»Wir sind alle Lokman«: Gedenken an Lokman Slim, der am 4. Februar erschossen wurde.

Lokman Slim und die libanesische Kultur Straflosigkeit

Heute vor zwei Monaten wurde Lokman Slim in seinem Auto erschossen. Bis jetzt gibt es keine Anzeichen für ernsthafte Ermittlungen gegen seine Mörder. Es braucht dringend internationalen Druck auf den libanesischen Staat und die Hisbollah – nicht nur wegen Lokman Slim.

»Wir sind alle Lokman«: Gedenken an Lokman Slim, der am 4. Februar erschossen wurde.

Lokman Slim war einer der prominentesten Kritiker der Hisbollah, aber seine Kritik galt nicht nur dieser iranisch finanzierten Terror- und Mafiaorganisation namens „Partei Gottes“, sondern generell gegen dem im Libanon vorherrschenden chronischen Mangel an Gerechtigkeit und der Kultur der Straflosigkeit. 

Dass es aktuell keine Anzeichen dafür gibt, dass die libanesische Justiz ernsthafte Versuche unternimmt, Slims Mörder und deren Hintermänner zu fassen, ist vor diesem Hintergrund fast schon Ironie der Geschichte. Lokman Slim hatte selbst gesagt, sollte er getötet werden, würde jeder wissen, wer dahintersteckt. 

Die Bedeutung dieses politischen Mordes geht weit über den tragischen Verlust von Lokman Slim hinaus. Zuletzt recherchierte er zu den Ursachen der Explosion im Hafen von Beirut, die am 4. August 2020 mehr als 200 Menschen tötete, Tausende verletzte und große Teile der Stadt zerstörte. 

Der Mord an Lokman Slim sollte vielleicht nicht nur einen Kritiker der Hisbollah ausschalten und alle anderen Kritiker*innen einschüchtern. Eventuell sollte die Tat auch dafür sorgen, dass die Verantwortlichen für die Explosion in Beirut weiter straflos bleiben. Bleiben der Mord an Lokman Slim und dessen Hintergründe unaufgeklärt, ist das ein großer Sieg für alle, die von der Kultur der Straflosigkeit profitieren: Die Profiteure dieser Mischung aus Terror und Korruption, die im Libanon immer weiter um sich greift.

»Syrianization« des Libanon

Die Entwicklungen im Libanon und die Situation in Syrien sind in vielfältiger Weise miteinander verknüpft – nicht nur in Hinsicht auf die syrischen Geflüchteten im Libanon oder die Auswirkungen der libanesischen Wirtschaftskrise auf die syrische Wirtschaft. So gibt es etwa viele Indizien, dass das hochexplosive Ammoniumnitrat, das am 4. August 2020 in Beirut explodierte, für Syrien bestimmt war – vermutlich für das Assad-Regime.

Schäden in Beirut nach der Explosion vom 8. August 2020. Foto: Mehdi Shojaeian

Auch gibt es einen neuen erschreckenden Bericht von Amnesty International. Er zeigt, wie im Libanon syrische Geflüchtete gefoltert werden – teils exakt mit den Methoden, die das Assad-Regime anwendet. Der Libanon entwickelt sich, vor allem aufgrund der Hisbollah, offenbar in mehrerer Hinsicht in Richtung „Syrien“.

Zivilgesellschaft vs. Hisbollah

Der Konflikt im Libanon sei kein Konflikt mehr „zwischen politischen Parteien um die Macht“, sagt etwa Ayman Mhanna, der Direktor der nach dem ermordeten Journalisten und Politologen benannten Samir-Kassir-Stiftung. Es handle sich längst um einen Konflikt „zwischen einem von der Hisbollah dominierten politischen System und der Zivilgesellschaft, die einen Wandel einfordert“. 

Lokman Slim war ein wichtiger Vertreter eben jener Zivilgesellschaft. Wenn der Mord an ihm unaufgeklärt bleibt und die Hisbollah damit ihr Ziel erreicht, ihre Kritiker*innen mundtot zu machen und die bisherige Straflosigkeit zu erhalten, wäre das katastrophal. Gerechtigkeit ist der einzige Ausweg aus der Gewaltspirale des Libanons. Die UN und auch die EU und die USA sollten dringend für eine unabhängige Untersuchung des Mordes an Lokman Slim sorgen und dafür, dass die Täter auch tatsächlich zur Rechenschaft gezogen werden. 


Adopt a Revolution unterstützt im Libanon unter anderem die syrisch-libanesische Initiative Syrian Eyes. Bitte unterstützen Sie das Projekt mit einer Spende: