Paris: ISIS-Terror nicht mehr nur in Syrien & Irak

Der Schock der Anschläge von Paris sitzt noch tief. Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres wurde die französische Hauptstadt von radikalreligiösem Terror heimgesucht. Diesmal sind noch einmal deutlich mehr Opfer zu verzeichnen als nach den Anschlägen auf die Satirezeitschrift Chalie Hebdo im Januar. Während die bisherigen Opfer des so genannten “Islamischen Staats” vor allem im […]

Der Schock der Anschläge von Paris sitzt noch tief. Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres wurde die französische Hauptstadt von radikalreligiösem Terror heimgesucht. Diesmal sind noch einmal deutlich mehr Opfer zu verzeichnen als nach den Anschlägen auf die Satirezeitschrift Chalie Hebdo im Januar. Während die bisherigen Opfer des so genannten “Islamischen Staats” vor allem im Irak und in Syrien lebten – und er auch dort die Entwicklung einer freien Gesellschaft bedroht -, sind nun auch Menschen mitten in Europa von seinem Terror bedroht.

Einige Reaktionen auf den Anschlag sind erwartbar: Der Ruf nach mehr Überwachung und “innerer Sicherheit” genauso, wie die Forderung, den Zuzug von Flüchtlingen nach Europa zu reduzieren. Dabei reicht es aus sich zu vergegewärtigen, dass die meisten der hier ankommenden Flüchtlinge gerade aus den Ländern kommen, in denen der ISIS-Terror besonders präsent ist, um zu verstehen: Die reflexhafte Forderung rechter Scharfmacher, jetzt die Zugbrücke der Festung Europa hochzuziehen, ist alles andere als eine logische Konsequenz aus den Anschlägen. Vielmehr soll hierbei die Terrorangst ausgenutzt werden, wobei doch viele gerade aus der gleichen Angst heraus vor diesem Terror Zuflucht suchen. Jetzt die Grenzen zu schließen, würde letztlich die Opfer des Terrorismus im Stich lassen.

Das Versagen des Westens ist die Stärke von ISIS

Dennoch bleibt die Frage, wie ISIS so stark werden konnte, um nun einen solch koordinierten Anschlag in Europa durchführen zu können? Dabei lohnt sich der Blick vielmehr auf diejenigen, die zu ISIS nach Syrien und in den Irak gehen als auf die Flüchtlinge von dort. Denn: Schätzungsweise 1.000 Franzosen – manche gehen von bis zu 5.000 aus – kämpfen in den Reihen des “Islamischen Staats” und begehen vor Ort ähnliche Grausamkeiten gegen die lokale Bevölkerung, wie die Attentäter vom letzten Wochenende. Man muss also die Frage stellen: Was macht die Attraktivität von ISIS aus?

An dieser Stelle leistet die westliche Politik gegenüber Syrien den Dschihadisten ein ganzes Stück weit Argumentationshilfe: Durch das tatenlose Hinnehmen der Verbrechen des Assad-Regimes, etwa das Aushungern ganzer Städte und Stadtteile oder das tägliche Bombardement ziviler Wohngegenden, kann ISIS von sich das Bild aufbauen, als Einzige gegen diese Ungerechtigkeiten vorzugehen. Zwar wenden die Dschihadisten selbst Gewalt an und unterdrücken die progressiven Mitglieder der syrischen Gesellschaft; aber denjenigen, die für das religiöse Argument empfänglich sind und seinen Regeln beugen, bietet der “Islamsiche Staat” Sicherheit und Unterstützung – ganz anders als die westlichen Staaten.

Diese haben, als 2011 der zivile Aufstand gegen die Assad-Diktatur Freiheit, Demokratie und Menschenrechte forderte, die Proteste begrüßt und die Gewalt des Regimes verurteilt, ohne sie jedoch jemals einzudämmen. Dieses Versagen hält bis heute an, wenn die humanitäre Hilfe für diejenigen nicht ausreicht, die in Syrien selbst auf der Flucht sind oder in den Nachbarstaaten in Flüchtlingslagern hausen müssen. Und für diejenigen, die einmal den Aufstand gegen das Regime gewagt haben, wird das Versagen anhalten, wenn nun der brutale Diktator in Damaskus als möglicher Kooperationspartner im Kampf gegen die Dschihadisten aufgewertet wird. Was ISIS zumindest in seinem Bild nach außen für sich in Anspruch nehmen kann ist, wenigstens zu handeln gegen das massive Unrecht des Assad-Regimes.

Nicht, dass sich darüber die Anschläge von Paris würden relativieren oder gar begründen lassen. Doch ist die Stärke des “Islamischen Staats” auch darin zu suchen, dass wir die SyrerInnen viel zu lange mit den täglichen Verbrechen ihres Regimes alleine gelassen haben. Das müssen wir ändern!

Adopt a Revolution übt praktische Solidarität mit den zivilen AktivistInnen in Syrien. Vor Ort setzen sie sich seit Jahren gegen Assad-Diktatur und ISIS-Terror ein, mit praktischen Projekten, die den toleranten Charakter der syrischen Gesellschaft stärken. Helfen Sie mit, die syrische Zivilgesellschaft zu stärken!

Jetzt Zivilgesellschaft stärken!

Bereits vor einigen Monaten haben wir ein Hintergrundpapier mit Informationen zu ISIS zusammengestellt. Es beruht vor allem auf den Erfahrungen der syrischen AktivistInnen mit den Dschihadisten. Lesen Sie unser Hintergrundpapier!

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