Gelb war die Farbe, die von der AktivistInnengruppe „Nashitoun“ gewählt wurde, um dem „letzten erklingenden Ruf der von Hungersnot geplagten und belagerten Bevölkerung von Homs, denjenigen, die ihre Revolution nie verleugnet haben“ eine Stimme zu geben. So begann die Aktion „Gelb bedeckt die belagerten Nachbarschaften von Homs“ am 19. Januar 2014.
An jenem Morgen erwachte Homs zum Anblick überall verteilter gelber Flugblätter: „Gelb bedeckt Homs“, „13 Nachbarschaften seit dem 9. Juni 2012 unter Belagerung“, „250 Familien am Rande des Hungertodes“, „591 Tage Belagerung“, „Der stille Hungertod ist nur ein weiteres Massaker Assads“ und „Der Hungertod ist schmerzvoller als der Tod durch Chemiewaffen“.
Diese Flugblätter wurden von AktivistInnen in den belagerten Nachbarschaften von Homs verteilt, darunter sind die Viertel al-Qarabis, Jouret al-Shayah, Bab Houd, Bustan al-Diwan, Wadi al-Sayeh, al-Hamidiyah, Bab al-Turkman, al-Safsafa, Bab Tadmor, al-Warsheh und Bab al-Dureib. Deponiert in den Trümmern zerstörter Häuser, in den Kanonen verlassener Panzer sowie an Straßenecken und Verkehrsinseln, sind die Flugblätter ein weiterer Versuch, eine Welt wachzurütteln, die ihre Augen vor dem Geschehen in Homs verschlossen hat.
Für die Kampagne wurde die Farbe Gelb ausgewählt, um die „katastrophale Situation in der Stadt nach 20 Monaten Belagerung“ zu verdeutlichen, so einer der AktivistInnen. Die Flugblätter dokumentieren erschreckende Fakten über die Realitäten in Homs: „Mehr als 4.000 Menschen leben seit dem 9. Juni 2012 in 13 Nachbarschaften unter Belagerung; das sind rund 250 Familien. Während der letzten 20 Monate gab es mehr als 1.000 Tote und 1.000 Verletzte, davon 8 Todesfälle allein aus Unterernährung. Zusätzlich gibt es mehr als 300 Kinder, die seit fast zwei Jahren nicht zur Schule gehen können.“
Die Kampagne richtete sich auch mit beträchtlichem Zorn an die Delegationen, die sich in Genf trafen: „Wir werden Euch nicht akzeptieren, solange die Belagerung fortbesteht“, erklärte eines der Banner. Ein weiteres Banner, getragen von einem der teilnehmenden Kinder, besagt: „An diejenigen, die sich in Genf treffen: Wir fordern die gänzliche Aufhebung der Belagerung, nicht nur humanitäre Unterstützung.“
Die Kampagne stieß sicherheitstechnisch auf wenig Bedenken, da sie zum einen in den Gebieten organisiert wurde, die von der Opposition kontrolliert werden, und zum anderen Unterstützung von der lokalen Bevölkerung erfuhr. Nichtsdestotrotz waren die Aktivistnnen durch die Knappheit der verfügbaren Ressourcen, mangelnde Finanzierung sowie nahezu konstanten Stromausfall eingeschränkt.
Die AktivistInnengruppe genoss ein gewisses Maß an Schutz durch die bewaffneten Oppositionsgruppen gegenüber Bedrohungen durch das Regime; betont aber, dass die Interaktion mit organisierten Milizen auf Belange der Sicherheit beschränkt war. AktivistInnen der Gruppe sehen die Kampagne als Teil eines „komplementären und parallelen Pfades zur militärischen Auseinandersetzung, der unter keinen Umständen eine geringere Bedeutung habe, besonders beim gegenwärtigen Stand der Dinge.“
Die Kampagne sagt auch etwas aus über die aktuell schwierigen Zeiten für die Zivilgesellschaft in Syrien. In die Enge getrieben wird es für zivile AktivistInnen immer schwieriger, sich für die revolutionären Ideale der Anfangszeit einzusetzen, sodass sich ihre Kampagnen – der tragischen Situation in vielen Teilen des Landes geschuldet – zunehmend auf rein humanitäre Belange verlagern.
Trotz aller Schwierigkeiten und des abnehmenden Handlungsspielraums für zivilgesellschaftlichen Aktivismus bestätigt die „Gelbe Kampagne in Homs“ die Bedeutung einer solchen Arbeit gerade auch unter schwierigsten Bedingungen. Die AktivistInnen richten sich daher mit nur einer Botschaft an die belagerte Bevölkerung von Homs: „Wenn wir sterben müssen – unter den verschämten Blicken einer sprachlos gewordenen Welt –, dann sterben wir aufrecht stehend.“
Adopt a Revolution arbeitet seit zwei Jahren mit Partnern in Syrien zusammen. Auch in Zeiten der humanitären Not und der doppelten Bedrohung durch Regime und Islamisten bleibt es überaus wichtig, zivilgesellschaftliche Projekte im Land zu unterstützen. Helfen auch Sie den AktivistInnen, bereits kleine Beträge können viel ausmachen!
Zivilgesellschaft unterstützen!
Der obige Text erschien am 10. Februar 2014 auf der Website Syria Untold, unter dem Titel Homs in Yellow: ‘We would rather die on our feet’. Eine Aktivistin von Adopt a Revolution hat den Artikel ins Deutsche übertragen. Sämtliches Bildmaterial des Artikels stammt von der Facebook-Seite der Kampagne.