Heute jährt sich der Chemiewaffenangriffs auf die syrische Stadt Khan Sheikhoun zum zweiten Mal. In Folge des Angriffs starben rund 90 Menschen qualvoll am Nervengift Sarin. Untersuchungen der UN und der OPCW kamen im Oktober 2017 zum Ergebnis, dass das Assad-Regime für den Angriff verantwortlich ist. Bis heute bleiben die Täter straflos.
„Statt intensiv daran zu arbeiten, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden, kungelt die Bundesregierung mit Putin, der seine schützende Hand über die Giftgas-Verbrecher des Assad-Regimes hält“, so Ferdinand Dürr, Geschäftsführer von Adopt a Revolution. Russland hat durch zahlreiche Vetos im Sicherheitsrat eine Strafverfolgung der Täter vereitelt. Dennoch arbeitet die Bundesregierung weiter mit der russischen Regierung auf eine enge wirtschaftliche Verflechtung beider Länder hin.
Erst gestern traf Bundeswirtschaftsminister Altmeier (CDU) Wladimir Putin bei der feierlichen Eröffnung einer Mercedes-Benz-Fabrik in Moskau. Zudem hält die Bundesregierung trotz Kritik aus zahlreichen EU-Staaten am Projekt „Nord Stream 2“ fest, das Mitteleuropas Energieabhängigkeit von Russland auf Jahrzehnte festzuschreiben droht. Die EU hat gegen Russland bislang keinerlei syrienbezogene Sanktionen verhängt, nicht einmal gegen die russische Rüstungsindustrie, die ihre Waffen auf europäischen Messen mit dem Prädikat „Erprobt im Syrien-Krieg“ verkauft.
Dass die Bundesregierung wirtschaftliche Interessen höher gewichtet als die Aufklärung schwerster Kriegsverbrechen, zeigt sich auch hierzulande: Die Bundesregierung hält eine Liste mit deutschen Unternehmen geheim, die in den 1980er Jahren das Assad-Regime beim Aufbau seines Chemiewaffenprogramms unterstützen. Diese Liste müsse endlich veröffentlicht werden, damit die beteiligten Firmen zur Rechenschaft gezogen werden könnten, so Ferdinand Dürr.
Die Ächtung von chemischen Waffen galt bislang als eine der wenigen verbindlichen Übereinkünfte der Weltgemeinschaft. Bleibt der Einsatz von Sarin und Chlorgas durch das Assad-Regime ungeahndet, drohen sämtliche Regelungen zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten obsolet zu werden. Die Bundesregierung muss ihrer Ankündigung, sich im UN-Sicherheitsrat für eine Ahndung von Chemiewaffenangriffen einzusetzen, endlich konsequent Taten folgen lassen.
Zum Hintergrund:
Am heutigen Donnerstag jährt sich der Chemiewaffen-Angriff mit Sarin auf die syrische Stadt Khan Sheikhoun zum zweiten Mal. Untersuchungen der UN und der OPCW kamen im Oktober 2017 zum Ergebnis, dass das Assad-Regime für den Angriff mit Sarin mit rund 90 Toten verantwortlich ist.
Am kommenden Sonntag jährt sich zum ersten Mal der Giftgasangriff mit Chlorgas auf die Stadt Douma mit rund 34 Toten. Hier kam die OPCW im März 2019 zu dem Schluss, dass der Angriff aus der Luft erfolgte, womit lediglich das Assad-Regime und seine Verbündeten als Täter in Frage kommen. Zum selben Ergebnis kamen bereits im September 2018 die UN-Untersuchungskommission für Syrien, sowie mehrere Open-Source-Recherchen.
Nach beiden Angriffe wurden – seitens russischer und syrischer Propaganda, aber auch in öffentlich-rechtlichen Medien – verschiedene Theorien verbreitet, denen zufolge es sich bei den Chemiewaffen-Einsätzen um „Inszenierungen“ oder „False Flag-Aktionen“ seitens oppositioneller Milizen oder westlicher Geheimdienste gehandelt habe. Der Tenor vieler Berichte: Die Täterschaft lasse sich nicht zweifelsfrei klären. Trotz der mittlerweile durch UN und OPCW gesicherten Faktenlage erfolgten hierzu oft keine Richtigstellung.
Im UN-Sicherheitsrat scheiterten Resolutionen zu den beiden Angriffen an Vetos Russlands, so dass die Verantwortlichen bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Die Verlängerung des gemeinsamen UN-OPCW-Mandats zur Untersuchung von Giftgas-Angriffen in Syrien (Joint Investigative Mechanism, JIM) verhinderte Russland im November 2017 nach dem Bericht zu Khan Sheikhoun. Die USA reagierten auf die Chemiewaffeneinsätze in Khan Sheikhoun 2017 unilateral und auf Douma 2018 gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien mit militärisch letztlich folgenlosen Luftschlägen auf militärische Ziele des Assad-Regimes.
Die Zuständigkeit der OPCW besteht seit dem Beitritt Syriens nach dem schwersten Chemiewaffen-Angriff vom 21. August 2013 mit Sarin, durch den in den Vorstädten von Damaskus rund 1.000 Menschen getötet wurden. In der Folge vernichtete das Assad-Regime seine Chemiewaffenbestände angeblich vollständig, was sich mit dem Angriff auf Khan Sheikhoun als Falschbehauptung herausstellte. Der Sarin-Angriff auf Ghouta von 2013 konnte nicht vollständig aufgeklärt werden, da Russland 2013 im UN-Sicherheitsrat die Benennung der Täter verhinderte. Jedoch wiesen das in Ghouta und Khan Sheikhoun eingesetzte Sarin den gleichen chemischen Fingerabdruck auf, wie die Syrien-Untersuchungskommission des UN Menschenrechtsrats im September 2017 feststellte.
Die Nord Stream 2 Gaspipeline vom russischen Vyborg nach Greifswald ist in der EU heftig umstritten, da eine auf Jahrzehnte angelegte Energieabhängigkeit Mitteleuropas von Russland droht. Gleichzeitig befürchten osteuropäische und baltische Staaten, erpressbar zu werden, wenn sie nicht länger Transitländer für russisches Erdgas sind.
Im Jahr 2015 war an die Öffentlichkeit gekommen, dass deutsche Unternehmen Mitte der 1980er Jahren am Aufbau des syrischen Chemiewaffen-Programms beteiligt waren. Die Namen einiger Unternehmen wurden bekannt, doch die Bundesregierung weigert sich bis heute, die Liste der Unternehmen zu veröffentlichen.