Kurz erklärt: Die Kämpfe in Damaskus

Heftige Kämpfe erschüttern den Osten von Damaskus. Aufständische Milizen starteten am Sonntag eine Offensive gegen die Positionen des Assad-Regimes. Auch andernorts kommt es zu neuen Offensiven. Was dahinter steckt und warum das alles von Relevanz ist, lesen Sie hier.

Wer ist an der Offensive beteiligt?

Die Offensive in Ost-Damaskus wird auf Seite der Aufständischen vom al-Qaida-nahen radikalislamistischen Bündnis Hai’at Tahrir al-Sham vorangetrieben, dessen wichtigstes Element die al-Nusra-Front (aka Fatah al-Sham) ist. Mit ihnen kooperiert Faylaq al-Rahman, eine eigentlich weniger radikale, aber der Bevölkerung gegenüber extrem repressive Rebellenmiliz sowie die fundamentalistische Ahrar al-Sham. Die größte Islamistenmiliz in den Damazener Vororten, Jaysh al-Islam, hat nach anfänglichen Zögern am Dienstag verkündet die Offensive zu unterstützen – mit Faylaq al-Rahman lieferten sie sich noch im vergangenen Jahr brutale Kämpfe.

Warum haben die Aufständischen die Offensive begonnen?

Die Gründe für die Offensive sind vielfältig. Öffentlich behaupten die involvierten Milizen, dass man die fortlaufende Verletzung der Waffenruhe durch das Assad-Regime nicht mehr tolerieren wolle und reden von dem Angriff als “Verteidigungsmaßnahme”, der Russland dazu bringen solle, das Regime zum Einhalten der Waffenruhe zu drängen.

Die syrische Armee hat in den letzten Monaten zahlreiche Luftangriffe auf die östlichen Damaszener Vororte geflogen. Im Rahmen dieser Angriffe rückte die syrische Armee am Boden vor und dezimierte die von Rebellen gehaltenen Gebiete in den östlichen Vororten (Ost-Ghouta) deutlich. Seit Ende Februar sind zudem die illegalen Tunnel nur noch stark eingeschränkt nutzbar, über die das belagerte Ost-Ghouta sowohl mit Lebensmitteln als auch mit Waffen versorgt wurde. Eine Folge der Regime-Offensive. Diese Tunnel entspringen in Barzeh und Qaboun. Auch letztgenannter Stadtteil war seit Wochen verstärkt Angriffen des Regimes ausgesetzt – trotz eines seit Jahren geltenden lokalen Waffenstillstands. Entsprechend fürchtete man in den östlichen Vororten, dass das Viertel von der Armee überrannt werden könnte, was sie in eine Versorgungskrise gestürzt, und ein der Eroberung Aleppos ähnliches Szenario ermöglicht hätte. Qaboun mit Jobar, dem westlichsten Ausläufer des von ihnen kontrollierten Gebietes, zu verbinden scheint gegenwärtig ein primäres Ziel der Aufständischen (s. Karte).

Dass die Offensive mit einer weiteren in Hama in Zentralsyrien einhergeht deutet auch darauf hin, dass es zu neuen Geldflüssen aus dem Ausland gekommen sein könnte. Außerdem sind die Rebellenmilizen nach dem Verlust Ost-Aleppos sowie der jüngsten Geländegewinne der syrischen Armee, des Irans uns Russland erheblich unter Druck ihre Schlagkräftigkeit unter Beweis zu stellen, um bei etwaigen internationalen Verhandlungen in eine stärkere Position zu gelangen.

Damaskus. Grün: Aufständische. Rot: Assad-Regime und Verbündete. Stand: Mittwochvormittag

Wie ist der Stand der Kämpfe?

Die Lage ist unübersichtlich. Die Rebellenmilizen drangen Anfang der Woche Richtung Qaboun sowie zum zentralen Abbassiyeen Platz vor, konnten jedoch rasch wieder zurückgeschlagen werden. Mittlerweile scheinen sie diverse Punkte zwischen Jobar und Qaboun sowie Richtung Abbassiyeen Platz wieder zurückgewonnen zu haben. Erst die kommenden Tage werde zeigen, wie sich die Fronten vorläufig einpendeln werden.

Was bedeutet das für die Zivilisten?

Allein am Dienstag kam es zu rund 150 Luftangriffen des Assad-Regimes auf Ost-Ghouta, darunter zivile Gebiete. Die Situation ist katastrophal. Ein oppositioneller Aktivist vor Ort gab Adopt a Revolution zynisch zu Protokoll: “Bisher bombardierte man uns einfach so – jetzt gibt es wenigstens einen Grund.” Auch Zivilisten im vom Regime gehaltenen Stadtteilen, die an das Kampfgeschehen grenzen sind bedroht, vor allem durch den willkürlichen Raketenbeschuss der angreifenden Milizen. Regierungsnahe Medien fordern die Bevölkerung auf, die bedrohten Viertel zu verlassen.

Welche Folgen könnten die Auseinandersetzungen haben?

Die Kämpfe zeigen einmal mehr, dass das Assad-Regime deutlich schwächer ist, als es sich selbst inszeniert. Nichtsdestotrotz ist es unwahrscheinlich, dass die Milizen die gewonnenen Gebiete halten können. Vor allem bedroht diese neue Eskalation der seit Monaten währenden Kämpfe in Ost-Ghouta nicht nur die endgültig vor dem Kollaps stehende Waffenruhe, sondern gefährden auch die weiter politischen Verhandlungen in Genf die am morgigen Donnerstag weitergeführt werden sollen.

Ob eine Bibliothek inmitten der Belagerung, ein Fotoprojekt für unabhängige MenschenrechtsaktivistInnen oder Schulen in sicheren Kellerräumen: Derzeit unterstützt Adopt a Revolution sieben zivile Projekte in den aktuell umkämpfen Gebieten. Ermöglichen Sie diese Arbeit mit Ihrer Spende!

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