschreibt die vorsichtige Zurückhaltung der USA nach dem Angebot Assads, in Aleppo einen Waffenstillstand einzuführen. In einer Reihe von seltenen Zugeständnissen wurde zudem ein Gefangenenaustausch mit Rebellen vorgeschlagen. Walid al-Moualem, der syrische Außenminister, sieht die Waffenruhe als Beispiel für andere Städte an. US-Außenminister Kerry warnte, dass das syrische Regime damit seine Karten bei der anstehenden Friedenskonferenz verbessere. Er stellte fest, dass Genf II die Implementierung von Genf I zu Folge haben werde, egal wie sehr das syrische Regime protestieren werde.

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