Syrien und die politische Linke – Interview mit Yassin Al Haj Saleh

Yassin Al Haj Saleh, politischer Gefangener von 1980 bis 1996, zählt zu Syriens bedeutendsten Dissidenten. Infolge der syrischen Revolution von 2011 wurde er zu einer herausragenden intellektuellen Stimme des Aufstandes. Nachdem er sich 21 Monate in Syrien versteckt halten konnte, floh Al Haj Saleh ins Istanbuler Exil. Dieses Interview wurde Anfang November 2014 von Stephen […]

Yassin Al Haj Saleh, politischer Gefangener von 1980 bis 1996, zählt zu Syriens bedeutendsten Dissidenten. Infolge der syrischen Revolution von 2011 wurde er zu einer herausragenden intellektuellen Stimme des Aufstandes. Nachdem er sich 21 Monate in Syrien versteckt halten konnte, floh Al Haj Saleh ins Istanbuler Exil.

Dieses Interview wurde Anfang November 2014 von Stephen R. Shalom, Mitherausgeber von New Politics, per Mail geführt.

New Politics: Sie schreiben eindrücklich über den anhaltenden Kampf für eine fortschrittliche Gesellschaftsordnung in Syrien. Die Linke verfügt in den meisten westlichen Staaten, allen voran den USA, nur über wenig politische Macht. Wie könnte die westliche Linke trotzdem am besten Solidarität mit der syrischen Revolution ausdrücken?

Yassin Al Haj Saleh: Ich fürchte, dass es für die westliche Linke bereits zu spät ist, Solidarität mit den SyrerInnen in diesem außerordentlich schwierigen Konflikt zu äußern. Diesbezüglich finde ich stets die Ahnungslosigkeit frappierend, die bei Mehrheitsströmungen der westlichen Linken in Bezug auf Syrien vorherrscht: Sie wissen nahezu nichts über Syriens Gesellschaft, das Regime, die Bevölkerung, die politische Ökonomie noch die jüngere Geschichte des Landes. In den Analysen der westlichen Linken habe ich wahrhaft originelle Ansätze oder nützliche Informationen zumeist vermisst. Mich beschleicht angesichts dieser sonderbaren Situation das Gefühl, dass sie uns SyrerInnen gar nicht wahrnehmen. Syrien dient hier lediglich als austauschbare Projektionsfläche für altgediente anti-imperialistische Tiraden, nicht als eigentlicher Stein des Anstoßes. Von daher müssen sie, jene VertreterInnen der westlichen Linken, noch nicht einmal über uns Bescheid wissen. Für sie ist Syrien nur eine black box, eine leere schwarze Kiste, dessen interne Strukturen und Dynamiken man nicht (er)kennen müsse, da letztere in Syrien ohnehin fehlten. Diese [linke] Weltsicht ist zweifelsfrei fixiert auf den Westen, zugleich – und nahezu ausschließlich – ausgerichtet auf die Ebene der hohen Politik.

Dieses engstirnige anti-imperialistische Weltbild beschränkt sich auf die Wahrnehmung von Obama, Putin, Hollande, Erdoğan, Khamenei, den katarischen Emir Hamad, den saudischen König Abdullah, Hassan Nasrallah [der libanesischen Hisbollah] und Bashar al-Assad. Vermutlich nehmen sie auch noch den Anführer des „Islamischen Staates“ (IS), Abu Bakr al-Baghdadi, wahr. Wir, die breite Masse der SyrerInnen, Flüchtlinge, Frauen, Studierende, Intellektuelle, MenschenrechtsaktivistInnen, politische Gefangene… Wir kommen in diesem Weltbild gar nicht vor.

In meinen Augen entspricht dieses auf hohe Politik und den Westen fokussierte Weltbild eher der Herangehensweise der politischen Rechten und der ultrarechten Faschisten. Doch vermag ich es – als Syrer mit einem linken Standpunkt – offen gestanden nicht (mehr), im Westen zwischen politischer Linke und Rechte zu unterscheiden. Diesen Umstand kann man vermutlich auf den verheerenden Effekt der Sowjetunion zurückführen, die einer ganz eigenen faschistischen Erfahrung gleichkam. Viele westliche Linke sind bis heute beeinflusst von der SU; geradezu die Waisen der UdSSR, des verstorbenen Vaters.

Darüber hinaus… Was hindert sie daran, die Opfer wahrzunehmen, die Bashar [al-Assad] zu verantworten hat, wenn sie doch mehr als deutlich in der Lage sind, mit gewöhnlichen Menschen in Kobanê zu fühlen? Warum gab es im August 2014 nicht den geringsten Aufschrei, als die Schergen des IS im ostsyrischen Deir Ezzor kaltblütig 700 Menschen umbrachten? Es drängt sich die folgende Frage auf: Haben Opfer verschiedene Wertigkeiten, je nachdem, wer sie umbrachte? Warum verstummen im Westen die Linken just wie die Rechten angesichts des täglichen Bombardements in Syrien, bei dem das Regime ganze Regionen unter Dauerbeschuss nimmt und täglich Dutzende umbringt? Liegt es etwa daran, dass der öffentliche Mörder Bashar [al-Assad] und seine elegante Frau [Asma al-Assad; laut Vogue USA „eine Rose in der Wüste“] als Symbole der Ersten Welt inmitten von Syrien gelten; ein Paar, mit dem sich jene in der Ersten Welt ohne große Probleme identifizieren können?

Weite Teile der westlichen Linken müssen sich daher erst selbst befreien, bevor sie den SyrerInnen helfen oder solidarisch beistehen können. Die Ansichten dieser Linken sind so töricht und fehlgeleitet, dass der Fall Syrien letztendlich zum Nachweis ihrer reaktionären und dekadenten Perspektive geriet. Als Syrer brauche ich die Unterstützung dieser Linken nur, wenn sie über fundiertes Wissen verfügen. Syrien ist ein Mikrokosmos. Ich gehe nicht davon aus, dass ihr Verständnis des Makrokosmos und die davon abgeleitete Politik besseres verheißt, wenn schon ihr Standpunkt zu Syrien auf solcher Verzerrung und Fehleinschätzung beruht. Natürlich will ich mit diesen Bemerkungen nicht verleugnen, dass es eine gewisse Anzahl mutiger und engagierter westlicher Linker gibt; Dissidenten, die die Moral und politische Würde der Linken in den USA und im Westen hochgehalten haben.

NP: Nicht wenige westliche Linke vertreten die Position, dass Waffenlieferungen westlicher Regierungen an die Freie Syrische Armee (FSA) abzulehnen seien. Wiederum andere meinen, dass wir uns gerade für die Lieferung westlicher Waffen starkmachen müssten. Die dritte Gruppe ist der Auffassung, dass wir solche Waffenlieferungen weder fordern noch ablehnen sollten. Was ist Ihre Haltung dazu?

YHS: Wie ich bereits erwähnt habe, ist es mittlerweile zu spät für solche Debatten. Die FSA ist aktuell stark geschwächt und fragmentiert, mehr als drei Jahre nach ihrem Erstarken als bewaffnete Widerstandsgruppe gegen das faschistische Regime. Die Dynamik dieser Diskussion um Waffenlieferungen entspricht keineswegs mehr den Tatsachen im Land.

Damit der Standpunkt, Waffenlieferungen an die FSA abzulehnen, konsistent und logisch ist, müssten allerdings zwei Bedingungen erfüllt sein: 1) Die Waffenlieferungen von Russland [an das syrische Regime] und die Bereitstellung von Soldaten aus Iran, Irak und Libanon müssten unterbunden werden; 2) Das Regime müsste ferner aufrichtige Bereitschaft zu einer politischen Lösung zum Ausdruck bringen. Allerdings hat das Regime seit 44 Monaten [bis November 2014] zu keinerlei Zeitpunkt solch eine Bereitschaft zur Machtteilung, geschweige denn zu echten Verhandlungen mit der Opposition, an den Tag gelegt.
Wenn man denjenigen nicht hilft, die aus der Not gedrungen zu den Waffen gegriffen haben, um die Bevölkerung zu schützen, und sich die Zahl der Toten auf Hunderte, Tausende, Zehntausende, gar Hunderttausende summiert, während zugleich die UN untätig bleiben und die Gruppe der Freunde des syrischen Volkes – die gegründet wurde, um die Hilfe für das syrische Volk zu legitimieren, nachdem der UN-Sicherheitsrat durch die russischen und chinesischen Vetos handlungsunfähig geworden war –, wenn ebenso diese Gruppe, angeführt von Washington, von vollständiger Lähmung befallen ist… Was meinen Sie, was dann passiert? Es hat schlichtweg dazu geführt, dass immer mehr SyrerInnen das Vertrauen in die internationale Gemeinschaft und in die Gerechtigkeit verlieren und dass sich unter den Kämpfern Nihilismus ausbreitet. Über diesen Sachverhalt habe ich im Mai 2012 einen ausführlichen Essay verfasst, als sich unter den Kämpfern erste Anzeichen eines solchen Nihilismus abzeichneten.
Unter westlichen Linken herrscht der weitverbreitete Irrglaube vor, dass die USA die syrische Revolution befürworteten. Dies ist keineswegs der Fall. Die US-Regierung steht der syrischen Revolution weit ablehnender gegenüber als dem Regime Assads. Zugleich hat Washington unserem Anliegen weit mehr geschadet als der Iran und Russland. Erst im Juni 2014 äußerte sich der Amtsinhaber im Weißen Haus abfällig über die [syrischen] Bauern und Zahnärzte, die dachten, dass sie das Regime Assads stürzen könnten. Kann man diese überflüssige Bemerkung anders deuten, als dass sie ein Zeichen sendet an jenes politische Lager, das von einem Augenarzt [Bashar al-Assad] samt Shabiha (Regimeschlägern) angeführt wird und das massive Unterstützung von Russland wie Iran, samt seinen Hilfsschergen im Libanon und Irak, erhält? Kann man diese Bemerkung Obamas tatsächlich anders auffassen als einen Hinweis an eben dieses Lager, dass sie weiterhin ungestört töten können – gar mit dem Segen der Gruppe der Freunde des syrischen Volkes? Ähnliches gilt für den Deal vom September 2013, der die Abgabe des syrischen Chemiewaffenarsenals vorsah. Das syrische Regime fasste diesen Deal verständlicherweise als weitere Lizenz zum Töten auf, einzig mit der Beschränkung auf nicht-chemische Waffen. In diesem Sachverhalt konnte die syrische Opposition die Deutung des Regimes nicht als abwegig bezeichnen.

Ich möchte hinzufügen, dass die USA nach dem Chemiewaffenmassaker vom August 2013 keineswegs militärisch gegen das syrische Regime vorgingen. Es stellt jedoch eine deutlich gerechtere und fortschrittlichere Tat dar, eine kriminelle Junta für Verbrechen gegen das eigene Volk zu bestrafen, als es die globalen US-Interventionen für gewöhnlich zu tun pflegen. Genau deshalb verstehe ich nicht, warum es zu Protesten vor dieser – letztendlich doch nicht eingetretenen – Intervention kam, jedoch keinerlei Aufschrei erfolgt angesichts der gegenwärtigen Intervention [gegen den IS in Syrien und im Irak], die ich für wesentlich weniger ethisch und gerecht halte.
Wissen die Linken wirklich nicht, dass das „Zentrum des Imperialismus“ die syrische Revolution ablehnt? Ich glaube nicht, dass sie tatsächlich so unwissend sind. Vielleicht versuchen sie lediglich, ihre archaischen Vorstellungen zu retten.

NP: Nicht wenige westliche Linke meinen, dass militärisches Training der FSA durch westliche Regierungen abzulehnen sei. Wiederum andere vertreten die Position, dass wir genau solche Maßnahmen einfordern müssten. Die dritte Gruppe ist der Auffassung, dass wir solch militärisches Training weder einfordern noch ablehnen sollten. Was ist Ihre Haltung zu diesem Sachverhalt?

YHS: Nun, ich misstraue grundsätzlich den Intentionen der USA. Zugleich teile ich nicht die starre, weit verbreitete Auffassung von Anti-Imperialismus, die diesen grundsätzlich in Washington und ggf. anderen westlichen Hauptstädten verortet, ohne Imperialismus als Abhängigkeit und Prozess aufzufassen, der z.B. auch in Moskau oder Teheran seinen Ursprung haben kann. Angesichts der bisherigen US-Politik im Mittleren Osten sind unsere Vorbehalte gegenüber den USA jedoch mehr als gerechtfertigt.

Der nihilistische und faschistische IS ist keine aus dem Nichts entstandene Kraft. Die Ablehnung des Völkerrechts, der internationalen Institutionen sowie der bestehenden internationalen Ordnung ist eine Komponente, die dem IS zugrunde liegt. Diese Ablehnung speist sich aus dem absoluten Misstrauen, dass dem internationalen System entgegengebracht wird. Zwei weitere, wesentliche Quellen des IS liegen in einer Krise des Islam, die mit der Moderne zusammenhängt, sowie in tyrannischen, korrupten Regimen.

Um jedoch auf die eigentliche Frage zurückzukommen: Zu welchem Zweck und gegen wen wollen die Amerikaner syrische Kräfte ausbilden?

Seit September 2014 haben die USA unser Anliegen [in Syrien] ganz offen unter der Agenda „Krieg gegen den Terror“ subsumiert. Der von den USA [an]geführte Krieg gegen den IS impliziert, dass das syrische Regime, das den Tod von mehr als 200.000 Menschen entweder direkt verursacht oder mitverschuldet hat, nur ein unwesentliches Detail darstellt; die tatsächliche Gefahr liege einzig und allein im verbrecherischen IS. Es geht den USA keinesfalls darum, unseren Kampf für Wandel in Syrien zu vollenden. Das von den USA durchgeführte militärische Training wird allein die amerikanischen Prioritäten berücksichtigen – und so die SyrerInnen zu Hilfstruppen im Krieg der USA degradieren.

Das Ergebnis des amerikanischen Trainingsprogrammes wird demnach sein, dass die bereits geschwächte FSA so zerschlagen wird, dass sie nur noch lokale Söldner ohne eigentliches Anliegen darstellen, die – für die USA – die Faschisten des IS bekämpfen, während sie den Faschisten von Assad den Rücken freihalten. Um es kurz zu fassen: Ich gehöre zu denen, die für SyrerInnen militärisches Training durch die USA vehement ablehnen.

NP: Die USA führen seit einiger Zeit im Irak wie in Syrien Luftschläge durch. Wie stehen Sie zu diesen Luftschlägen – bezüglich der Auswirkungen, aber auch ihrer Berechtigung?

YHS: Die Luftschläge haben nur geringe Auswirkungen; was ihre Berechtigung angeht, stehen die Luftschläge in keinem Zusammenhang mit ethischen Fragen oder universellen Werten. In meinen Augen stellt sich die Situation wie folgt dar: Die Amerikaner, ihrerseits nicht unschuldig, bringen [bestimmte] Mörder um, während sie vor den Taten eines anderen Mörders die Augen verschließen, der unerlässlich in direkter Nachbarschaft tötet – nicht selten nur wenige hundert Meter von den Zielorten der Amerikaner entfernt. Gibt es hier eine gerechte Sache zu verteidigen? Abgesehen von der Gerechtigkeit, welche Politik liegt hier zugrunde? Abgesehen von der Politik, was genau ist die Strategie hinter den Luftschlägen?

Ich denke, dass der eingeschlagene Kurs nichts bewirken wird. Luftschläge können den IS zwar schwächen, jedoch wird er seine Schlagkraft behalten, um weiterhin angreifen oder gar expandieren zu können. Der IS ist weder eine herkömmliche Armee mit schweren Waffen noch ein Staat mit exorbitanter Infrastruktur; d.h., dass Bombardements aus der Luft weiterhin nur einen begrenzten Effekt ausüben werden. Schauen wir hier auf das Beispiel der recht kleinen Stadt Kobanê: Ganze zwei Monate wird der IS dort schon bombardiert [im November 2014] – und noch immer bedroht er die Stadt!

Ich bin ein „progressiver“ Mensch: Ich klammere mich nicht an eine bestimmte Ordnung der Dinge und versuche stets, auch noch in den schlimmsten Situationen neue Lösungsansätze zu entdecken. So konnte ich bereits bei vielen Herausforderungen, seien sie persönlicher oder anderer Natur, unerwartete Lösungen oder Wendungen entdecken. Doch so sehr ich auch versuche, eine progressive Wende für den amerikanischen Krieg in Syrien zu entdecken… Es gelingt mir nicht. Ich bin kein Existentialist oder Nihilist (gibt es da überhaupt einen Unterschied?), jedoch finde ich keinen Weg, Gerechtigkeit oder Einfallsreichtum inmitten des neuesten amerikanischen Krieges, diesmal in meinem Land, zu entdecken. Unsere amerikanischen „Freunde“ vermitteln auf mich den Eindruck, dass sie hart daran arbeiten, nicht den kleinsten Hoffnungsschimmer für eine Besserung der Lage in Syrien aufkommen zu lassen – was die Allgemeinheit betrifft. Gleichzeitig bestärken sie Assad in seinen Hoffnungen und Erwartungen. Wie beeindruckend!

Ich hege keinen grundsätzlichen Groll gegen die USA, jedoch hat sich diese Supermacht gegenüber meinem Land außerordentlich inhuman gezeigt – so wie auch der gegenwärtige Krieg [gegen den IS] außerordentlich egoistisch ist. In meinen Augen ist es durchaus vertretbar, aus der US-Politik in Syrien abzuleiten, dass Washington der Demokratie und den Rechten der Unterprivilegierten ablehnend gegenübersteht. Letztendlich bleibt unstrittig, dass der US-geführte Krieg in Syrien einen reaktionären Charakter aufweist, der sowohl für Syrien als auch für die Region mehrheitlich nichts Gutes bewirken kann.

Ferner kann nichts die abscheulichen Verbrechen, die die Obama-Regierung gegenüber den SyrerInnen und ihrem Land verübt hat, schmälern oder vergessen machen. Die Geschichtsbücher werden zu gegebener Zeit über diesen Sachverhalt urteilen.

NP: Welche Forderungen sollten westliche Linke in Bezug auf Syrien an ihre Regierungen stellen?

YHS: Ich muss offen gestanden zugeben, dass ich mich frage, was Linke im Westen eigentlich tun. Sie leben in Sicherheit, sie besitzen Pässe, sie haben die Möglichkeit, Fremdsprachen zu lernen, sie können sich jedes Buch, das sie interessiert, relativ einfach beschaffen und lesen. Warum also wissen so viele von ihnen nichts über Syrien? Warum fühlen sie nichts? Und warum bleiben so viele tatenlos?

Um es noch einmal zu betonen: Es geht nicht darum, die westlichen Regierungen dazu zu veranlassen, etwas für uns bzw. für Syrien zu tun; die Linke selbst muss in den jeweiligen Ländern aktiv werden, nicht zuletzt für sich selbst. Wenn die Linke in den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, etc. eine starke Kraft bildet, ist das für uns von großem Vorteil. Indem sich die westlichen Linken bei diesem Kampf [in Syrien] auf unsere Seite stellen oder zumindest ein gewisses Verständnis für diesen Kampf zeigen, tragen sie erheblich dazu bei, dass wir uns gegen jene Politik wehren können, die uns nur nach Identität beurteilt oder in Täter-Opfer-Kategorien einordnet.
Zum jetzigen Zeitpunkt hilft die westliche Linke allerdings nur den rechten Bewegungen in Syrien – seien es die „modernen“ oder die islamistischen Kräfte –, da sie ihre Sichtweise auf den Westen fixiert; ferner beschränkt die westliche Linke den Blick auf die Machtpolitik der regionalen wie internationalen Akteure, die im syrischen Konflikt involviert sind, sie bleibt letztlich im sturen Anti-Imperialismus verhaftet.

Die politische Rechte rückt Fragen von Identität, Vormachtstellung und Machtpolitik in den Vordergrund ihrer Agenda. Es kann keine linke Herangehensweise sein, einfach dieselben Fragen wie die politische Rechte zu stellen, sie lediglich anders zu beantworten. Die gleichen Antworten wie die politische Rechte zu geben, wenn auch auf andere Fragen, kann noch weniger als „links“ verstanden werden.

Yassin Al Haj Saleh wurde von dem jungen Filmemacher Ziad Homsi auf seiner Reise durch Syrien bis in sein Exil in Istanbul begleitet. Der Film „Our Terrible Country“, der daraus entstanden ist, erzählt eindrucksvoll von den verschiedenen Facetten des aktuellen Syriens und den Ansichten zweier unterschiedlicher Generationen. Wer bisher noch nicht die Gelegenheit hatte, sich den Film anzusehen, ist am 08. April 2015 herzlich dazu eingeladen, dies im “Wettbureau”, Prinzenallee 74., Berlin-Wedding (U-Bhf. Pankstraße) um 19.00 Uhr (ggf. wird eine Wiederholung um 21.00 Uhr stattfinden) nachzuholen. Ankündigungen finden sich bei Facebook und hier

Übersetzt von einer Aktivistin (Quelle: newpol.org).