Wird die Feuerpause eingehalten? Wo geht die Bombardierung weiter? In diesem Blog werden wir in den nächsten Tagen Berichte aus Syrien von unseren Partnern, von JournalistInnen und sicheren Quellen über die Einhaltung der Feuerpause zusammen tragen. Alle Zeitangaben sind in MEZ (Berlin, Paris, Rom)
Freitag, 04.03.2016
17:54 Uhr – 104 Demonstrationen allein heute
Bereits den ganzen Tag über erreichen uns weitere Meldungen über größere und kleinere Demonstrationen u.a. im belagerten Talbiseh, in Homs und Atareb. 104 Demonstrationen soll es – allein heute – bis zum jetzigen Zeitpunkt gegeben haben. Die Stimmung ist ausgelassen, als hätten die Menschen fünf Jahre lang darauf gewartet, wieder auf die Straße gehen zu können.
In Maarat an Numan, einem Nachbarort der Stadt Kafranbel, Idlib, findet eine der größeren Demonstrationen statt. Kafranbel ist bekannt als „Kreatives Zentrum der Revolution„, aus dem regelmäßig Banner und Poster zur aktuellen politischen Lage über das Internet verbreitet werden. „Whoever, wherever you are – you have to believe in our Revolution“, schreibt ein lokaler Aktivist. „It’s five years now, and we are here, still struggling for our freedom and dignity“.
11:10 Uhr – Wir werden dranbleiben
Die Beurteilung der Feuerpause in Syrien geht weit auseinander. AktivistInnen berichten uns auf der einen Seite, dass insbesondere die Gewalt geringer Intensität in vielen Landesteilen deutlich abgenommen hat. In diesen Regionen haben die Menschen eine Ruhepause, sie schöpfen Hoffnung und – auch das ein Effekt der Feuerpause – sie demonstrieren wieder. Auf der anderen Seite gibt es neben vereinzelten kleinen Brüchen der Waffenruhe, die häufig als Provokation an die gegnerische Seite zu werten sind, auch massive Brüche: Selbst Gegenden, in denen keine dschihadistischen Kämpfer von ISIS oder der al-Nusra-Front aktiv sind, werden weiterhin massiv mit Fassbomben und der russischen Luftwaffe angegriffen.
Eine Woche haben wir die Ereignisse eng verfolgt und von beidem berichten können: Genauso von der Hoffnung darauf, dass die bevorstehenden Verhandlungen in Genf Syrien näher an eine Friedenslösung bringen werden, wie von der Enttäuschung, dass insbesondere russische und syrische Luftwaffe weiterhin ohne Folgen insbesondere in den Provinzen Iblib, Aleppo und zwischen Hama und Homs angreifen können. Eine Bewertung durch die internationale Taskforce unter Vorsitz von Russland und USA steht noch aus. Aber offenbar halten die Bündnisse der bewaffneten Opposition die Chancen der Waffenruhe noch für größer, als den Schaden, so dass sie ihn nicht aufgekündigt haben.
Beispielhaft dafür die Lage in Moadamieh, bei Damaskus: „Bei uns wird massiv kritisiert, dass das Regime und Russland in Aleppo und Idlib weiter bombardieren“, berichtet eine Aktivistin. „Es gab auch Proteste in Solidarität mit den betroffenen Orten. Aber die beiden FSA-Einheiten vor Ort sind viel zu sehr der lokalen Bevölkerung verpflichtet, als dass sie deswegen die Waffenruhe aufkündigen würden.“ Die Menschen könnten endlich wieder die Keller verlassen in denen sie hausen und genießen, in der Sonne spazieren zu gehen. Die relative Ruhe vor Ort gehe gerade noch vor, obwohl die Belagerung der Stadt mit rund 45.000 BewohnerInnen durch die spärlichen Hilfslieferungen der letzten Tage lediglich für kurze Zeit gelindert, aber keineswegs aufgehoben sei.
Demonstrationen in Syrien wie 2011: Waffenruhe knüpft an die Revolution an
Ein beeindruckendes Phänomen der Feuerpause ist, dass die Menschen, wo sie diese Meinung äußern können, sofort wieder mit Demonstrationen an die Slogans und Forderungen der Revolution von vor knapp fünf Jahren anzuknüpfen: „Das Volk will den Sturz des Regimes“ wurde wieder auf zahlreichen Demonstrationen gefordert, ein Ruf, der bisher vom Kriegslärm übertönt wurde. Wir beobachten weiterhin, wie es mit der Waffenruhe weitergeht und diesen Liveblog gegebenenfalls fortsetzen. Eine ausführliche Dokumentation von Angriffen finden Sie auch hier.
Auch die AktivistInnen der jungen syrischen Zivilgesellschaft schöpfen neue Kraft. In den letzten Tagen haben uns neue Vorschläge für lokale Projekte erreiche, mit denen AktivistInnen weiterhin für das Recht streiten wollen, in Syrien ein Leben in Freiheit und Würde führen zu können. Das Anhalten der Feuerpause und ein echter Friedensprozess werden dafür die besten Voraussetzungen sein. Aber damit die Projekte realisiert werden können, brauchen die zivilen AktivistInnen unsere Unterstützung.
Ob eine Bibliothek in der belagerten Vorstadt von Damaskus, unabhängiges Medienbüro zur Dokumentation von Menschenrechtsverbrechen oder ziviles Zentrum für den interreligiösen Dialog: Helfen Sie mit und unterstützen Sie lokale Projekte der syrischen Zivilgesellschaft mit Ihrer Spende!
Jetzt spenden für zivile Projekte in Syrien!
Donnerstag, 03.03.2016
19:30 Uhr – Vergleich Waffenstillstand im Oktober 2012
„Keine Waffenruhe, aber es ist zumindest insgesamt etwas ruhiger geworden.“ Das war die Bilanz unseres Tickers zur Waffenruhe – im Oktober 2012! Auch in dieser aktuellen zwischen Russland und den USA ausgehandelten Feuerpause scheint das die Bilanz zu sein: Während landesweit die Gewalt deutlich abgenommen hat, gehen die harten Angriffe durch russische und syrische Luftwaffe stellenweise genauso weiter.
Es ist bedauerlich, wie wenig sich die Entwicklungen in Syrien verändern – oder wenn dann zum negativen. Während 2012 die positive Nachricht war, dass der Angriff mit Artillerie nachgelassen hat, wenn auch die Scharfschützen weiter schossen, so ist mittlerweile die positive Nachricht, dass es nur noch seltene Angriffe mit Artillerie gibt, aber dafür die Luftangriffe in weiten Teilen des Landes nachgelassen haben. Dennoch: Für viele Menschen in Syrien bringt die Waffenruhe bisher eine deutliche Erleichterung des Alltags – wenn auch an anderen Stellen die Gewalt nicht geendet hat.
11:45 Uhr – Moadamieh / Damaskus: Bisher nur ein Verstoß gegen die Waffenruhe
Bisher gab es nur einen Verstoß gegen die Waffenruhe in Moadamieh, einem belagerten Vorort von Damaskus, wie eine Aktivistin heute berichtet: Ein Mitarbeiter der lokalen Zivilverteidigung – Ersthelfer nach Bombenangriffen und bei Bränden – wurde von einem Scharfschützen der Assad-treuen Truppen erschossen. Abgesehen von diesem Zwischenfall genießen viel Menschen die relative Ruhe der Feuerpause: „Die Leute können wieder in der Sonne spazieren gehen, sonst leben sie vor allem im Keller, um nicht bei Granateinschlägen verletzt zu werden.“
Moadamieh ist seit Anfang 2013 fast durchgehende belagert und wegen seiner Nähe zu verschiedenen militärischen Einrichtungen von strategischer Bedeutung. Beim Angriff mit Chemiewaffen im August 2013 wurden hier 63 Menschen getötet, mehrere Opfer leiden noch immer an den Spätfolgen des Giftgas-Einsatzes. In der Stadt leben noch ca. 45.000 Menschen, die in den letzten Tagen zwar mit Hilfslieferungen der UN erreicht wurden, wobei nicht die dringend benötigten Medikamente geliefert wurden, sondern vornehmlich Kleidung und Sanitärbedarf wie Windeln. Die Nahrungsmittellieferungen der letzten Wochen reichen nur noch für rund zwei Wochen aus, so die Aktivistin.
09:25 Uhr – Neue Perspektiven für lokale zivile Projekte
Viele unserer ProjektpartnerInnen in Syrien schöpfen neuen Mut für ihre lokalen Projekte. Die Reduktion der Gewalt ist für viele zunächst eine Pause zum Durchatmen und gleichzeitig die Motivation, mit ihren lokalen Projekten fortzufahren und die zivile Arbeit zu stärken. Ob lokale Bibliothek in der Vorstadt von Damaskus, Zentrum zur Stärkung demokratischer Diskussionen und Aktionen oder unabhängige lokale Zeitung: AktivistInnen nutzen die neu entstandenen Möglichkeiten, um mit Projekten weiter an einer Zukunft ohne Diktatur und Dschihadismus zu arbeiten.
Seit Anfang 2012 arbeitet Adopt a Revolution mit diesen zivilen PartnerInnen zusammen und unterstützt ihre Projekte – auch finanziell. Haben Sie die Möglichkeit, mit Ihrer Spende zur Arbeit dieser Projekte beizutragen? Unterstützen Sie zivilen Aktivismus in Syrien!
Spenden für zivile Projekte in Syrien!
Mittwoch, 02.03.2016
11:02 Uhr – Die Revolution lebt weiter – auch in Darayya
Darayya ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein wenig Waffenruhe landesweit zu zivilen Aktionen geführt hat. Trotz der vorherigen massiven Angriffe auf die Stadt finden friedliche Demonstrationen statt. In Darayya gibt es generell starke zivile Kräfte vor Ort, die durch ihren „Local Council“ eine gewisse Ordnungsmacht gegenüber den bewaffneten Einheiten bilden. Die friedliche Revolution lebt weiter!
Dienstag, 01.03.2016
22:55 Uhr – Zusammenfassung Tag 4
Auch heute mussten wieder deutliche Brüche der Waffenruhe festgestellt werden. Insbesondere in drei Gebieten in Zentral- und Nord-Syrien gingen die Luftangriffe durch syrische und russische Luftwaffe heute weiter. Dennoch ist die Bewertung der Waffenruhe durch viele Beobachter positiv, weil insbesondere die Kämpfe mit geringer Intensität in vielen Gegenden abgenommen haben.
Für viele SyrerInnen – abgesehen von BewohnerInnen der Schwerpunkte der Luftangriffe – ist die Feuerpause dennoch ein erster Schritt: Das öffentliche Leben kann an vielen Stellen wieder im Freien stattfinden. An mehreren Orten nutzten die BewohnerInnen die relative Ruhe, um wieder mit Demonstrationen Ihre Ablehnung des Assad-Regimes auszudrücken. Gleichzeitig sind viele Belagerungen, anders als von UN-Hilfsorganisationen vorgesehen, noch immer nicht durchbrochen worden. Je nach Bewertung der Waffenruhe wächst bei einigen BeobachterInnen auch die Hoffnung auf die Friedensgespräche von Genf, die am kommenden Montag fortgesetzt werden sollen.
17:35 Uhr – Revolution reloaded: Weitere Demonstrationen
Die partielle Sicherheit durch die Waffenruhe nutzen AktivistInnen in Syrien heute auch an anderen Orten, um an die Anfänge der syrischen Revolution vor knapp fünf Jahren anzuschließen. Nicht nur in Dael, sondern zumindest auch noch in Aleppo und Daraya, einem Vorort von Damaskus, gab es heute Demonstrationen. „Wir haben heute endlich wieder die Chance, ‚Nein‘ zu Assad zu sagen“, berichtet der Aktivist Amer.
17:15 Uhr – Angriffe konzentrieren sich in wenigen Gebieten
Nach verschiedenen Berichten aus sozialen Medien konzentrieren sich die Angriffe heute auf wenige Gebiete. Dabei greift offenbar auch die russische Luftwaffe weiter ein. Wie bereits gestern wurde Harbinafsah zwischen Hama und Homs sowohl von der syrischen Armee als auch von russischen Flugzeugen angegriffen. Ein weiterer Schwerpunkt der Angriffe liegt westlich von Aleppo. Der Journalist Julia Röpke sieht darin Parallelen zum russischen Vorgehen in der Ukraine: Die Angriffe würden sich auf wenige Orte konzentrieren, da die Gegenseite nicht ähnlich massive reagieren kann.
13:10 Uhr – Friedliche Demonstration in Dael, Daraa
Die Feuerpause wird genutzt, um daran zu erinnern, dass die Revolution einen friedlichen Ansatz hatte – auch wenn die Meisten nur den bewaffneten Konflikt sehen. Es werden die Sprüche und Lieder der ersten Tage der Revolution gesungen. „Die Revolution wird weitergehen!“, verkünden die Demonstranten. Auch hier wird die Feuerpause eingehalten, aber „demonstrieren wird man ja wohl noch dürfen“, so die lokalen AktivistInnen.
In dieser Hinsicht fragen wir uns: Wie könnte Syrien wohl heute aussehen, hätte das Regime nicht mit dieser brutalen Gewalt auf die Revolution reagiert?
11:57 Uhr – Zivile Projekte in Syrien weiter unterstützen
Die Informationen in diesem Live-Blog stammen zum allergrößten Teil von unseren ProjektpartnerInnen aus Syrien. Vor Ort streiten die AktivistInnen für ein freies, demokratisches Syrien mit Menschen- und Minderheitenrechten und sie schaffen Alternativen zu Diktatur und Terrorismus. Helfen Sie mit, unterstützen Sie die Projekte der AktivistInnen!
Spenden für zivile Projekte in Syrien!
9:25 Uhr – Douma: Väter spielen mit ihren Kindern
„Der Waffenstillstand wird hier weitgehend eingehalten“, berichtet die Aktivistin Sanaa aus Douma bei Damaskus. „Die Leute sind gut gelaunt und Väter spielen mit ihren Kindern auf der Straße – etwas, das vorher nicht mehr möglich war. Trotzdem haben wir Angst vor einem plötzlichen Angriff. Wir haben genug vom Krieg, aber ich gehe stark davon aus, dass das Regime den Waffenstillstand brechen wird. Am Freitag wurde noch ziemlich heftig mit Granaten auf uns geschossen. Bashar Al-Assad ist ein Verbrecher und das wird er auch bleiben.“
In der Waffenruhe sieht sie trotzdem Hoffnung dafür, dass nun endlich eine Veränderung eintritt. „Trotzdem hoffen wir sehr, dass der Waffenstillstand anhält und wir mit den nächsten Schritten weitermachen können. Als Nächstes sollten vor Allem die Gefangenen aus den Gefängnissen und Security Branches des Regimes freigelassen werden. Gleich danach steht dringend eine Aufhebung der Belagerungen an. Und schließlich die Verhinderung einer Teilung Syriens.“
Montag, 29.02.2016
23:10 Uhr – Zusammenfassung Tag 3
Trotz zahlreicher kleinerer Brüche der Feuerpause ist die Lage insgesamt weiter ziemlich stabil, die Kämpfe deutlich reduziert. Gleichwohl gab es weiterhin Luftangriffe der syrischen Armee (mit dem Schwerpunkt Jisr al-Shughur in Idlib und der Provinz Aleppo) und der russischen Luftwaffe in der Gegend um Talbiseh, zwischen Hama und Homs. Auch die bewaffneten Rebellengruppen halten sich weitgehend an die Waffenruhe.
Viele Menschen sind erleichtert, dass die Feuerpause bisher so gut hält – abgesehen von unseren PartnerInnen in Talbiseh, einer der Schwerpunkte der russischen Luftangriffe. Die UN hatten heute angekündigt, mit der Lieferung von Lebensmitteln und humanitären Gütern in belagerte Orte zu beginnen. Doch eine Bestätigung hat uns lediglich aus Moadamieh erreicht, einem belagerten Vorort von Damaskus der bereits letzte Woche Lieferungen erhalten hatte. Die Feuerpause in großem Maßstab für die Aufhebung der Belagerungen zu nutzen, steht noch aus – zumal die UN lediglich einen kleinen Teil der insgesamt 52 Gebiete mit rund eine Millionen BewohnerInnen als belagert ansieht.
18:25 Uhr – Humanitäre Hilfe erreicht Moadamieh
Vor rund eineinhalb Stunden haben mehrere Hilfstransporte Moadamieh erreicht. Heute morgen hatten die UN angekündigt, Windeln und Winterkleidung in den belagerten Vorort von Damaskus zu bringen. Bereits zwei Transporte waren in der letzten Woche dort eingetroffen, die gelieferten Lebensmittel und Medikamente reichen aber dennoch nicht einmal für einen Monat. Trotz der Lieferungen hält die Belagerung an und selbst akute medizinische Notfälle werden nicht durch die Checkpoints gelassen, weshalb in der vergangenen Woche eine alte Frau und ein Kind gestorben sind.
„Russland und das Regime müssen überhaupt nicht schießen und die Waffenruhe brechen“, sagt dazu der Aktivist Dani Qappani. „Denn mit der anhaltenden Belagerung, gerechtfertigt mit Terrorismusbekämpfung, töten sie die Menschen auch so. Auch das sind Verstöße gegen die Waffenruhe, aber ich zweifle, dass die internationale Gemeinschaft darauf auch mit nur einem Wort reagiert.“
17:45 Uhr – Vorstoß der syrischen Armee und Chlorgaseinsatz im Osten von Damaskus
Bereits in der vergangenen Nacht ist die syrische Armee in der Nähe von Douma, im Osten der Hauptstadt Damaskus in einige kleinere Gebiete rund um al-Marj vorgerückt. Zudem berichten PartnerInnen aus der Region, dass an der Front zwischen dem Regime-kontrollierten Damaskus und dem von Rebellen gehaltenen östlichen Umland Chlorgas als Kampfstoff eingesetzt wurden. Die gleiche Gegend war am 21. August 2013 auch Schauplatz des massiven Einsatzes von Saringas mit rund 1.300 Toten und ist bereits seit über drei Jahren durchgehende belagert. Das dramatische daran: Die vom Giftgas Betroffenen haben bis heute noch keine internationalen Hilfslieferungen erreicht.
16:25 Uhr – Talbiseh, Homs: Menschen haben weiter Angst
Anders als noch am Samstag fürchten sich die Menschen in Talbiseh weiter vor Angriffen durch syrische Armee und russische Luftwaffe. Heute morgen wurde die Stadt wieder mit Artillerie beschossen. Zudem wurden über der Stadt Flugzettel abgeworfen: „Jeder der eine Waffe trägt, soll sie ablegen, denn die syrisch-arabische Armee wird nicht aufhören diejenigen zu bekämpfen, die Waffen tragen“, steht auf dem einen, „Die Bevölkerung muss Druck machen auf terroristische Gruppierungen, sich der nationalen Versöhnung anschließen und mit der syrisch-arabischen Armee zusammenarbeiten“, auf dem anderen. Beide Aufforderungen richten sich an Menschen, die seit Monaten durch gerade die Armee belagert werden, die sie zur Zusammenarbeit aufruft.
15:40 Uhr – Keine Hilfslieferungen nach Yarmouk
Die UN haben angekündigt, die Feuerpause auch für die Lieferung von humanitärer Hilfe in belagerte Gebiete zu nutzen. Doch AktivistInnen aus Camp Yarmouk, im Süden von Damaskus berichten, dass dort nichts angekommen ist. In Yarmouk waren in den vergangenen Wintern wiederholt Menschen verhungert, weil die BewohnerInnen durch die syrische Armee daran gehindert wurden, sich Lebensmittel von außerhalb zu besorgen. Dennoch steht der Stadtteil nicht auf der Liste der sieben (von insgesamt 52) belagerten Orte, die nun von der UN versorgt werden sollen. Die Aufhebung der Belagerungen ist eine der Kernforderungen der Opposition für die Friedensverhandlungen in Genf.
14:10 Uhr – Zivile Projekte in Syrien unterstützen
Die Informationen in diesem Live-Blog stammen zum allergrößten Teil von zivilen AktivistInnen aus Syrien, deren Projekte Adopt a Revolution unterstützt. Vor Ort streiten die AktivistInnen für ein freies, demokratisches Syrien mit Menschen- und Minderheitenrechten und sie schaffen Alternativen zu Diktatur und Terrorismus. Helfen Sie mit, unterstützen Sie die Projekte der AktivistInnen!
Spenden für zivile Projekte in Syrien!
12:40 Uhr – Angriff auf Ghanto, Luftangriff auf Teir Mallah / Homs
Selbst in den eng umgrenzten Gebieten, die das russische Verteidigungsministerium für die Feuerpause vorgesehen hat, gibt es Angriffe seitens des Regimes und der russischen Luftwaffe. Bereits am Samstag war das Dorf Ghanto beschossen worden, wie unsere Partner von vor Ort berichteten. Zudem galt einer der russischen Luftangriffe am gestrigen Sonntag dem Örtchen Teir Mallah, wenige Kilometer nördlich von Homs, wie über soziale Medien berichtet wurde.
Kurz vor Beginn der Waffenruhe hatte das russische Verteidigungsministerium eine Karte veröffentlicht, auf der sechs kleine, blaue Gebiete verzeichnet sind, in denen die Waffenruhe gelten sollte, da dort weder Kämpfer von Jabhat al-Nursa noch von ISIS aktiv seien. (AktivistInnen aus dem nahen Talbiseh berichteten zuvor, dass es in der gesamten Region keine bewaffneten dschihadistischen Kräfte gibt.) Nun liegen sowohl Ghanto als auch Teir Mallah in der Region, für die Russland den Waffenstillstand ausgerufen hatte.
09:55 Uhr – Bewaffnete Opposition schickt Brief an UN-Generalsekretär
In einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon beklagt das Bündnis der bewaffneten Opposition den mehrfachen Bruch der Waffenruhe. In 26 Fällen hätte die russische Luftwaffe Gruppen angegriffen, die sich ebenfalls dem Waffenstillstand angeschlossen haben. Zuvor hatten russische Offizielle am Sonntag berichtet, der Waffenstillstand sei von der bewaffneten Opposition neun Mal gebrochen worden.
Von unseren PartnerInnen aus Syrien haben wir bestätigt bekommen, dass russische Luftangriffe auch Zielen galten, die nicht von den beiden dschihadistischen Verbänden Jabhat al-Nusra oder ISIS gehalten werden. Damit hätte die russische Luftwaffe die Vereinbarung gebrochen. Dennoch sind viele bislang eher positiv überrascht von der positiven Wirkung der Waffenruhe.
Sonntag, 28.02.2016
23:30 Uhr Zusammsenfassung Tag 2 Waffenruhe
So verhältnismäßig ruhig der erste Tag der Waffenruhe war, so klar wurde die vereinbarte Feuerpause in Syrien heute gebrochen und zwar mehrfach und massiv. Während im Raum Aleppo es am morgen zu starken Luftangriffen kam, flog die Russland am Nachmittag und Abend über 25 Luftangriffe in der Region Hama. Es kam zum vielen Toten. Unsere Partner aus Talbiseh/Homs berichten von starkem Artilleriebeschuss. Selbiges berichten uns auch unser Projektpartner aus Daraa im Süden Syriens, wo der Ort Yadoudeh auch heute beschossen wurde. Verhältnismäßig ruhig blieb es dabei in der Region Damaskus.
Insgesamt ist die Situation noch immer deutlich besser als vor Inkrafttreten des Waffenstillstands. Zwölf Tage noch soll die Vereinbarung gelten. Zwar wurde die Vereinbarung heute mehrfach massiv gebrochen, unserer Einschätzung nach ist er aber noch nicht gescheitert. Sollten allerdings die massive Luftschläge von syrischen Regime und insbesondere von Russland nicht umgehend eingestellt werden, wird die Perspektive auf erfolgreiche Friedensgesprächen – aktuell angesetzt für Montag, den 7. März – abnehmen.
Um 13:00 war es gestern verhältnismäßig ruhig. Der zweite Tag der Waffenruhe beginnt mit diversen Luftschlägen auf die Vororte von Aleppo. Es scheint, als würde das Assad Regime mit russischer Unterstützung erneut versuchen, den Belagerungsring um Aleppo schliessen zu wollen. Ziel der Luftangriffe ist es, den letzten verbliebenen Korridor, den die Rebellen in die Stadt haben (Grüne Fläche auf der Karte), einzunehmen. Das Bombardement bei Aleppo sind eine massive Bedrohung für die Feuerpause im ganzen Land.
Samstag 27.02.2016
23 Uhr Zusammenfassung erster Tag Waffenstilstand
Seit 24 Stunden ist nun der Waffenstillstand in Kraft und es scheint das sich an die Feuerpause größtenteils gehalten wurde. Die Luftangriffe durch Russland und der syrischen Armee sind massiv zurück gegangen und auch wenn noch immer einige Orte mit Artillerie und Mörsergranten angegriffen wurden waren die Kampfhandlung deutlich geringer. Auch die knapp hundert bewaffneten Rebelengruppen hielten sich an den Waffenstillstand. Selbst die Dschihadisten von Al Nusra die nicht Teil des abkommens waren.
An diesem ersten Tag des Waffenstillstandes hat das Töten in Syrien nicht aufgehört. Ein Aktivist sagte uns über Skype: „Heute musste ich nicht vor den Flugzeugen wegrennen“. Der heutige Tag sagt noch nichts darüber aus ob die Feuerpause in den nächsten 14 Tage wirklich eingehalten wird. Wie viele Menschen in Syrien bleiben wir skeptisch und doch hat der heutige Tag uns auf jedenfall etwas mehr Hoffnung gegeben. Vor allem aber war er ganz wichtig viele Leute in Syrien und sei es nur dass sie einen Tag nicht Angst vor den Flugzeugen haben mussten.
19:55 Unser Partner aus Daraa meldet sich noch einmal. Während wir geredet haben wurde der Nachbarort Yadoudeh mit Artillerie beschossen, eine Person ist gestorben.
19:45 Freude über die Ruhe mag sich in Daraa nicht einstellen, zu sehr misstrauen die Menschen Russland und dem syrischen Regime. Nicht ohne Grund wurde in den Tagen vor dem Waffenstillstand die Stadt im Süden Syriens massiv bombardiert. „Heute sind bei uns keine Bomben gefallen,“ sagt uns ein Aktivist von unserer Partnerorganisation vor Ort „wir alle schauen nun nach Darayya, dort wird sich entscheiden, ob die Waffenruhe hält“. Darayya ist ein Südlicher Vorort von Damaskus, der seit 2012 vom Regime belagert wird.
15:55 Der Ort Talbiseh bei Homs wurde in den letzten Wochen und Monaten fast täglich bombardiert. Unser Partner vor Ort erzählt uns, dass sie auch heute viele Flugzeuge am Himmel sehen. Aber anders als sonst, rennt heute keiner, um sich beim Anblick der Flugzeuge in Sicherheit zu bringen. Statt Talbiseh zu bombardieren, fliegen die Maschinen nach Norden. Zwar sind noch Schüsse am Stadtrand und Artilleriebeschuss an den westlichen Fronten zu hören. Verglichen mit anderen Tagen ist es heute aber ruhig in Talbiseh.
14:30 Erste Zusammenfassung – 15 Stunden Waffenruhe
Die Waffenruhe ist seit 15 Stunden in Kraft. Im Großen und Ganzen wird die Feuerpause bislang eingehalten. Aus den Vororten von Damaskus, Daraa und Idlib wird über Mörserbeschuss berichtet. Zudem gibt es Hinweise auf Fassbombenangriffe in Idlib. Bisher ist der Tag in den meisten Gebieten allerdings so friedlich verlaufen wie lange nicht mehr. Neben Russland und dem Syrischen Regime scheinen sich auch die andern Parteien momentan an die Waffenruhe zu halten. Selbst die Al Nusra-Front, die nicht Teil des Abkommens ist, scheint sich größtenteils an die Waffenruhe zu halten. Dringend benötigte Hilfslieferungen erreichen bislang trotzdem nicht die belagerten Städte.
Der Islamische Staat nutzte die Feuerpause um einen gezielten Angriff auf die Stadt Tal Abiyad an den Grenze zur Türkei zu verüben. Gleichzeitig wurden an mehreren Punkten in der Stadt Bomben gezündet. Die Gefechte der kurdischen Kämpfer der YPG in Tal Abiyad gegen die Terroristen des Islamischen Staates laufen nach wie vor.
Russland hat eine Karte veröffentlicht, wonach die Feuerpause in nur sechs sehr kleinen Gebieten in Syrien gelten soll. Für große Teile von Aleppo, Idilb und Daraa gilt nach russicher Interpretation die Waffenruhe nicht, weil diese Gebiete angeblich von der Al Nusra-Front kontrolliert werden. Dies ist nicht nur für diverse Orte in diesen Gebieten falsch, sondern birgt auch die Gefahr, dass dort die Kämpfe bald weitergehen könnten.
12:10 „So ruhig wie vor 2011,“ schreibt uns ein Aktivist unserer Partnerorganisation in Erbin, einen Vorort von Damaksus. „Die Umsetzung des Waffenstillstandes in Erbin läuft bislang gut“. Hoffen wir, dass es so bleibt.
11:15 Gute Nachrichten: Laut den Weisshelmen gab es seit Beginn der Waffenruhe bislang nur einen einzigen Luftangriff – dennoch ein Luftangriff zu viel! Die Weisshelme sind Erstretter, die in ganz Syrien dabei helfen, nach Bombardements Verletzte aus den Trümmern von Häusern zu retten.
11:00 Der IS hat in der letzten Nacht Anschläge in der Stadt Tal Abiyad an der Türkischen Grenze verübt. Weitere Anschläge des IS konnten die kurdischen Kämpfer der YPG verhindern. Da sich noch immer Terroristen des IS in der Stadt befinden, wird hier nach wie vor gekämpft. Der IS ist von der Waffenruhe ausgenommen.
10:10 Aus Damaskus hören wir, dass es seit Beginn der Feuerpause vor 11 Stunden keine Luftschläge mehr auf die Vororte gegeben hat. Die Gebiete rund um die Hauptstand wurden in den letzten Jahren fast permanent beschossen, zuletzt erst gestern wieder ganz massiv. Schutz vor den Bomben gibt es für die Menschen vor Ort nicht.
9:45 Russland hat in Syrien sechs Zonen (siehe blaue Gebiete auf der Karte) bestimmt, in denen die Feuerpause gelten soll. Dies geht aus einer Präsentation des russichen Verteidigungsministeriums vom 24.02.2016 hervor. Bei den Zonen handelt es sich um einen Bruchteil der Gebiete in Syrien, in denen momentan Kämpfe stattfinden. Indem Russland große Teile des Landes als Gebiete deklariert, die von der Al Nusra-Front kontrolliert werden, behält es sich die Möglichkeit vor, diese trotz der Feuerpause weiter zu bombardieren.
Eine Stadt, die inmitten eines ‚blauen Gebietes‘ liegt, also einem Ort, an dem es laut russischer Definition weder Kämpfer von Al Nusra noch des Islamischen Staates gibt, ist die Stadt Talbiseh. Sie wurde von Russischen Kampfjets bis 2 Stunden vor der Waffenruhe noch massiv bombardiert (siehe Post Freitag 21 Uhr).
0:15 Die vereinbarte Feuerpause gilt seit gut einer Stunde und in der Tat scheint es ruhiger zu sein als in den sonstigen Nächten. Der Forscher Charles Lister berichtet allerdings von einigen Verstößen, darunter in Talbiseh uund Daraa. Wir werden versuchen, so bald wie möglich dort mit unseren Partnern zu sprechen.
Freitag, 26.02.2016
23:00 Uhr: Die von Russland und den USA ausgehandelte Feuerpause in Syrien tritt in Kraft. Über hundert oppositionelle bewaffnete Gruppen sowie das Syrische Regime haben der Vereinbarung zugestimmt. Informationen zum Abkommen gibt es hier
22.30 Uhr: Nicht nur Talbiseh, sondern auch Darayya (Damaskus) wurden massiv bombardiert. Allein heute wurden dort 76 Fassbomben abgeworfen und der Ort mit 14 Boden-Boden-Raketen beschossen. Darayya wird von moderaten Rebellen, die sich zur Freien Syrien Armee zählen (FSA), kontrolliert .
21:00 Uhr: Am Tag vor der Waffenruhe haben die Syrische Armee und Russland die Luftschläge an zahlreichen Punkten nochmal deutlich intensiviert. In Talbiseh (Homs) flog die Russische Luftwaffe gegen 21 Uhr 16 Angriffe auf das Stadtzentrum.
Die Informationen in diesem Live-Blog stammen zum allergrößten Teil von zivilen AktivistInnen mit denen Adopt a Revolution in Syrien zusammenarbeitet. Mit ihren Projekten streiten sie für ein freies, demokratisches Syrien mit Menschen- und Minderheitenrechten. Helfen Sie mit, unterstützen Sie die Projekte der AktivistInnen!
Spenden für zivile Projekte in Syrien!
Danke!