Menschenrechtsverletzungen, Karawane des Todes

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat in ihrem jüngsten Bericht über die Lebensbedingungen in der syrischen Stadt Aleppo vom 05.05.2015 einige der militärischen Aktivitäten der syrischen Regierung wie auch der oppositionellen Gruppierungen als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. So schildert der Report, dass das Leben der zivilen Bevölkerung in Aleppo aufgrund unaufhörlicher Bombardierungen […]

Die internationale Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat in ihrem jüngsten Bericht über die Lebensbedingungen in der syrischen Stadt Aleppo vom 05.05.2015 einige der militärischen Aktivitäten der syrischen Regierung wie auch der oppositionellen Gruppierungen als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. So schildert der Report, dass das Leben der zivilen Bevölkerung in Aleppo aufgrund unaufhörlicher Bombardierungen durch Regierungskräfte in zunehmendem Maße unerträglich werde. Allein im letzten Jahr habe der Einsatz von Fassbomben 3000 ZivilistInnen und seit 2012 insgesamt 11000 ZivilistInnen das Leben gekostet. Amnesty-Vertreter Philip Luther erklärt in dem Artikel, dass die Politik der vorsätzlichen und systematischen Kriegsführung gegen ZivilistInnen in Aleppo von Seiten des Regimes einen Gegenstand von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstelle. Ebenso seien im Jahr 2014 mindestens 600 ZivilistInnen Opfer der aufständischen Gruppierungen geworden. Darüber hinaus berichtet rudaw, dass Misshandlungen durch Folter, Festnahmen und Entführungen auf beiden Seiten eine weit verbreitete Praxis darstellen.

Im Gegensatz zu der Situation in Aleppo berichtet Ahmad al-Akla in seinem Artikel auf damascusbureau von einer Verbesserung der Lage in den Städten und Dörfern im südlichen Teil der Provinz Idlib seit der Einnahme der Militärbasen von Wadi al-Dayf und Hamidiya durch die Kräfte aufständischer Gruppierungen im Dezember 2014. Der Artikel beleuchtet insbesondere die Situation in der Stadt Maarat an-Numan und die verschiedenen Perspektiven (ehemaliger) BewohnerInnen der Stadt. Die umfangreichen Wiederaufbauarbeiten der von zahlreichen Spuren der Zerstörung gezeichneten Stadt seien im vollen Gange – auch wenn militärische Luftmanöver der Regierungskräfte weiterhin die Bevölkerung vor Ort verunsichern. Ingenieure der Freien Syrischen Armee haben begonnen, Minen und Munition aus den Straßen zu entfernen, während die Verwaltung dafür Sorge trage, dass Barrikaden abgebaut, Fernverkehrsstraßen geöffnet und Märkte wiederbelebt werden. Auch wenn die Stadt in Gänze die Spuren der Zerstörung trägt, besteht mittlerweile für die etwa 250.000 geflüchteten ZivilistInnen die Möglichkeit, in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Viele, wie der in die Stadt Hass geflohene Abu Mohammed, seien allerdings nicht bereit zurückzukehren, da sie ihre neuen Strukturen nicht verlassen wollen oder die Lage in Marat al-Numan noch nicht ausreichend sicher erscheint.

Von seiner viertägigen Flucht von al-Dumayr im östlichen Qalamoun in die Türkei berichtet der 28-jährige Pharmazeut Abu Ahmad in seinem Interview mit Syria Deeply. In einem Konvoi von zwei Autos und einem großen Lastfahrzeug verbrachte Abu Ahmad vier Tage entlang von Kontrollen des Islamischen Staates (IS) und der Freien Syrischen Armee (FSA) durch die Wüste bis in die Türkei, da ihm als Kriegsdienstverweigerer eine legale Ausreise aus Syrien nicht möglich war. Seine Situation in Syrien beschreibt er als besonders bedrohlich, da insbesondere Ärzte und Pharmazeuten Opfer des Regimes von Bashar al-Assad geworden seien – eine Strategie, um somit die allgemeine medizinische Versorgungslage kontinuierlich zu verschlechtern, so der Pharmazeut. Nachdem der vorherige Konvoi von einer Landmine beschädigt worden sei, habe sich Abu Ahmad wie auf einer „Todeskarawane“ gefühlt: Zusammen mit 20 weiteren Personen verbrachte er vier Tage in einem Truck ohne die Erlaubnis, den Wagen zu verlassen, sanitäre Anlagen zu benutzen oder sich an Kontrollpunkten zu bewegen. Die Notdurft musste in einer Ecke des Wagens erledigt werden. Besonders aufschlussreich sind seine Schilderungen über die Zusammenarbeit dieser Konvois mit dem Islamischen Staat: Den Konvois wurde an IS-Kontrollpunkten die Durchfahrt gestattet, da dieselben Fahrzeuge auf dem Rückweg dazu genutzt worden seien, Waffen aus der Türkei in das Gebiet des Islamischen Staates zu bringen. Die Flüchtenden mussten, so Abu Ahmad in seinem Interview, zwei Tage in Kontrollpunkten des IS verbringen und Waffen verladen, bevor sie ihre Fahrt fortsetzen konnten. Im Gegenzug sei der Flüchtlingskonvoi von FSA-Brigaden unter Beschuss genommen worden, da es einen Bericht gegeben habe, dass der Konvoi zum IS gehöre. Abu Ahmad schließt seinen Bericht mit der Feststellung ab, dass solch eine Situation ständiger Unsicherheit, Hilflosigkeit und katastrophaler hygienischer Zustände dazu führe, dass man „seine Menschlichkeit und seine Werte vergesse“. Erst nach einer Tasse Kaffee auf der türkischen Seite der Grenze sei er wieder in der Lage gewesen, das Gefühl ständiger Bedrohung lindern zu können.

Haitham al-Maleh, Mitglied der Syrischen Koalition, berichtet in einem Interview mit Al-Zaman und kurz nach einem Gespräch mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elaraby, von neuen Bemühungen, eine Konferenz der syrischen Opposition in Kairo abzuhalten und eine gemeinsame politische Agenda zu verabschieden. Allerdings habe die ägyptische Regierung, wie auch schon beim letzten Gipfel in Sharm el-Sheikh, Bedenken hinsichtlich der Einreise bestimmter Peronen der Syrischen Koalition geäußert.

Die saudische Zeitung Al-Watan beleuchtet die aktuelle Wirtschaftslage Syriens. Aufgrund von Transportschwierigkeiten, relativ hohen Gehältern und des aktuellen Wechselkurses des Syrischen Pfundes zum Dollar seien die Preise für Lebensmittel aktuell – trotz der Entspannung durch den gefallenen Kurs des Dollars – sehr hoch. Außerdem gebe es ein Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage sowie eine allgemein niedrige Kaufkraft im Land. Sahab al-Hilou, Angestellte und Mutter von zwei Kindern, stellt daher im Artikel voller Sorge die Frage, ob sie in Zukunft noch ihre Kinder ernähren könne. Ein Einzelhändler aus der Stadt Salamiyah hingegen erklärt, dass die Sicherheits-, Transport- und Versorgungslage im Inland dazu führe, dass Lebensmittel und die meisten Güter zu hohen Preisen an der Küste erworben und ins Inland transportiert werden müssten. Auch er wünscht sich, dass sich die Preislage wieder entspannen wird.

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