Razan Zaitouneh – “Grundpfeiler der Revolution”

Der Adopt a Revolution-Aktivist Alan Hassaf berichtet über die Zusammenarbeit mit der unermüdlich für Menschenrechte einstehenden Aktivistin Razan Zaitouneh, die sich gegen Diktatur und Willkür stellte. Zum ersten Mal begegnete ich Razan Zaitouneh 2006 bei einer Demonstration anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte. Damals war sie gerade einmal 29 Jahre alt und doch bereits überaus […]

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Solidarität mit Razan, Solidarität mit den Douma 4.

Der Adopt a Revolution-Aktivist Alan Hassaf berichtet über die Zusammenarbeit mit der unermüdlich für Menschenrechte einstehenden Aktivistin Razan Zaitouneh, die sich gegen Diktatur und Willkür stellte.

Zum ersten Mal begegnete ich Razan Zaitouneh 2006 bei einer Demonstration anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte. Damals war sie gerade einmal 29 Jahre alt und doch bereits überaus bekannt im Land. Wir waren nur wenige DemonstrantInnen und umringt von den Sicherheitskräften des Regimes, die uns zahlenmäßig völlig überlegen waren. Einige von uns wurden verprügelt, andere festgenommen. Razan beobachtete alles mit Argusaugen, blieb ständig in Bewegung und hielt fortwährend fest, wer genau verhaftet wurde. Sie erkundigte sich nach allen Details der Verhafteten. Daraufhin sah ich Razan regelmäßig als Verteidigerin politischer Gefangener in den Gerichtssälen Syriens.

Angesichts des enormen Sicherheitsapparats des syrischen Regimes war es keinesfalls leicht, als Strafverteidigerin für politische Gefangene zu arbeiten: Das Regime gängelte Razan über all die Jahre, doch sie nicht von ihrem Engagement abbringen. 2008 gehörte Razan auch zu meinen ehrenamtlichen VerteidigerInnen, als ich vor dem Militärgericht wegen Mitgliedschaft in der kurdischen Yekiti-Partei angeklagt war und zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde. Sowohl Razan als auch Khalil, der mich damals ebenfalls verteidigt hat, sind inzwischen in Syrien verschleppt. Ich dagegen lebe in Berlin.

Als sich der Arabische Frühling in mehreren Ländern in Bewegung setzte, hofften auch wir, endlich aus unserem “großen Gefängnis” – der Diktatur – ausbrechen zu können. Razan gehörte zum Kern von AktivistInnen, die im März 2011 den Grundstein für den Ausbruch der Revolution in Syrien legten. Sie war im Vorstand des größten revolutionären Netzwerks, den Lokalen Koordinationskomitees (LCC), das ganz auf zivilen und friedlichen Widerstands setzte. Razan arbeitete aktiv am Sturz des alten Regimes, doch eigentlich ging es ihr um den Aufbau eines neuen, zivilen Staates, der die Rechte seiner Bürger achtet. Das war in unserer Zusammenarbeit stets zu bemerken.

Razan in einer Rede zum Tag der Menschenrechte 2013 – wenige Tage vor ihrer Entführung.

Razan und Mazen Darwish – der seit 2012 vom Regime inhaftiert und des “Terrorismus” angeklagt, aber nicht verurteilt ist – waren Grundpfeiler und Koordinatoren der Lokalen Koordinationskomitees. Als sich immer mehr Stimmen für den bewaffneten Kampf gegen das Regime aussprachen, waren Razan und Mazen die Stimmen der zivilen Bewegung, diejenigen, die gewaltfreien Widerstand einforderten.

Ich war Repräsentant der “Union der Freien Studierenden in Syrien” (UFSS), die zu den LCCs gehörten und wir waren fest davon überzeugt, dass die Tage der Diktatur gezählt seien, dass sich unser Aufstand auszahlen würde. Wir arbeiteten fast 20 Stunden pro Tag: Demonstrationen organisieren, KollegInnen motivieren, Nachrichtenagenturen kontaktieren, Berichte erstellen und Videos herausgeben – das unsere tägliche Arbeit. Nachts, wenn weniger Nachrichten auf uns einprasselten, hatten wir unsere täglichen Sitzungen und debattierten, wie eine bessere Zukunft für unser Land aussehen könnte.

Auch wenn alles in eine andere Richtung lief, setzten wir weiterhin auf gewaltfreien Widerstands. Razan weigerte sich energisch, Syrien zu verlassen – obwohl sie eine der meistgesuchten AktivistInnen war, gesucht sowohl vom Regime als auch von einigen oppositionellen bewaffneten Gruppen. Sie war der Auffassung, dass sie von den Menschen schlecht verlangen konnte, sich gewaltfrei gegen das Regime zu erheben, während sie im sicheren Exil lebte.

Das letzte Mal sprach ich mit Razan wenige Wochen vor ihrer Entführung. Ich bat sie, einen Beitrag für unsere neue “Adopt a Revolution”-Zeitung zu verfassen. Sie sandte uns den Text, der im Dezember 2013 als Aufmacher unserer Zeitung erschien. Nur wenige Stunden, bevor die Zeitung am Kiosk auslag, wurde Razan entführt. Mittlerweile ist, langsam, aber stetig, ein Jahr vergangen. Von Razan gibt es noch immer keine Spur.

Alan Hassaf, 30, stammt aus den kurdischen Gebieten Syriens. Er war bereits vor Ausbruch der Revolution im März 2011 politisch tätig und geriet darüber in Konflikt mit dem repressiven Staatsapparat in Syrien. Nach Ausbruch der Revolution im Studenten-Komitee der LCCs tätig, sah er sich später gezwungen, das Land zu verlassen. Seit 2013 lebt und arbeitet Hassaf in Berlin, wo er für Adopt a Revolution den Kontakt zu unseren PartnerInnen aufrechterhält und die Projektarbeit koordiniert.

Stärken Sie die syrische Zivilgesellschaft!