Palästinenser im Visier des Regimes, Flucht nach Kairo, mobile Chemiewaffen? – Netzschau 21. Dezember

Am Protest-Freitag wurde in Syrien auch heute wieder demonstriert, z.B. im Örtchen Kafranbel. Der spezielle Weihnachtsgruß an den Papst: „Papst! Frohe Weihnachten aus Syrien, dem Land, in dem Assad den Weihnachtsmann getötet hat.” Am 15. Dezember wurden mit Dr. Zaidoun Al-Zoabi und seinem jüngeren Bruder Sohaib Angehörige des syrischen Vizepräsidenten Farouq al-Sharaa verhaftet. Sie und […]

Am Protest-Freitag wurde in Syrien auch heute wieder demonstriert, z.B. im Örtchen Kafranbel. Der spezielle Weihnachtsgruß an den Papst: „Papst! Frohe Weihnachten aus Syrien, dem Land, in dem Assad den Weihnachtsmann getötet hat.”

Am 15. Dezember wurden mit Dr. Zaidoun Al-Zoabi und seinem jüngeren Bruder Sohaib Angehörige des syrischen Vizepräsidenten Farouq al-Sharaa verhaftet. Sie und fünf ihrer Freunde aus der zivilen Opposition sind nun im für Folter berüchtigten Gebäude 215 des Geheimdienstes inhaftiert. Zaidoun al-Zoabi wurde dem amerikanischen Publikum durch seine Interviews mit Anderson Cooper auf CNN bekannt, bei denen er seinen richtigen Namen benutzte.

Am letzten Sonntag griffen Militärjets des syrischen Regimes das palästinensische Flüchtlingslager Yarmouk im Süden von Damaskus an. Dabei starben ca. 25 Personen. Dies war der erste schwere Angriff auf Yarmouk, was viele der Bewohner zur Flucht veranlasste. Zusätzlich zu ca. 500.000 Palästinensern, die dort leben, war das Camp in den letzten Monaten zum Zufluchtsort für tausende Syrer der umliegenden umkämpften Stadtviertel geworden. So sollen sich in der bombardierten Schule und Moschee keine FSA-Kämpfer, sondern Flüchtlinge aufgehalten haben. Die Fakten um die Existenz von FSA-Kämpfern in Yarmouk sind jedoch unklar. In einem Interview mit Jadaliyya spricht Martin Chulov (Guardian) über die Schilderungen von Palästinensern, die nach Libanon, u.a. ins berüchtigte Lager Sabra und Shatila, geflüchtet sind. Der Regimeangriff traf sie unerwartet, vorher waren sie im syrischen Konflikt eher dem Regime zugeneigt.

Über die dramatische humanitäre Situation in Syrien gibt der Presse ein österreichischer Mitarbeiter von „Ärzte ohne Grenzen“, Franz Luef, Auskunft. Er hielt sich kürzlich drei Monate in Nordsyrien auf und baute ein Krankenhaus mit auf. „Der Winter naht, und die Kräfte und Reserven der Menschen sind aufgebraucht. Die Situation wird sich weiter verschärfen“, so Luef.

Laut einem Bericht von Martin Gehlen für die ZEIT haben sich bislang ca. 200.000 syrische Bürger nach Kairo geflüchtet, die Mehrzahl Frauen und Kinder. Auf welche Not die Flüchtlinge in einem eh von Armut gezeichneten Land treffen, skizziert Gehlen anhand der Familie des neunjährigen Ali aus Homs. In Ägypten gibt es keine nennenswerte Versorgung der Flüchtlinge.

Auf der politischen Ebene halten die Spekulationen über die syrischen Chemiewaffen an. David Ignatius berichtet in der Washington Post, dass seit letztem Jahr in Syrien einerseits spezielle Fahrzeuge für die Aktivierung von Chemiewaffen entwickelt wurden als auch die reelle Gefahr besteht, dass u.a. die Hizbollah vom syrischen Regime Chemiewaffen erhalten habe und in ihrer Benutzung geschult wurde. Ignatius beruft sich auf Informationen eines syrischen Überläufers, die ihm über Dritte zugespielt wurden. Im Bewusstsein, welche Rolle solche vermeintlichen Chemiewaffenvorwürfe im Irakkrieg gespielt haben, hat Ignatius seine Infos gegengeprüft. Der Wahrheitsgehalt bleibt jedoch mehr als unklar.

Ein düsteres Bild von der Lage in Syrien zeichnet der neueste UN-Bericht unter Leitung von Paulo Pinheiro, aus dem die ZEIT zitiert. Einerseits konstatiert der Bericht, dass die Rebellen besonders in strategisch wichtigen Gebieten dem Regime zunehmend gefährlich werden. Vor allem bestürzt aber die Feststellung, dass der Konflikt immer stärkere religiöse und ethnische Züge annehme. Daher würden die Minderheiten in den bewaffneten Konflikt hineingezogen. „Kräfte der Regierung greifen sunnitische Zivilisten an. Regierungsfeindliche Gruppen attackieren Alawiten oder andere regierungsfreundliche Minderheiten wie Christen, Armenisch-Orthodoxe und Drusen”, sagte Pinheiro. Verschärft wird der Konflikt durch das Einsickern ausländischer Kämpfer. Kriegsverbrechen seien auf beiden Seiten zu finden; so bombardiere das Regime derzeit gezielt Zivilisten, während die Rebellen Gefangene exekutierten.

Eine weitere beunruhigende Nachricht kommt aus dem Umland von Aleppo. Dort soll – u.a. unter Mithilfe ausländischer Kräfte – eine Religionspolizei etabliert worden sein, die Frauen das Autofahren untersagt und die Anwohner zum Beten anhält. Der Artikel Basel Dayoubs in der englischen Akhbar geht der Authentizität der Meldung nach und sammelt Stimmen zur Religionspolizei. Die Meinungen hierüber sind gespalten. Frauen in Aleppo-Stadt reagieren geschockt auf die neue Unterdrückung ihrer persönlichen Rechte.


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