Hassan Hassan skizziert für Foreign Policy (FP) die Machtverhältnisse in Syrien. Die FSA scheint auf verlorenem Posten, religiösere Gruppen gewinnen die Oberhand. Jedoch argumentiert Hassan, der Bedeutungsgewinn der „Army of Islam“ sei nicht nur negativ zu betrachten. Am 29. September hatten sich ca. 50 bewaffnete Gruppen, die hauptsächlich rund um Damaskus operieren, zum „Jaysh al-Islam“ (Armee des Islam) zusammengeschlossen. Wenige Tage zuvor hatten 11 einflussreiche islamische Gruppen verkündet, dass sie die (exil)oppositionelle Nationale Koalition nicht anerkennen und islamisches Recht für sie die einzige Legitimation darstellt. Der Aufstieg salafistisch-orientierter Brigaden in Syrien halte jedoch die wahren Extremisten in Schach: ISIS und Jabhat al-Nusra, die Teil des al-Qaeda-Netzwerkes sind. Nun kämpften in Syrien Extremisten gegen Moderate und religiös Moderate. Gerade ISIS („Islamischer Staat in Irak und Syrien“) hat in Nord- und Ostsyrien extremen Schaden angerichtet und die Bevölkerung gegen sich aufgebracht. Die FSA wiederum habe das Vertrauen vieler Rebellengruppen verloren. Um die Extremisten in Schach zu halten, setzen nun auch viele moderate Gruppen auf eine religiöse Sprache. Die Situation in Syrien sei daher bei weitem nuancierter, als es der Auftritt vieler Gruppen scheinen lasse. Um jedoch die Extremisten in Syrien dauerhaft auszubremsen, bräuchte es größere Anstrengung von Seiten der Opposition. Auch die FSA als neutrale Kraft sei noch wiederzubeleben.
Über die Angst vor ISIS berichtet James Traub für die FP. ISIS umfasse zwar geschätzt nur etwa 8.000 Mann, sei aber in Nordsyrien eine Größe. Das Erstarken von ISIS führt Traub auf die amerikanische Untätigkeit in Syrien zurück. Obamas Zögern, Waffen an die Rebellen zu liefern, habe ISIS und andere Gruppen erst stark gemacht. Im türkischen Antakya, direkt an der Grenze und Zufluchtsort von SyrerInnen, zeigen sich viele überzeugt, dass ISIS vom syrischen Regime ins Leben gerufen wurde: ISIS stellt geradezu ein Geschenk ans Regime dar. Die staatliche Propaganda, gegen Terroristen zu kämpfen, werde durch ISIS wahr. Neben ISIS verhelfe aktuell nur noch ein weiterer Punkt Assad Auftrieb: der russisch-amerikanische Chemiewaffendeal.
Eine humorige Note des Kampfes in Syrien zeigt das Künstlerkollektiv Bidayyat im Video „Nobody’s perfect“. Eine Gruppe von Kämpfern möchte eine Erfolgsmeldung per Video abdrehen, doch mit der Textsicherheit hapert es gewaltig. Nach mehreren erfolglosen Versuchen beschließt man, dass Ablesen die sicherste Variante ist. Ein weiteres Video „aus Syrien“ sorgte diese Woche für Aufregung. Der britische Graffitikünstler Banksy stellte ein Video zusammen, dass syrische Kämpfer beim Abschuss eines Flugzeugs zeigen soll. Anstelle eines Flugzeugs landet jedoch Dumbo auf dem Boden. Einige der Kämpfer tragen afghanische Kleidung. Die FP konstatiert, Millionen hätten das Video bereits gesehen – im Gegensatz zu nur 375.000 Klicks für eines der meistgesehenen Videos des Giftgasangriffs auf Damaskus. Banksys Motiv bleibt unklar.
Mit Kunst aus Syrien beschäftigt sich das World Affairs Journal und zeigt einige Werke aus der Facebookgruppe „Syrian Revolutionary Arts“. Der Konflikt raube einem oft alle Worte, durch Kunst lasse sich die Situation geeignet darstellen. Zu sehen sind u.a. viele Beiträge Wissam al-Jazairys, der auch über eine eigene FB-Seite verfügt.
Das Violations Documentation Centre in Syria (VDC) hat die Zeugenaussage des 16-jährigen Moaz AbdulRahman veröffentlicht. Dieser wurde im April 2013 in Hama festgenommen und die folgenden Monate an verschiedenen Haftorten der Sicherheitsdienste festgehalten. Das Gefängnis in Adra weigerte sich ihn aufzunehmen, da er noch minderjährig ist. AbdulRahman beschreibt die Haftbedingungen, Folter war überall an der Tagesordnung. Die Zellen waren äußerst beengt, das Essen ungenügend. In einem Haftort beobachtete der Junge, dass manche Inhaftierte sich an den Misshandlungen der Mitgefangenen beteiligen, um für sich bessere Haftbedingungen zu erreichen. Nach Monaten wurde AbdulRahman von einem Richter auf freien Fuß gesetzt, da gegen ihn nicht genügend Beweise vorlagen. Bei seiner Freilassung wurde der Junge von Menschen bestürmt, die auf der Suche nach inhaftierten Angehörigen sind. In den Haftorten sterben täglich Menschen unter Folter und aufgrund der unmenschlichen Haftbedingungen.
Die USA Today wirft die Frage auf, ob nach Assad eine Frau Syrien leiten wird. Zwei Kandidatinnen aus Reihen der Opposition werden dabei ins Spiel gebracht: Suheir al-Atassi und Razan Zeitouneh. Beide Frauen sind durchaus unterschiedlich. Atassi lebt derzeit im Exil und ist Vizepräsidentin der Nationalen Koalition. Vor ca. 10 Jahren war sie an der Etablierung eines Forums für Dialog beteiligt, sie entstammt einer einflussreichen syrischen Familie, die bereits Politiker hervorgebracht hat. Razan Zeitouneh war ebenso bereits vor der Revolution in Syrien aktiv, als Menschenrechtsanwältin. Sie ist derzeit tätig innerhalb der Lokalen Koordinationskomitees wie dem Netzwerk VDC, das Menschenrechtsverletzungen und Opferzahlen in Syrien dokumentiert. Zeitouneh lebt weiterhin in Syrien und hat für ihr Engagement bereits mehrere Preise erhalten. USA Today argumentiert, dass beide Frauen in Zeiten aktiv sind, in der die Opposition und der Konflikt immer stärker von Männern getragen werden. Nach dem Ende Assads könnten die beiden säkularen AktivistInnen gar gegeneinander kandidieren.
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