Am frühen Morgen des 21. August ist es in den westlichen und östlichen Vororten von Damaskus zu Angriffen mit hunderten Todesopfern gekommen. Inzwischen scheint klar, dass chemische Kampfstoffe in großem Maßstab eingesetzt wurden. UN-Chemiewaffenexperten haben in der Folge Proben genommen, US-Präsident Obama plant – in längerer Abstimmung mit dem Kongress – einen Militärschlag gegen das Assad-Regime. In unserem Liveblog verfolgen wir die Ereignisse und sammeln Stimmen von AktivistInnen aus Syrien. (Falls sich nichts an der Seite länger verändert hat, bitte versuchen, neu zu laden.)
+++ 14. September, 08:30 Uhr +++
„Wir werden die syrische Unabhängigkeit verteidigen“
In einem Statement, das jetzt auf deutsch vorliegt, stellt sich die Syrische Demokratische Plattform (SDP) gegen einen Militärschlag gegen Syrien. Gleichzeitig fordern die PolitikerInnen, Truppen des Regimes auf, zu desertieren, die Freie Syrische Armee, keine Rache zu üben, und die Bevölkerung, sich gegen Separatismus und Konfessionalismus zu stellen. Die SDP gilt als wichtiger Zusammenschluss oppositioneller Interlektueller innerhalb und außerhalb Syriens.
+++ 19:10 Uhr +++
Kommentar: Zeit der weltpolitischen Eitelkeiten muss vorbei sein
Der Chemiewaffenangriff vom 21. August hat die weltpolitische Aufmerksamkeit wieder auf Syrien gelegt. Doch es muss den Staaten viel mehr um eine Lösung des Konflikts gehen, als darum ihre eigenen Machtansprüche zu verteidigen und ihre eigenen Interessen durchzusetzen, argumentiert unsere Autorin Sophia in einem Kommentar.
+++ 14:20 Uhr +++
Demonstrationen am Freitag gegen Assad
Am heutigen Freitag protestieren in Syrien wieder viele Menschen gegen ein Ende der Assad-Diktatur und für mehr Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft für den Konflikt. Einen besonderen Ruf haben dabei die Grafiken und Zeichnungen der AktivistInnen aus Kafranbel erlangt. Heute zeichnen sie unter anderem, dass die Welt Assad lediglich dazu auffordert, das Töten zu verlangsamen, nicht aber es zu stoppen. Das Komitee in Kafranbel gilt seit längerem als Befürworter einer ausländischen Intervention – ob militärisch oder nicht – um das Töten in Syrien zu stoppen.
+++ 13:40 Uhr +++
Kämpfe in Syrien nicht vergessen
Viele AktivistInnen – egal ob sie sich für oder gegen einen Militärschlag gegen das Assad-Regime aussprechen – berichten, dass sie Angst davor haben, dass nun einfach wieder Alltag einkehrt. An die Friedensbewegung gerichtet sagt einer: „Es geht nicht darum, Krieg in Syrien zu verhindern, denn der findet längst statt. Es geht darum, dass wir seit zweieinhalb Jahren umgebracht werden, weil wir unseren Diktator loswerden wollen. Ich bin gegen eine Intervention von außen – aber dafür, dass uns endlich geholfen wird.“
+++ 13. September, 12:50 Uhr +++
Moadamieh unter Beschuss von Assads Eliteeinheiten
Aus Moadamieh, einer der Vorstädte von Damaskus, auf die am 21. August wohl Chemiewaffen geschossen wurden, wird uns weiterhin von regelmäßigem Beschuss berichtet – auch aktuell wieder. Die Granaten und Raketen werden vom Hauptquartier der 4. Division abgefeuert, die von Bashar al Assads Bruder Maher befehligt wird. Die Aktivisten vermuteten in den letzten Wochen, dass der Ort wegen seiner Nähe zum strategisch wichtigen Militärflughafen von Mazzeh unbedingt unter Kontrolle der Armee gebracht werden soll. Der von der FSA kontrollierte Teil der Stadt ist seit Monaten von Damaskus abgeriegelt.
+++ 18:50 Uhr +++
Daraa, die selbstverwaltete Stadt
Ein Aktivist aus Daraa berichtet, dass inzwischen weite Teile der Stadt selbstverwaltet sind – und zwar auch so ganz grundlegende Dinge wie Müllabfuhr und die Wartung von Strom- und Wassernetzen. Mit 150 MitarbeiterInnen versuchen die AktivistInnen, zumindest in dem von der FSA kontrollierten Teil alle öffentlichen Dienstleistungen anzubieten, im Rest der Stadt werden zumindest einige Dinge geleistet, weil sich die staatliche Verwaltung vollständig zurückgezogen hat. „Wir sind einfach gezwungen, etwa die Feuerwehr zu stellen. Denn wenn wir es nicht machen, macht es keiner mehr. Das Regime hat die Stadt eigentlich aufgegeben, sieht sie nur noch als Schauplatz für Kämpfe. Wir versuchen, die Dienstleistungen anzubieten, die eigentlich der Staat bereitstellen müsste.“
+++ 12. September, 16:20 Uhr +++
Todeszahlen des bisherigen Tages
Nach Zählung unserer Partner-Organisation, der Lokalen Koordinationskomitees, sind in Syrien heute bisher 45 Menschen aufgrund der Kampfhandlungen ums Leben gekommen. 20 Tote wurden in der Provinz Daraa im Süden des Landes berichtet, acht in Aleppo, fünf in Damaskus und den Vororten, vier in der Provinz Hama, drei in Deir ez-Zor und je zwei in Idlib, Homs und Quneitra, direkt an der Grenze zu Israel.
+++ 20:10 Uhr +++
Weiterer Angriff mit Chemiewaffen in Jobar?
AktivistInnen in Jobar, einem östlichen Vorort von Damaskus, in dem bereits nach dem Angriff vom 21. August Verletzte behandelt wurden, berichten von einem neuerlichen Angriff mit Chemiewaffen. Auch der TV-Sender Al Arabia griff die Nachricht auf. Mediziner vor Ort mutmaßten, dass in kleinem Umfang Sarin eingesetzt wurde. Allerdings hat es solche Berichte seit Ende August häufiger gegeben, wobei diese Fälle jeweils nicht unabhängig untersucht wurden.
+++ 14:50 Uhr +++
Assads Geburtstag am 11. September
Anlässlich des Geburtstags von Syriens Diktator Bashar al Assad haben AktivistInnen in Kafranbel ein Banner gemalt, auf dem sie parallelen zwischen den Anschlägen vom 11. September 2001 und Assad ziehen. Der Ort ist bekannt dafür, dass AktivistInnen dort internationale Ereignisse rund um Syrien auf pointierten Bannern und in entsprechenden Cartoons darstellen.
+++ 11:40 Uhr +++
Viele AktivistInnen wollen Syrien verlassen
In den letzten Tagen häufen sich bei uns die Meldungen von AktivstInnen, die Syrien verlassen wollen. „In den letzten zwei Wochen ist der Druck von meiner Familie gestiegen“, sagt ein Aktivist aus Qudssaya nahe Damaskus. „Sie sind nicht einverstanden mit meinen Aktivitäten, meinen ich würde sie in Gefahr bringen.“ Ein anderer sagt, die Nachbarländer sind aber keine Option: „Die Türkei, Jordanien und Libanon sind mit den Flüchtlingen völlig überfordert, vom Irak ganz zu schweigen. Von dort aus weiterarbeiten geht nicht. Aber hier in Syrien wird die Lage immer schwieriger.“ Viele berichten, dass sie gerne nach Europa kommen würden.
+++ 11. September, 00:50 Uhr +++
Todesbilanz des Tages der Aktivistennetzwerke
Nach Zählung unseres Kooperationspartners, der Lokalen Koordinationskomitees, wurden heute in Syrien 76 Menschen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen getötet, darunter fünf Frauen, sieben Kinder und fünf Menschen, die unter Folter gestorben sind. Zudem wurden 487 Orte gezählt, an denen schwere Waffen eingesetzt wurden.
+++ 20:10 Uhr +++
Informativer Überblick: FAQ zum drohenden Militärschlag gegen Syrien
Wir haben in den letzten Tagen und Wochen Fragen zum möglichen US-Militärschlag gegen Syrien gesammelt und versucht, die wichtigsten Fakten zu sammeln. Hier finden Sie die Fragen und Antworten.
+++ 20:10 Uhr +++
„Die Revolution hat sich zu früh bewaffnet“
Mohammad, der aus Damaskus stammt, sieht sich als Mitglied der Syrischen Gewaltfreien Bewegung. Er meint, der Aufstand in Syrien hat sich zu bewaffnet. Wäre es im Herbst und Winter 2011 nur ein paar Wochen oder Monate länger gelungen, trotz der Angriffe des Militärs auf Demonstrationen und Proteste weiter gewaltfrei zu handeln und Soldaten der Armee wären nicht desertiert, um sich der Opposition anzuschließen, dann wäre das Regime viel früher zusammengebrochen. Er weiß nicht mehr, ob die Revolution auf dem richtigen Weg ist, aber er versteht auch, dass die Menschen keine andere Option mehr gesehen haben. Dennoch glaubt er, dass ein anderer Weg, auch wenn er kurzfristig zu noch mehr unschuldigen Opfern geführt hätte, schneller zum Erfolg geführt hätte, weil Assads Machtbasis schneller geschrumpft wäre. „Die Bewaffnung der Opposition war ein Sieg für Assad, genauso wie die Beteiligung der Dschihadisten auf der Seite der Opposition ein Sieg von Assad ist. Er bekommt damit die Legitimität, mit aller Brutalität gegen die Aufständischen vorzugehen, und die Alawiten und Christen unterstützen ihn in seinem Kampf.“
+++ 18:00 Uhr +++
Zivilgesellschaft in Syrien unterstützen
Die große Mehrzahl der Informationen aus diesem Liveblog stammen von unseren Partnern in Syrien. Sie arbeiten in Komitees, die weiterhin versuchen, eine Zivilgesellschaft aufzubauen, die sich nicht von radikalen Ideen blenden lässt, sondern ein demokratisches Syrien mit Menschen- und Minderheitenrechten aufbauen möchte. Unterstützen Sie die Arbeit der jungen syrischen Zivilgesellschaft!
+++ 17:50 Uhr +++
Viele Alawiten haben das erste Mal Angst
Rim, eine 28-jährige Psychologin aus Latakia erklärt, warum viele Alawiten nun das erst Mal Angst haben: „Seit der Drohung der USA, Syrien anzugreifen, haben viele Alawiten Angst. Mein Vater dient an hoher Stelle im Militär, mein Bruder ist Soldat. Sollte es zum Angriff kommen, hätte ich natürlich Angst um sie, aber auch um den Rest meiner Familie. Wir wohnen in der Nähe einer Kaserne und könnten also selbst getroffen werden. Wir wollten eigentlich in den Libanon ausreisen, aber die Grenze ist geschlossen. Assad hat einen Fehler gemacht, als er nicht auf die Forderungen nach Reformen eingegangen ist. Er hätte die Möglichkeit gehabt, das Land zu verändern, indem er die Wirtschaft liberalisiert, die Korruption bekämpft und Freiheiten schafft. Das hat er versäumt und inzwischen müssen wir alle um unser Leben fürchten. Als Alawiten haben wir vor allem Angst vor den radikalen Islamisten. Ein Angriff der Amerikaner könnte sie stärken. Es ist deswegen gut, dass Obama sich noch etwas Zeit für Verhandlungen mit Russland genommen hat. Ich hoffe sehr, die Verhandlungen sind erfolgreich und es wird Gespräche mit der Opposition geben.“
+++ 15:30 Uhr +++
Stimmen von SyrerInnen in der Süddeutschen Zeitung
In den letzten Tagen haben wir vielen JournalistInnen Kontakte nach Syrien vermittelt und versucht, den Stimmen von SyrerInnen Gehör zu verschaffen. Dabei herausgekommen ist unter anderem ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung.
+++ 10. September, 11:10 Uhr +++
„Ich muss weiter helfen, auch wenn ich nicht genau weiß, was gewinnen heißt“
„In den letzten vier, fünf Monaten habe ich heftig angefangen zu zweifeln. Zwar weiß ich noch immer, wohin ich Syrien bringen will und in was für einem Land ich leben möchte. Aber ich bin mir nicht mehr sicher, wie wir dorthin kommen können“, berichtet ein Aktivist aus Damaskus. „Zu lange haben wir die Augen verschlossen vor der schihadistischen Gefahr, weil wir dachten, sie würden uns gegen Assad helfen. Aber sie drohen einfach, eine neue radikale Herrschaft zu errichten – und wir kämen vom Regen in die Traufe. Die Diskussion um die Militärschläge von außen hat mich irgendwie wieder motiviert. Ich weiß zwar nicht, ob wir mit dem bisherigen Kurs erfolgreich sein können, aber es tut sich etwas – ganz unabhängig davon, ob letztlich angegriffen wird, oder nicht.“
+++ 16:30 Uhr +++
Statement der lokalen Koordinationskomitees zu einem Militärschlag
Am 01. September äußerte sich das AktivistInnen-Netzwerk der lokalen Koordinationskomitees (LCC) zu einem möglichen Militärschlag gegen das Assad-Regime. Ein Militärschlag in Form eines reinen Bestrafungskommandos in Punkto Chemiewaffen lehnen die LCCs ab. Dies würde Assad keinesfalls stoppen und ihn in seiner Gewaltanwendung nur bestärken. Denn: Eine Sanktionierung ausschließlich chemischer Waffen ist gewissermaßen die Erlaubnis für nicht-chemische Waffen. Die LCCs betonen, dass die Stimmen der SyrerInnen in der Entscheidung eines Militärschlages gehört werden müssen. Oberstes Gebot bei einem Angriff müsste zudem die Sicherheit der Zivilisten in Syrien sein. Lesen Sie hier das Statement im Wortlaut!
+++ 9. September, 10:40 Uhr +++
FSA-Einheiten in Erbin lehnen US-Militärschlag ab
Wie ein Aktivist aus Erbin, einem Vorort von Damaskus berichtet, lehnen alle Einheiten der Freien Syrischen Armee (FSA) dort einen möglichen Angriff der USA auf die Stellungen der syrischen Armee ab. Die Kämpfer dort stammen fast alle aus den Städten selbst und sind deshalb nahe dran an der Meinung der Menschen vor Ort. Die Kämpfer geben an, gerade militärisch auf dem Vormarsch zu sein und deshalb nicht auf die Angriffe angewiesen zu sein. Viele Menschen in Syrien lehnen eigentlich einen Angriff von außen ab, fühlen sich aber mit der militärischen Eskalation und der wachsenden humanitären Hilfe so allein gelassen, dass sie bereit sind, jeden Schritt zu akzeptieren, der eine positive Veränderung ihrer Lage bedeutet.
+++ 21:30 Uhr +++
Die Debatte über den Militärschlag verdrängt essentielle Themen
Seit mehr als zwei Wochen wird eifrig darüber spekuliert, ob die US-Regierung unter Präsident Obama einen Militärschlag gegen Syrien ausführen wird. Darüber geraten wichtige Themen in den Hintegrund, die jedoch für die Bewältigung der humanitären Krise und der Lösung des Konflikts essentiell sind. Lesen Sie hierzu unseren neuen Kurzkommentar!
+++ 17:30 Uhr +++
Meinungen zum Militärschlag: Ablehnung und Hoffnung auf die entscheidende Wende
Farah, Studentin der Literatur aus Suwayda, ordnet sich selbst als neutral bzw. zu der sogenannten „Dritten Strömung“ zugehörig ein. Einen westlichen Militärschlag lehnt sie ab: „Ein Krieg mit Syrien würde zu mehr Opfern führen, das Ergebnis wäre eine Katastrophe, deren Langzeitkonsequenzen man gar nicht absehen kann. Ich bin gegen einen Krieg und gegen eine Bombardierung. Ich denke die Lösung in Syrien wird nicht vom Westen und mit Waffen gebracht werden. Wir können kaum Mörsergranaten ertragen, die in letzter Zeit in kurzen Abständen auf uns herabdonnern. Wie sollen wir da Angriffe der Westmächte mit Raketen aushalten?“
Abdarrahman ist Medienaktivist und arbeitet mit einer Einheit der FSA zusammen. Er hat eine andere Meinung: „Ein militärischer Luftangriff würde das Regime extrem schwächen und das Kräfteverhältnis auf dem Boden zu Gunsten der Aufständischen verschieben, denn die [westlichen] Angriffsziele wären Flughäfen, Rakentenwerfer und Luftabwehrsysteme [des Regimes]. Das ist der Punkt, in dem uns das Regime bis jetzt überlegen ist, denn wir haben keine Langstreckenraketen und keine Kampfflugzeuge. Die endgültige Entscheidung wird auf dem Boden fallen. Alle Einheiten der FSA würden von einer solchen Chance [einer Schwächung des Regimes durch den Luftschlag] profitieren und könnten sich weiter in Richtung Hauptstadt Damaskus bewegen, um dort die strategisch wichtigen Punkte einzunehmen. Der wahre Sieg wird von Innen kommen. Wir sollten unsere Hoffnungen nicht an den Westen oder andere ausländische Kräfte knüpfen. Die gesamte Welt hat uns im Stich gelassen. Niemand unterstützt diese Revolution, nur Gott.“
+++ 8. September, 16:40 Uhr +++
Ein Militärschlag auf Syrien: das unvermeidliche Übel
Tareq, Zahnarzt aus Damakus, unterstützt den Militärschlag nicht, betrachtet ihn aber als unvermeidbar:
„Leider sind wir jetzt in der Position, den Westen und die Welt um unsere Rettung vor einem verbrecherischen Regime anflehen zu müssen, das tausende von unschuldigen Menschen getötet hat, um bis heute an der Macht zu bleiben. Jeder vernünftige Mensch wäre traurig, wenn er hören würde, dass ausländische Kräfte das eigene Land mit Raketen bombardieren wollen. Doch tragischerweise müssen wir uns darüber freuen, nach all dem Blut, das geflossen ist. Ich bin deswegen für eine Intervention in jeglicher Form und wenn ich das sage, zerdrückt es mein Herz vor Schmerz. Aber wenn das Regime nicht für diese Gräueltat bestraft wird, wird es schlimmere Dinge tun – vielleicht die nächsten 30 Monate – und dabei wird es von Russland und China geschützt werden. Ich hoffe diese Intervention bringt die Erlösung für unser Volk. Sollte dabei die gesamte Infrastruktur zerstört werden, werden sie diese nach dem Sturz des Regimes gerne wieder aufbauen. Das wichtigste ist, dass die Menschheit dieses zweijährige Blutvergießen stoppt.
+++ 13:30 Uhr +++
Angst und Ohnmacht: der Militärschlag und seine unkalkulierbaren Folgen
Samah ist Angestellte und arbeitet in einer der Regierungsinstitutionen in Damaskus. In der Nähe ihres Arbeitsplatzes befindet sich eine Abteilung des Sicherheitsdienstes des Regimes. Im Bezug darauf, dass Damaskus möglicherweise bombardiert wird, empfindet sie weniger Angst als Ohnmacht: „Ich fühle mich hilflos. Ich selbst kann ja nichts machen, wie alle anderen hier auch. Angst habe ich aber nicht, denn es kann nicht schlimmer werden, als die Situation wie sie jetzt ist. Ich gehe immer noch zur Arbeit, obwohl viele meiner Freunde nicht mehr gehen, denn wir wurden in der Vergangenheit häufig von Mörsergranaten beschossen. Solange wir innerhalb Syriens leben, sind wir immer einer Todesgefahr ausgesetzt, sei es durch Mörsergranaten, durch Raketen oder durch einfache Schusswaffen.
Ein Luftangriff gegen das Regime bedeutet noch lange nicht das Ende des Krieges oder die Freiheit. Selbst ein möglicher Sturz des Regimes würde nicht das Ende des Krieges bedeuten. In der Bevölkerung gibt es die große Angst, dass es zu Vergeltungsschlägen der Armee des Regimes kommen wird, sollte Bashar Al Assad verletzt oder getötet werden. Ebenso die Angst davor, dass die Milizen, die vom Regime aufgebaut wurden, möglicherweise in ihre Dörfer und Städte zurückkehren und den gesamten Rest Syriens terrorisieren. Ebenso sind die Schläge der Gegenseite, also der FSA, nicht kalkulierbar.“
+++ 7. September, 13:00 Uhr +++
Kafranbel bezieht klar Stellung für einen Militärschlag
Während des gestrigen Freitagsprotests haben die Einwohner von Kafranbel klar die Forderung nach einem Militärschlag der USA erhoben. In diesem Video sieht man das englische Plakat, dass die US-Parlamentsabgeordneten des Senats und Kongresses zur Abstimmung für den Militärschlag auffordert. Einen Militärschlag werten die BürgerInnen Kafranbels gleichbedeutend mit der Verteidigung der Menschenrechte.
In einem weiteren sehr professionell erstellten Video wenden sich dutzende Einwohner Kafranbels – Männer, Frauen und Kinder – in englischer Sprache direkt an die USA bzw. den Kongress. Es werden in dem Video auch Opfer des Chemiewaffenangriffs auf Ghouta eingeblendet. Die klare Forderung: Stimmt für einen Militärschlag, rettet uns, beendet den Krieg. Das Video ist eingerahmt von Zitaten von Ronald Reagan und Martin Luther King Jr.
+++ 20:30 Uhr +++
Obama trifft Putin – aber nicht Ruhani
Zwar bräuchte US-Präsident Obama die Zustimmung von seinem russischen Amtskollegen Putin für eine völkerrechtliche Deckung seiner Angriffspläne auf das Assad-Regime. Um aber wenigstens mittelfristig die Kämpfe in Syrien zu stoppen muss der Iran einbezogen werden. Lesen Sie unseren neuesten Kurzkommentar!
+++ 12:00 Uhr +++
Aktivist: Militärschlag ja, aber nicht in dieser Form
Abu Salma ist Aktivist innerhalb des Bündnisses Revolutionäre Syrische Jugend und lebt in Istanbul. Einen US-Militärschlag lehnt er nicht ab, jedoch aber die derzeitig geplante Umsetzung: „Ich bin prinzipiell für einen Militärschlag, wenn das dem Regime die Möglichkeit nimmt, weiterhin Zivilisten zu bombardieren. Das funktioniert allerdings nur unter der Bedingung, dass es sich dabei einen unerwarteten Überraschungsschlag handelt. Jetzt, nach all diesem Rumgemache und der Verzögerung von Seiten der internationalen Kräfte, scheint es mehr so, dass dieser Militärschlag nur der Zurückweisung jeglicher Vorwürfe und einem reinem Gewissen dienen soll. Denn jetzt ist das Regime bereits darauf vorbereitet und kann das Ganze für seine eigenen politischen Interessen nutzen. Mein Nichtvertrauen in die Exilopposition lässt mich außerdem vermuten, dass die einen Militärschlag ebenfalls für ihre eigenen, nichtnationalen Interessen ausnutzen würden.“
+++ 10:40 Uhr +++
Aktivist: USA und Russland versuchen Syrien in Verhandlungen zu verkaufen, Gespräche mit Iran bringen nichts
Ziad, ein 32-jähriger Hotelkaufmann aus Damaskus, der sich selbst als Kommunist bezeichnet, glaubt, dass Obama versucht, die Kosten für einen Militäreinsatz niedrig zu halten: „Nach über 100.000 Toten und noch viel mehr Gefangenen und Flüchtlingen muss Assad endlich gestoppt werden. Ich weiß, dass ein Angriff nicht ganz exakt sein kann und dass Zivilisten sterben werden. Außerdem wird das Regime sicherlich Rache nehmen und Gefangene umbringen. Wenn die Bomben fliegen, habe ich Angst um meine Freunde, die im Gefängnis auf dem Militärflughafen in Mazzeh festgehalten werden. Aber es bringt nichts, weiter daran zu glauben, Assad würde irgendwann vernünftig. Dann lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
Für die USA ist es logisch, jetzt zu zögern. Die Kosten eines Militärschlags sind immens. Eine Million Dollar soll jede Rakete kosten. Natürlich versucht er da erst einmal, den Druck zu steigern und die Russen für eine Verhandlungslösung zu gewinnen. Beide Seiten würden Syrien verkaufen, wollen aber einen möglichst hohen Preis erzielen. Gerade decken sich aber die Interessen der USA mit denen der syrischen Opposition. Mit dem Iran dagegen braucht Obama aber gar nicht zu reden. Die Ajatollahs haben keine kurzfristigen politischen Ziele, haben also auch nichts, was sie in Verhandlungen erreichen könnten.“
+++ 6. September, 01:00 Uhr +++
Die Welt könnte uns schon wieder vergessen
Der 29-jährige Geschichtslehrer Ahmad aus Damaskus befürchtet, die Weltgemeinschaft könnte Syrien nach dem Chemiewaffenangriff schon wieder vergessen: „Zu lange wurde jede andere Option ausgeschlossen, jetzt gibt es einfach keine Alternative mehr zu militärischen Angriffen. Ich bin enttäuscht davon, dass es so lange dauert. Letzte Woche schien es noch eine Frage von Stunden zu sein, jetzt könnten die USA noch Wochen auf sich warten lassen. Dabei sind sie die einzigen, die Assad an den Verhandlungstisch zwingen können, indem sie ihn militärisch schwächen.
Das Schlimmste wäre, wenn das US-Parlament einem Militäreinsatz jetzt nicht mehr zustimmt. Denn die internationale Gemeinschaft hat uns schon über zwei Jahre lang hängen lassen. Das Regime wurde immer gewalttätiger, aber die internationale Gemeinschaft hat immer nur zugeschaut. Nach dem Einsatz von Chemiewaffen in den Vororten von Damaskus, darf das jetzt nicht mehr passieren.“
+++ 23:30 Uhr +++
Linie Lattakia – Ghouta: Humorige Antwort auf die Äußerungen Buthaina Shaabans
Ein oppositioneller syrischer Twitter-Nutzer hat eine Persiflage auf die Äußerungen Buthaina Shaabans verfasst. Die Grafik besagt: „Lattakia – Damaskus“, darunter „Hup Hup – Firma Buthaina Shaaban, Logistik für Chemiewaffen“.
+++ 23:00 Uhr +++
Bizarre Darstellung des Angriffs auf Ghouta: Buthaina Shaaban
Buthaina Shaaban, Beraterin Bashar al-Assads, hat eine neue Theorie zu den Ereignissen des 21. August in Ghouta präsentiert. In einem Fernsehinterview erklärte sie: Terroristen hätten in Dörfern Lattakias – die Heimatprovinz der Assads – Männer und Kinder gekidnappt, diese nach Ghouta bei Damaskus gebracht und dann dort vergast. Die Strecke Lattakia – Ghouta beträgt einige hundert Kilometer und führt mitten durch regimekontrollierte Gebiete. Wie es sein kann, dass „Terroristen“ hunderte Personen unbemerkt am Regime vorbeitransportieren, erklärt Shaaban nicht. Shaaban trat v.a. zu Beginn der Revolution häufig in Erscheinung, zuletzt wurde es stiller um sie. Auch der SPIEGEL geht auf das Interview Shaabans ein und berichtet zudem:
„Dabei vergaß Schaaban offenbar, dass das syrische Staatsfernsehen schon eine andere Erklärung für die Attacke gefunden hatte: Demnach soll Saudi-Arabien unbemerkt große Mengen Giftgas nach Damaskus geschmuggelt und diese dort in einem unbemerkt selbstgegrabenen Tunnel versteckt haben. Die Rebellen hätten versehentlich im Tunnel einen Chemikalien-Unfall gehabt – so sei es zu den Toten gekommen. Wo dieser Tunnel genau gewesen sein soll und warum ihn bisher keiner entdeckte, wurde nicht näher erklärt.“
Der SPIEGEL listet weitere Stimmen des syrischen Regimes auf, die derzeit gegen die Chemiewaffenvorwürfe anreden. Sogar Bashar al-Assad höchstpersönlich erklärte sich gegenüber ausländischen Journalisten – gab sich aber hinsichtlich eines möglichen Angriffs gelassen.
Anm.: In diesem komödiantisch aufgemachten Video kann man Shaabans Äußerungen auf Englisch anhören – von Minute 0:23 bis 0:41.
+++ 5. September, 13:40 Uhr +++
Mit einem Angriff zögert man nicht
Der 24-jährige Sipan aus Qamishli begründet, warum er das Zögern von Obama für nicht gut hält: „Als Kurden werden wir eher von Dschihadisten bedroht, als vom Regime. Hier im kurdischen Nordosten ist das Regime schon seit Monaten nicht mehr aktiv. Aber die Stärke der radikalen Islamiten hängt an der vom Regime: Nur wenn Assad stark ist, unterstützen die Menschen die Gotteskrieger. Eigentlich sollten die USA auch die radikalen Islamisten angreifen. Mit unserer liberalen Vorstellung vom Islam kommen die nicht zurecht und bedrohen deswegen unsere Gesellschaft. Nur haben die Dschihadisten keine Militärstützpunkte, deswegen glaube ich nicht, dass sie angegriffen werden.
Es muss auf jeden Fall dringend etwas passieren, denn die wirtschaftliche Lage ist katastrophal. Deswegen wäre es besser gewesen, wenn Obama sofort angegriffen hätte. Ich glaube, er wurde durch die Absage der Briten daran gehindert und dann gibt es noch die diplomatischen Probleme mit Russland und dem Iran. Aber es ist nicht gut, erst mit einem Angriff zu drohen und dem Regime dann viel Zeit zu lassen, die schweren Waffen zu verstecken.“
Ältere Beiträge des Liveblogs haben wir in unser Archiv verschoben.
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