Seit Beginn des Jahres sind bereits über 167.000 Menschen verzweifelt vor der anhaltenden Militäroffensive des Assad-Regimes und Russlands geflohen. Die Dunkelziffer ist deutlich höher – Hilfsorganisation können nicht mehr alle Fliehenden erfassen. Die Zahl dürfte in den kommenden Wochen noch deutlich steigen, sollte die Militär-Offensive andauern: Das International Rescue Commitee erwartet, dass insgesamt 650.000 weitere Menschen zur Flucht gezwungen sein könnten.
Die Menschen fliehen Richtung Norden und harren derzeit im Winter unter schwierigsten Bedingungen an der türkischen Grenze aus, die hermetisch abgeriegelt ist. Immer wieder erreichen uns Berichte von Schutzsuchenden, die beim Versuch in die Türkei zu gelangen vom Militär verletzt oder getötet werden. „Angesichts der humanitär und menschenrechtlich schweren Krise ist Angela Merkels Bekräftigung des EU-Türkei-Deals und die Zusicherung weiterer finanzieller Hilfen eine politische und menschliche Bankrott-Erklärung“, so Ferdinand Dürr, Geschäftsführer von Adopt a Revolution. „Merkel entzieht sich der humanitären und politischen Verantwortung der Bundesregierung. Was wir bräuchten sind Anstrengungen für ein Ende der Kämpfe und sichere Fluchtwege. Stattdessen werden sogar Abschiebungen nach Syrien vorangetrieben“.
Erst im Dezember hatten die Innenminister von Bund und Ländern im Rahmen der Innenministerkonferenz (IMK) die Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien in Frage gestellt. Die IMK einigte sich zwar vorerst auf weitere sechs Monate Laufzeit. Allerdings forderten die Innenminister die Bundesregierung auf, Voraussetzungen für Rückführungen von Gefährdern, schweren Straftätern und Heimatbesuchern in die Arabische Republik Syrien oder in Drittstaaten möglich zu machen – was die Betroffenen der Gefahr massiver Menschenrechtsverletzungen aussetzen würde.
Rückkehr zu Assad ausgeschlossen
Dass Syrien unter Diktator Assad keineswegs sicher ist, belegen auch aktuelle Zahlen: Allein in der Region Idlib wurden im vergangenen Jahr über eine Million Menschen zur Flucht gezwungen. Zum Vergleich: Das UNHCR geht für das Jahr 2019 von lediglich rund 100.000 zurückgekehrten Geflüchteten aus. Dass die Menschen nicht in die von Assad kontrollierten Gebiete zurückkehren können, zeigen auch die aktuellen Fluchtbewegungen in Idlib. Zwar hat das Assad-Regime nach eigenen Angaben Fluchtkorridore für die Zivilist*innen eingerichtet, diese werden aber kaum genutzt.
„Das Regime redet über das Öffnen von Übergängen, damit Zivilist*innen Idlib verlassen können“, berichtet Salwa, Partnerin von Adopt a Revolution in Idlib-Stadt. „Aber für wen werden diese Übergänge geöffnet? Für 4 Millionen Menschen, von denen die Hälfte aus den Gebieten des Regimes vertrieben wurden?“ Die meisten dieser Zivilist*innen haben durch das Regime Angehörige verloren und dann bricht durch die Bombardierungen auch noch ihr Haus über ihren Köpfen zusammen und die Hälfte ihrer Familie stirbt. Wie sollen sie zurück zu einem verbrecherischem Regime gehen, welches diese Massaker an ihren Familien begangen hat? Wie sollen sie zu einem Verbrecher zurückgehen, der immer noch Zehntausende Häftlinge in seinen Gefängnissen hält?“
#SyriaNotSafe
Zahlreiche Berichte zeigen, dass Menschen aus ehemals oppositionell gehaltenen Territorien unter der Herrschaft Assads massiv von willkürlicher Inhaftierung, Folter und Zwangsrekrutierung betroffen sind und dass kollektive wie individuelle „Versöhnungsabkommen“ mit dem Regime keinen Schutz vor willkürlichen und gezielten Repressionen bieten. Adopt a Revolution hat im Rahmen der Anti-Abschiebe-Kampagne #SyriaNotSafe die Menschenrechtslage daher detailliert erfasst und mit mannigfaltigen Quellen unterlegt: https://syria-not-safe.org/10-fakten-zu-syrien/. Mit viel Aufklärungsarbeit, einer Petition und weiteren für das Jahr geplante Aktionen will Adopt a Revolution Abschiebungen nach Syrien verhindern.
„Die Fluchtbewegungen in Idlib sind nicht nur die Konsequenz der Angriffe auf zivile Ziele, sondern auch der brutalen Repressionen, die in Syrien allen Menschen drohen, die das Assad-Regime als potentielle Feinde identifiziert“, erklärt Dürr. „Wer die Bomben im Nacken hat, wird sich nicht dauerhaft von geschlossenen Grenzen aufhalten lassen – auch nicht, wenn diese militärisch abgeriegelt sind. Die EU muss endlich handeln, um die syrisch-russische Offensive zu stoppen und die Zivilist*innen schützen!“
